Eins, zwei, drei - wer hat den Fall

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 11.04.2016
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtVerweisungZuständigkeitRechtsweg|2748 Aufrufe

Das ist wieder einmal ein wunderbarer, über Monate auf dem Rücken der Parteien ausgetragener "negativer Kompetenzkonflikt": Im September 2014 machte die Klägerin vor dem Amtsgericht Celle mit einer Drittschuldnerklage 3.800 Euro gegen die Beklagte geltend. Im März 2015 erweiterte sie ihre Klage um 3.000 Euro. Das Amtsgericht wies - im Ansatz zutreffend - darauf hin, dass es (nun nicht mehr) zuständig sei und regte an, eine Verweisung entweder mit Blick auf den Streitwert an das Landgericht Lüneburg oder im Hinblick darauf, dass Schadensersatz wegen Nichtabführung pfändbaren Arbeitseinkommens in Streit stehe, an das Arbeitsgericht Celle zu beantragen. Auf Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit "an das zuständige Gericht (Arbeits- oder Landgericht)" zu verweisen, verwies das Amtsgericht den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.6.2015 an das Landgericht Lüneburg. Das LG sandte die Akten mit Verfügung vom 27.6. an das Amtsgericht zurück und bat um Prüfung, ob der Rechtstreit nicht an das Arbeitsgericht zu verweisen sei. Dieser "Empfehlung" entsprach das Amtsgericht in der Folgezeit, wobei es wiederholt unter Verstoß gegen § 17b Abs. 1 GVG die Akten vor Rechtskraft des erneuten Beschlusses an das Arbeitsgericht übersandte, das diese stets umgehend zurückschickte. Im vierten Anlauf gelang es dem Amtsgericht dann endlich, die Rechtskraft abzuwarten und die Akten erst danach erneut dem Arbeitsgericht zu übersenden. Das lehnte die Übernahme des Rechtsstreits ab und bat das BAG um Bestimmung des zuständigen Gerichts. Das BAG erklärte das LG Lüneburg für zuständig: Der erste Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts sei für dieses bindend gewesen, danach sei der Rechtsstreit bei ihm nicht mehr anhängig gewesen. Die weiteren Verweisungsbeschlüsse durch das Amtsgericht seien offensichtlich rechtswidrig, weil ein Gericht einen Rechtsstreit, der bei ihm nicht (mehr) anhängig ist, nicht verweisen könne.

1. Die Verweisung eines Rechtsstreits durch ein Gericht, bei dem dieser Rechtsstreit nicht anhängig ist, verstößt gegen das grundgesetzliche Gebot des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, und stellt eine krasse Rechtsverletzung dar. Ihr kommt keine Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu.

2. Das BAG kann im Interesse der Verfahrensbeschleunigung das zuständige Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO selbst bestimmen, auch wenn dieses sich noch nicht für unzuständig erklärt hat.

Neun Monate nach der Klageerweiterung vom März 2015 gibt es nun also endlich ein zuständiges Gericht.

BAG, Beschluss vom 21.12.2015 - 10 AS 9/15, NZA 2016, 446

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen