Tayyip Erdogan versus Jan Böhmermann wegen Beleidigung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 11.04.2016

In den nächsten Tagen will die Bundesregierung „sorgfältig und so zügig wie möglich“ das Verlangen der türkischen Regierung vom vergangenen Wochenende nach einer Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann prüfen. Gegen ihn waren bereits in der vergangenen Woche mehrere Strafanzeigen nach § 103 StGB „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingegangen. Das ZDF hat die ZDFneo-Sendung mit dem als „Schmähkritik“ annoncierten Spottgedicht Böhmermanns zwischenzeitlich aus der Mediathek entfernt.

Man darf gespannt sein, wie die Bundesregierung, die sich in einer Zwickmühle befindet, entscheidet. Darüber wurde gestern Abend intensiv bei Anne Will diskutiert.

Das Spottgedicht isoliert betrachtet, erfüllt in meinen Augen den Tatbestand der Beleidigung. Allerdings stellte Böhmermann das Gedicht in den Zusammenhang von Satire einerseits und strafbarer Schmähkritik andererseits. Nach seinen Worten wollte er gerade belegen, was in Deutschland strafbare Schmähkritik wäre. Was da in der Gesamtschau noch straflose Satire oder schon strafbare Schmähkritik war, ist alles andere als einfach zu beantworten. Der subjektive Tatbestand des § 103 StGB erfordert jedenfalls ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln.

Ich vermute, dass die Bundesregierung – schon um den schwarzen Peter auf die Strafverfolgungsorgane weiterzuschieben– dem Verlangen der türkischen Regierung nachgeben und nach § 104a StGB die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wird. Dann muss sich die Staatsanwaltschaft Mainz endgültig mit der im vorliegenden Fall rechtlich schwierigen Grenzziehung zur Strafbarkeit bei Satire befassen.

Zum aktuellen Stand hier.

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342 Kommentare

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Gast schrieb:

So hebelt Merkel den Rechtsstaat aus

http://www.cicero.de/berliner-republik/causa-boehmermann-der-rechtstaat-...

Der Titel verspricht mehr, als der Inhalt liefert. Geschwätz eines unterbeschäftigten ehemaligen Bundesrichters, der sich besser der Verausgabung seiner verdienten Pension widmen sollte.

Elias Cannetti hat zur Wirkungsmächtigkeit falscher Argumente einmal zutreffend bemerkt: „Die Kraft falscher Argumente beruht auf ihrer extremen Falschheit.“

Wo soll Canetti das gesagt haben und was soll das ggf. bedeuten?

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Gast schrieb:

Elias Cannetti hat zur Wirkungsmächtigkeit falscher Argumente einmal zutreffend bemerkt: „Die Kraft falscher Argumente beruht auf ihrer extremen Falschheit.“

Wo soll Canetti das gesagt haben und was soll das ggf. bedeuten?

Haha! Großartig. ;-) Made my day!

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Es sieht wirklich schon etwas seltsam aus, wenn wegen eines Geldbußen- Fällchens , das normalerweise niemanden interessiert hätte, mehrere Minister zusammentreten, eine an sich unzuständige Kanzlerin ein sog. "Machtwort " spricht, um dann zu erklären, dass der ohnehin phantomhafte Paragraf 103 StGB abgeschafft wird. 

 

 Immerhin wird über die Schlammgrube an der mazedonisch -griechischen Grenze jetzt nicht berichtet, sondern  über Böhmermanns Attacke auf die öffentliche Moral. 

 

 Im Januar bereits hatte Newsweek Erdogan attestiert, er  habe ein           Hitler - Problem. Von juristischen Schritten dagegen ist nichts bekannt. Das alles nennt man dann Zeitgeist.

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Sehr geehrter Prof. Dr. Müller,

die Untertitel sind sicherlich ein diskussionswürdiger Punkt.

Zunächst einmal muss man m.E. die Zielgruppen auseinanderdividieren.

Wenn man die reine Ausstrahlung im deutschen Fernsehen bzw. der Mediathek zugrunde legt, wird es wohl kaum nur-türkischsprachige Menschen geben, die eine rein deutschsprachige Sendung schauen. Insoweit wird man mangels Kundgabevorsatz ("für möglich halten") keine strafrechtlich relevante Folge aus der Teil-Untertitelung ableiten können.

