Lohn zu spät gezahlt: Das kann teuer werden

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.03.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtSchadensersatzVerzug5|8365 Aufrufe

Bestehen keine abweichenden (einzel- oder kollektiv-vertraglichen) Vereinbarungen, hat der Arbeitgeber das geschuldete Entgelt mit Ablauf des Zeitabschnitts zu entrichten, für das es bemessen ist (§ 614 Satz 2 BGB), typischerweise also am Monatsende. Zahlt er nicht rechtzeitig, gerät er ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und muss dem Arbeitnehmer Schadensersatz leisten (§ 280 Abs. 1 und 2 BGB).

Das kann im Einzelfall richtig teuer werden, wie ein aktuelles Urteil des LAG Rheinland-Pfalz zeigt:

Verzug mit der Lohnzahlung in Höhe von 1.800 Euro führt zu einem Schaden von über 75.000 Euro

Der Arbeitgeber hatte die Lohnforderungen des Klägers teilweise unvollständig, teilweise verspätet erfüllt. Dadurch war dieser mit der Tilgung eines Darlehens gegenüber der Sparkasse in Verzug geraten. Diese hatte den Kredit fällig gestellt und später die Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses und der Eigentumswohnung des Arbeitnehmers veranlasst. Am entscheidenden Tag betrug das negative Kontosaldo des Arbeitnehmers 1.542,10 Euro bei einem Kreditrahmen von 1.000 Euro. Zugleich war der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in einer Höhe von 1.804,04 Euro in Verzug. Da das Geld nicht rechtzeitig einging, ließ die Sparkasse das Haus des Arbeitnehmers versteigern. Der Arbeitnehmer musste das Objekt räumen. Der Versteigerungserlös betrug nur etwa die Hälfte des Verkehrswerts des Gebäudes. Die Differenz in Höhe von über 76.000 Euro verlangt der Arbeitnehmer als Schadensersatz. Seine Klage hat in beiden Instanzen Erfolg.

Es liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass die Finanzierung einer Immobilie durch den Arbeitnehmer gefährdet und dadurch ggf. auch das Risiko einer drohenden Zwangsversteigerung erhöht bzw. verwirklicht werden kann, wenn der geschuldete Lohn als Lebensgrundlage des Arbeitnehmers nicht pünktlich gezahlt wird. Der Kläger war auch nicht etwa gehalten, die Finanzierung so zu gestalten, dass diese auch durch Zahlungsrückstände des Beklagten nicht gefährdet werden kann und seine gesamtschuldnerisch haftende Ehefrau die Darlehen im Falle eines Ausfalls seiner Vergütung alleine hätte bedienen können. Vielmehr schuldet der Beklagte die pünktliche Zahlung des vom Kläger verdienten Lohns, auf den sich der Kläger verlassen und die Finanzierung danach ausrichten durfte. Es ist Sache des Beklagten, dafür Sorge zu tragen, dass er den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer auch rechtzeitig bezahlen kann.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 24.09.2015 – 2 Sa 555/14, BeckRS 2016, 67009

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Im ersten Moment stutzt man, aber die Entscheidung ist gerade hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität konsequent. Hier schien der Beklagte es wirtschaftlich nicht stemmen zu können, aber bedenkt man, dass das Einbehalten von Lohn zum Teil absichtlich zur Druckausübung erfolgt, ist das ein heikles Spiel - gerade im Niedriglohnbereich, wo ein solches Arbeitgeberverhalten häufiger anzutreffen ist. Die Schadensposition war hier ja noch moderat gehalten: Mindererlös aus der ZV nebst Kosten. Denkbar wären aber auch mietbedingte Mehrkosten (für wie lange...?), Umzugskosten etc., ggfs. auch Mehrkosten für eine neue Altersvorsorge, wenn Immobilie und ggfs. zuvor gekündigte Lebensversicherungen Altersvorsorgemaßnahmen waren.