Was die illegale Weiterverbreitung außerhalb der Mediathek durch Dritte angeht, wird man diese nicht Herrn Böhmermann oder anderen möglicherweise Verantwortlichen beim ZDF zurechnen können.

Es bleibt die wohl vorhersehbare mediale Aufmerksamkeit, die die Sendung bis in die Türkei und auch zu nur-türkischsprachigen Menschen in anderen Ländern, insbesondere Deutschland, trägt. Da gilt m.E., dass es nicht strafbegründend sein kann, ob oder wie vollständig die Medien den Inhalt der Sendung wiedergeben. Es ist ja anhand des Tons unmittelbar ersichtlich, dass es sich um eine deutsche Sendung handelt. Es müsste sich also der Beleidigungsvorsatz auf das Ignorieren des nicht untertitelten Teils einer erkennbar deutschen Sendung und der reinen Weitergabe des Gedichts mit türkischen Untertiteln beziehen. Insbesondere bei Presseberichterstattung wird es aber jedenfalls nicht von Böhmermann oder sonstigen möglicherweise Verantwortlichen gebilligt worden sein, dass der Kontext in der Berichterstattung vollkommen ignoriert wird, d.h. sich keiner fragt bzw. fragen muss, was denn da einleitend, zwischendurch und hinterher bzgl. der Schmähkritik auf deutsch geredet wird. Es wäre sicherlich für die Weitergabe des Kontexts förderlich gewesen, auch den Kontext zu untertiteln. Da sind wir aber m.E. bei Überlegungen bezüglich Fahrlässikeit ("hätte erkennen können").

Es würde mich interessieren, ob Sie weitere Aspekte sehen.

Ich halte die Teil-Untertitelung, wie gesagt, für eine Persiflage mit Bezug zum Extra 3 Beitrag, der aufgrund des medialen Interesses nachträglich in türkisch untertitelt wurde. Das hat man dann wohl schlicht kopiert.

Zudem halte ich es schlicht für lebensfremd, wie es hier teilweise von Kommentatoren getan wird, Böhmermann et. al. eine Art Tourette-Syndrom bzgl. Erdogan zu unterstellen, dass sich zufälligerweise gerade im Rahmen der diplomatischen Umstände bzgl. Extra 3 und anderen Vorkommnissen rund um die Meinungsfreiheitspraktiken des türkischen Staats manifestiert. Als hätte man bei Neo Magazin Royale nur auf einen Vorwand gelauert, endlich Erdogan und die ganze Türkei beleidigen zu können und dabei straffrei zu bleiben. Eine Art "perfektes Verbrechen" also. Das geht erkennbar an der Sache vorbei. Vielmehr handelt es sich zumindest um den Versuch, die Grenzen der Meinungsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes ganz plastisch darzustellen. Ob das gelungen ist, darüber kann man wahrlich anderer Meinung sein als Böhmermann und Kollegen. Es ist aber nicht Sache der Meinungsfreiheit, das Niveau einer Äußerung zu beurteilen. Ebenso unmittelbar einsichtig ist, dass der gemeine Internet-Troll sich schwerlich auf einen edukatorischen Kontext seiner verbalen Entgleisungen berufen können wird. Das Vorhandensein des Rechtfertigungsgrundes Notwehr hat ja schließlich auch nicht dazu geführt, dass keine Körperverletzung mehr verfolgt werden kann.

Im Übrigen noch ein Kommentar von Herrn Thiele aus dem Verfassungsblog in Sachen Untertitelung, den Sie vermutlich schon zur Kenntnis genommen haben, aber der für andere hier sicher auch interessant ist.