Freue mich schon, in einem Anschreiben mal auf diese Entscheidung hinweisen zu dürfen :)

 

5

Da braucht man sich mit keinem §254 beschäftigen.Weil da mogelt sich keiner mehr raus,vorallem wenn im Arbeitsvertrag drin steht,dass das Geld bis Monatsende überwiesen sein muss.Hier geht es um die Existenz.Ende

 

0

Ja, ab Rn. 33:

4. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht durch ein Mitverschulden gemindert.

34Die Beweislast für die zur Anwendung des § BGB § 254 BGB führenden Umstände, insbesondere auch für die Ursächlichkeit eines Mitverschuldens, trägt der Schädiger (BAG 21. Mai 2015 - BAG Aktenzeichen 8AZR11614 8 AZR 116/14 - Rn. 47, juris). Der Kläger hat im Einzelnen dargelegt, dass er sich bei der W-Volksbank noch um eine anderweitige Finanzierung bemüht habe, dies aber aufgrund der unregelmäßigen Zahlungseingänge auf seinem Konto abgelehnt worden sei. Soweit der Beklagte den Vortrag des Klägers mit Nichtwissen bestritten hat, ist dies aufgrund der angeführten Beweislastverteilung unerheblich. Im Übrigen konnte der Kläger bereits bei seiner finanzierenden Bank eine Ratenzahlungsvereinbarung erreichen. In Anbetracht der auch in den Folgemonaten unregelmäßigen Zahlungen des Beklagten, der im Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung restlicher Vergütung für die Monate Dezember 2012 bis April 2013 in Höhe von 2.219,61 Euro netto verurteilt worden ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Kläger im Hinblick auf seine finanzielle Situation und der unregelmäßig auf seinem Konto eingehenden Lohnzahlungen eine anderweitige Finanzierung hätte erreichen können.

35Weiterhin liegt auch kein Verstoß des Klägers gegen § BGB § 254 Abs. BGB § 254 Absatz 2 Satz 1 BGB darin, dass er den Beklagten nicht auf die ihm drohenden Vollstreckungsmaßnahmen hingewiesen hat. Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob in der drohenden Zwangsversteigerung infolge des Zahlungsverzugs überhaupt die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens liegt und ob der Kläger gemäß seinem Vortrag den Beklagten darauf aufmerksam gemacht hat. Jedenfalls ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Obliegenheitsverletzung des Geschädigten und der Entstehung des Schadens dann nicht gegeben, wenn der Schädiger die Zahlung auch bei einem Warnhinweis nicht rechtzeitig geleistet hätte. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung selbst vorgetragen, dass er dem Kläger bereits ab Oktober 2012 mitgeteilt habe, dass die Auftragslage sehr schlecht sei und insofern die Lohnzahlungen nur ratenweise erfolgen könnten. Der Kläger musste seine Lohnansprüche für die Monate Dezember 2012 bis April 2013 im Vorprozess gerichtlich durchsetzen. In Anbetracht dieser Umstände kann eine Hinweispflicht des Klägers bzw. die erforderliche Kausalität einer unterbliebenen Warnung nicht angenommen werden.

5

Nicht die Entscheidung und die rechtlichen Ausführungen halte ich für (besonders) spannend, vielmehr ist es der Sachverhalt:

Eine Sparkasse(!) - wir reden hier nicht von einer Privatbank - kündigt einen Darlehensvertrag wegen ausstehenden 1.550 Euro, erwirkt einen Titel und lässt die Immobilie(n) zwangsversteigern und nimmt damit einen Veräußerungsverlust von etwa 50% (hier: 75.000 Euro) in Kauf.

Nochmals: Wir reden hier von einer Sparkasse, die außerhalb jeglichen Verhältnisses Verluste Ihres Kunden/ Kreditnehmers in Kauf nimmt, weil dieser mit einer oder vielleicht auch zwei Kreditraten in Verzug geraten ist und dieser ausstehende Betrag auch noch überschaubar ist.

Es ist die (ich entschuldige mich für die Wortwahl) Kaltschnäuzigkeit, die fassungslos und wütend machen kann. Nochmals: Da wird die Vernichtung einer Existenz in Kauf genommen, weil 1550 Euro ausstehen.

0

Kommentar hinzufügen