Quote:

@Jürgen Hoffmann
@ Henning Ernst Müller
Vielen Dank für diese Anmerkung. Das Vorgehen bzgl. der Untertitel ist selbstverständlich im Rahmen der erforderlichen Abwägung zu berücksichtigen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob dieser Umstand zwingend dazu führen muss, dass der edukatorische Gesamtkontext partiell entfällt. So ließe sich argumentieren, dass das Gedicht erst mit dem Untertitel gemeinsam das Beispiel für die unzulässige Schmähkritik bildet, die Böhmermann aufzeigen wollte (Also etwa so: „Das folgende Gedicht bildet eine definitiv unzulässige Schmähkritk und zwar erst Recht dann, wenn es mit türkischen Untertiteln vorgetragen wird“). Die in den Kontext eingebettete Schmähkritik wäre also „Gedicht mit Untertiteln“ und nicht nur „Gedicht“. Entscheidend wäre dann allein die Frage, ob der edukatorische Kontext zu jedem Zeitpunkt auch von jedem Konsumenten (also auch von nur türkisch-sprechenden Konsumenten) erkennbar sein muss.

http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtlic...

Viele Grüße,

MT

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MT schrieb:

Zudem halte ich es schlicht für lebensfremd, wie es hier teilweise von Kommentatoren getan wird, Böhmermann et. al. eine Art Tourette-Syndrom bzgl. Erdogan zu unterstellen,

Was ist daran lebensfremd, zu glauben, dass B. Erdogan ziemlich stark zum Kotzen findet? Es bestreitet ja niemand, dass es einen sachlichen Anlass für den Streit gibt. Den gibt es immer. Aber die gewählten Formulierungen haben dann eben keinen Sachbezug mehr gehabt.

Ich habe ja schon mehrfach darum gebeten, dass jemand mal konkret formuliert, welchen Punkt B. eigentlich machen wollte. Welche konkrete, satirische Aussage ist denn mit dem Gedicht verbunden? Die Aussage "Das hier überschreitet die Grenze der Meinungsfreiheit" wäre ja absurd, denn das ist völlig unbestritten und wird auch von Erdogan so unterschrieben. An der Stelle gibt es ja überhaupt nichts, worüber B. Erdogan hätte belehren können.

Quote:

Ebenso unmittelbar einsichtig ist, dass der gemeine Internet-Troll sich schwerlich auf einen edukatorischen Kontext seiner verbalen Entgleisungen berufen können wird. Das Vorhandensein des Rechtfertigungsgrundes Notwehr hat ja schließlich auch nicht dazu geführt, dass keine Körperverletzung mehr verfolgt werden kann.

Das überzeugt mich nicht, auch wenn ich mal die relativ schiefe Notwehrmetapher hinnehme. Die Leute vom anderen politischen Spektrum werden auch dieses Argument übernehmen. Tun sie nämlich jetzt schon. Das ist ja der Hauptvorwurf, der von "rechts" kommt: "Hier in Deutschland gibts keine Meinungsfreiheit". Sagen die ständig. Und wieso sollte jetzt eine politische Bewegung wie z.B. Pegida, die ständig ein angebliches Defizit der Meinungsfreiheit in Deutschland kritisiert, sich nicht derselben Mittel bedienen dürfen wie B. um dieser Kritik Ausdruck zu verleihen. Sie müssten sich schon ein wenig mit dem Problem auseinandersetzen, wenn Sie sich nicht am Ende den Vorwurf gefallen lassen wollen, dass es Ihnen letztlich darum geht, bestimmte Meinungen anders zu behandeln als andere.

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Markus schrieb:

Ich habe ja schon mehrfach darum gebeten, dass jemand mal konkret formuliert, welchen Punkt B. eigentlich machen wollte. Welche konkrete, satirische Aussage ist denn mit dem Gedicht verbunden? Die Aussage "Das hier überschreitet die Grenze der Meinungsfreiheit" wäre ja absurd, denn das ist völlig unbestritten und wird auch von Erdogan so unterschrieben. An der Stelle gibt es ja überhaupt nichts, worüber B. Erdogan hätte belehren können.

Das habe ich bereits mehrfach erläutert. Erdogan sieht die Grenze der Meinungsfreiheit bei Extra 3 und diversen anderen Kleinigkeiten überschritten und tut alles in seiner Macht stehende, um das nicht nur in der Türkei, sondern auch gegenüber Deutschland als die reine Lehre darzustellen. Böhmermann hat plastisch dargestellt, wo die Grenze der Meinungsfreiheit in einer freiheitlichen Demokratie tatsächlich liegt.

"Schief" ist übrigens, wenn man meint aus der Meinungsfreiheit eine Missbrauchsgefahr für Körperverletzungsdelikte ableiten zu können.

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MT schrieb:

Böhmermann hat plastisch dargestellt, wo die Grenze der Meinungsfreiheit in einer freiheitlichen Demokratie tatsächlich liegt.

Eben. Deshalb sind seine Äusserungen ja auch mutmasslich auch strafbar.

 

Ich versteh auch nicht, was der ständige Verweis auf Erdogan`s innenpolitische Manöver damit zu tun haben soll.

 

Einem mehrfach vorbestraften Beleidiger kann man auch nicht ungestraft beleidigen, nur um ihm mal "edukativ" zu zeigen, wie verletzenden eine solche Beleidigung sein kann.

 

Auch Erdogan hat ein Recht auf Achtung seiner Würde. Einen Präsidenten Malus gibt es schlicht nicht. 

 

astroloop schrieb:

MT schrieb:

Böhmermann hat plastisch dargestellt, wo die Grenze der Meinungsfreiheit in einer freiheitlichen Demokratie tatsächlich liegt.

Eben. Deshalb sind seine Äusserungen ja auch mutmasslich auch strafbar.

Das wird man sehen müssen. Das der Kontext beachtlich ist, so viel ist aber klar. Nur auf das Gedicht schauen funktioniert nicht.

Quote:

Ich versteh auch nicht, was der ständige Verweis auf Erdogan`s innenpolitische Manöver damit zu tun haben soll.

Es sind eben nicht mehr nur innenpolitische Manöver, wenn er den deutschen Botschafter mehrfach wegen einer deutschen TV-Sendung und diverser andere Vorgänge mit Bezug zur Meinungsfreiheit in Deutschland einbestellen lässt.

Quote:

Einem mehrfach vorbestraften Beleidiger kann man auch nicht ungestraft beleidigen, nur um ihm mal "edukativ" zu zeigen, wie verletzenden eine solche Beleidigung sein kann.

Ist nicht unser Fall und auch nicht vergleichbar.

Quote:

Auch Erdogan hat ein Recht auf Achtung seiner Würde. Einen Präsidenten Malus gibt es schlicht nicht. 

Präsidentenmalus für sich gesehen nicht, aber bei Fragen von öffentlichem Interesse verlangt das BVerfG schon eine dickere Haut:

Quote:

Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>).

https://www.bverfg.de/e/rk20140728_1bvr048213.html#abs11

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MT schrieb:

Was die illegale Weiterverbreitung außerhalb der Mediathek durch Dritte angeht, wird man diese nicht Herrn Böhmermann oder anderen möglicherweise Verantwortlichen beim ZDF zurechnen können.

Sinngemäß sagen Böhmermann und Kabelka, dass Erdogan unbedingt darauf achten muss, dass niemand das Gedicht ins Netz stellt, das aber sicher niemand tun wird, weil es ja in der Mediathek ist.

 

Man hat sich also durchaus Gedanken über die Weiterverbreitung gemacht.

Man wird diesen Teil seiner Abmoderation deshalb strafrechtlich  auch so interpretieren können, dass die Weiterverbreitung billigend in Kauf genommen wird.

I.S. schrieb:

Sinngemäß sagen Böhmermann und Kabelka, dass Erdogan unbedingt darauf achten muss, dass niemand das Gedicht ins Netz stellt, das aber sicher niemand tun wird, weil es ja in der Mediathek ist.

 

Man hat sich also durchaus Gedanken über die Weiterverbreitung gemacht.

Man wird diesen Teil seiner Abmoderation deshalb strafrechtlich  auch so interpretieren können, dass die Weiterverbreitung billigend in Kauf genommen wird.

Unter welchem Aspekt ist das strafrechtlich relevant? Selbst wenn man Ihnen folgend Vorsatz annimmt, macht das noch lange keine Straftat.

Außerdem ist es mit der Verbreitung nicht so weit her, wie man vielleicht meinen könnte:

Quote:

Glaubt man jedoch dem Nichts-vergessen-Spruch, müsste Böhmermanns Video eigentlich leicht auffindbar sein. Irgendwo da draußen im Datengewusel. Erster, naheliegender Gedanke: auf Youtube. Doch Enttäuschung. Das Video wird dort zwar täglich von verschiedenen Privatpersonen hochgeladen, aber innerhalb weniger Stunden von Youtube wieder gelöscht. Das tut der Konzern nicht etwa, weil er den Inhalt geschmacklos findet, sondern weil das Urheberrecht für die Bilder beim ZDF liegt. Youtube würde sich strafbar machen, löschte es die Dateien nicht.

[...]

Also weitersuchen. Der Deutschlandfunk hat sich auf seiner Onlineseite die Mühe gemacht, das Gedicht inklusive Erklärungen Wort für Wort niederzuschreiben. Doch ohne das schelmische Grinsen des Moderators, ohne die Diebesfreude in seinen Augen ist es nur halb so lustig. Zum Glück gibt es noch mehr Videoplattformen. Wer danach googelt, findet sie kaum. Man muss diese also gezielt ansteuern.

http://digitalpresent.tagesspiegel.de/wo-boehmermanns-video-noch-zu-sehe...

Böhmermann und Kollegen dürfte durchaus bekannt gewesen sein, dass das ZDF seine Urheberrechte ernst nimmt und die verantwortlichen Plattformen, soweit irgend möglich, zur Löschung veranlasst.

 

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Korrektur: Anscheindend war es vor Böhmermann beim ZDF nicht üblich, das eigene Material von Videoplattformen löschen zu lassen.

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Ich setze das mal hier ein, eine Argumentation des BVfG zu Kritik, Schmähkritik und analog Comedy, Satire etc.
BVfG in einem Urteil bzgl. einer Verfassungsbeschwerde wegen "Beleidigung einer Richterin" in einer Dienstaufsichtsbeschwerde mittels angebl. "überzogener Schmähkritik......"

"Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.
Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht."
Dies ist im Fall Böhmi objektiv betrachtet, nicht gegeben, er hat mehrfach erwähnt, dass es um eine Darstellung geht, was strafbar wäre und damit u. U. die Einbestellung des dt. Botschafters rechtfertigen könnte. (Nebenbei hat Erdwahn den dt. Botschafter einen Terroristen genannt, weil Dieser einen Prozessauftakt beobachtet hat),heute wurde ein Journalist bei der Einreise festgesetzt- auf dem Weg zum türk. syr. Grenzgebiet- und sitzt in Abschiebehaft.

Weiter Zitat BVfG:
" Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das von ihm in der Dienstaufsichtsbeschwerde kritisierte Verhalten und bezweckt eine Überprüfung dieses Verhaltens durch eine übergeordnete Stelle.
Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage."
Es darf also davon ausgegangen werden, dass das BVfG am Ende diese Rechtsauffassung weiterführt.
Dass hier immer wieder die "hätte man auch anders formulieren können Fraktion" auf den Plan tritt, scheint typisch deutsch. Es gibt immer Welche, die meinen, einem "Künstler etc." sagen zu müssen, wie er es "besser machen würde". Comedians wissen ein Lied davon zu singen, dass meist in der 1. Reihe jemand sitzt, der den ganzen Vortrag lang nicht einmal lacht, permanent den Kopf schüttelt und am Schluss das "Gespräch mit dem Akteur" sucht, um ihm "eine Lehre zu erteilen". Die sitzen nun in allen Startlöchern und fordern eine "verschärfte Sanktion" gegen Böhmermann, sonst könnte man ja auch jemanden "erschiessen und dann behaupten, es sei Kunst gewesen". Gab`s übrigens schon, allerdings mit der Liveschlachtung eines Schweines oder Ankündigungen eines Radiosenders, ein "Haustier" öffentlich hinzurichten, -was natürlich niemals beabsichtigt war- , wohl ging es um Publicity oder um die Menschen ein wenig zu necken oder wachzurütteln..... etc. Auch Böhmi hat ein "Grundbedürfnis", anzuecken und seine Ankündigung, Pause einzulegen, nach Nordkorea zu reisen und mit dem Sagway den Jacobsweg zu "befahren" etc. oder Thomalla und Hallervorden zu beschimpfen, all dies gehört zum "Krankheitsbild", und das bitte nicht falsch verstehen, aber Comedians sind "krankhafte Triebtäter" und im Grunde bitterböse- Karl Valentin, Willy Reichert....... lange Liste mehr oder weniger erträglicher Menschen.  Mitti kann auch "ganz schön aus der Haut fahren", Nuhr ist permanent ......... ich sags nicht, sonst.....Na ja, da bin ich zu unwichtig, und der Hubertus Schröder erst, der mit dem Wischmop, hat sich ja erst als Schläger geoutet? Im Übrigen, das was Böhmermann losgetreten hat, ist allemal ein "Gesamtkunstwerk"!

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Es darf also davon ausgegangen werden, dass das BVfG am Ende diese Rechtsauffassung weiterführt.

Die Fälle sind in keiner Hinsicht vergleichbar. Dem Fall des BVerfG lag eine "überspitzte Kritik" des Betroffenen zu Grunde, nämlich:

...er protestiere „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ und meine, „sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“ (vgl. BVerfG, B. v. 28.7.2014 - 1 BvR 482/13).

Der dortige Täter setzt sich also ganz konkret "überspitzt" kritisch mit einem Richterverhalten auseinander, nennt die Richterin aber keineswegs - vom Fall völlig losgelöst und bewußt herabwürdigend - z. B. eine "vertrocknete alte Hure", was ggf. mit dem "pädophilen Ziegenficker" vergleichbar wäre. Man sollte wirklich endlich damit aufhören, das Verhalten Böhmermanns krampfhaft verfassungsrechtlich rechtfertigen zu wollen und das Bundesverfassungsgericht zum Zeugen des unsäglichen Böhmermann herabzuwürdigen, was fast schon selbst wieder eine Beleidigung des Bundesverfassungsgerichts genannt werden müsste.

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"hätte man auch anders formulieren können Fraktion"

das nennt man auch Verhältnismäßigkeit.

 

Natürlich stand im Vordergrund allein die persönliche Diffamierung Erdogans.

 

Die Rahmenhandlung und der "quasi-edukatorische Gesamtkontext" - der Begriff ist mir in der Tat noch nirgendwo untergekommen; bestimmt jetzt, wer am schnellsten bloggt, die Rechtsfindung, das VG Berlin konnte bequem vom Verfassungsblog abschreiben - ändern daran nichts.

 

Dem edukatorischen Zweck hätte auch eine unpersönliche Schmähkritik anstelle der Beleidigungsorgie genügt. Dann aber hätte das "Gedicht" keinerlei Aufmerksamkeit erlangt.

 

 

Und wenn der Verfasser selbst sein Werk als "Schmähkritik" bezeichnet, stellt Frau Merkels Wertung "bewusst verletzend" keine Vorverurteilung dar, sondern die Wiedergabe der Intention des Verfassers. Der Aufschrei über Merkel hier war groß, aber wenn sie die Einstellung der AfD gegen den Islam verurteilt, sind alle still.

 

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@MT

Wir drehen uns hier im Kreis. Ihr Zusammenhang läuft auf das Argument hinaus, dass man generell die Grenzen der Meinungsfreiheit übertreten darf, wenn man sich mit jemandem darüber streitet, wo sie liegen. Mein Verdacht ist, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. B ist der gute, E ist der böse. Deshalb muss B recht haben. Das ist wie bei Fussballfans, die den Shiedsrichter ausbuhen, wenn das eigene Team foult.

@sacratti
Was Sie zitieren, hat nie jemand bestritten. Sie sollten dann aber auch mal den unterschiedlichen Sachvehalt zur Kenntnis nehmen. In dem von ihnen zitierten Fall hatte der Beschwerdeführer gerade mal die Formulierung "schäbiges und unwürdiges Verhalten" gebraucht. Das ist meilenweit enrfernt von den Ausführungen von B über E. Ich versichere Ihnen, dass niemand etwas gesagt hätte, wenn B.s Kritik an E sich auf diesem Level bewegt hätte.

4

Der Fall "Beleidigung einer Richterin" mag von der Wortwahl nicht vergleichbar sein. Als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen wurde aber der Song "Stress ohne Grund", u.a. mit folgendem Inhalt:

Quote:
„Halt die Fresse, fick die Presse, Kay Du Bastard bist jetzt vogelfrei Du wirst in Berlin in Deinen Arsch gefickt wie Wowereit“

[...]

„Ich mach‘ Schlagzeilen, fick deine Partei und ich will das Serkan Tören jetzt ins Gras beißt (Anschließend Schüsse)“

[...]

„Ich schieß auf Claudia Roth, und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“.

Man mag mich aufklären, wo da der menschenwürdig-edukative Gehalt zu finden ist.

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MT schrieb:
Man mag mich aufklären, wo da der menschenwürdig-edukative Gehalt zu finden ist.

Nirgends. Das war meines Erachtens einfach eine Fehlentscheidung von einem Gericht, das die Rechtsprechung des BVerfG falsch angewendet hat. Ich finde, sowas sollte strafbar sein. Sie nicht?

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Markus schrieb:
MT schrieb:
Man mag mich aufklären, wo da der menschenwürdig-edukative Gehalt zu finden ist.

 

Nirgends. Das war meines Erachtens einfach eine Fehlentscheidung von einem Gericht, das die Rechtsprechung des BVerfG falsch angewendet hat.

Zum einen waren es zwei Gerichte (AG Tiergarten und LG Berlin), die beide die Rechtslage als so klar angesehen haben, dass noch nicht einmal das Hauptverfahren zu eröffnen war. Zum anderen ging anscheinend die Staatsanwaltschaft zunächst ebenfalls von weitestgehender Straflosigkeit aus:

Quote:

Nun berichtet die BZ in ihrer gestrigen Sonntagsausgabe von einem ihr zugegangenen anonymen Brief eines Mitarbeiters aus der für die Anklage gegen Bushido zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft. Danach soll Oberstaatsanwalt Dr. Behm in dem Gespräch mit dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters diesem „bestätigt haben, welche Straftatbestände er für gegeben hält“. Darüber hinaus soll Dr. Behm einen ersten Vermerk der Staatsanwaltschaft, der zu dem Ergebnis weitestgehender Straflosigkeit kam, negiert und gegenüber den zuständigen Staatsanwälten auf Anklageerhebung gedrungen haben.

https://www.kanzlei-hoenig.de/2014/begruendeter-stress-fuer-den-oberstaa...

Entweder eine Menge hauptamtlicher Juristen verstehen das BVerfG nicht, oder Sie liegen mit Ihrer Interpretation falsch.

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MT schrieb:

Zum einen waren es zwei Gerichte (AG Tiergarten und LG Berlin), die beide die Rechtslage als so klar angesehen haben, dass noch nicht einmal das Hauptverfahren zu eröffnen war. Zum anderen ging anscheinend die Staatsanwaltschaft zunächst ebenfalls von weitestgehender Straflosigkeit aus:

Also ich habe mir jetzt mal das Urteil durchgelesen. Wie so oft hätte man der Darstellung in den Medien vielleicht nicht uneingeschränkt vertrauen dürfen:

 

Das Gericht stellt zunächst mal fest, dass sich alle Äußerungen in dem Text primär gegen Kay One richten. Der hatte aber keinen Strafantrag gestellt, sodass Beleidigungsdelikte ihm gegenüber gar nicht zu prüfen waren. Die Frage der Kunstfreiheit stellte sich diesbezüglich also gar nicht.

 

Was Volksverhetzung betrifft, stellt das Gericht zutreffend fest, dass es schon am Tatbestand fehlt. Insofern stellt sich auch hier die Frage der Kunstfreiheit nicht.

 

Was die übrigen Betroffenen betrifft (Wowereit, Claudia Roth, etc.) hat das Gericht zweifel, ob es sich überhaupt um Beleidigungen handelt. So stellt es zB fest, dass Homosexualität und Analsex gesellschaftlich akzeptiert sind und sich schon deshalb von vorne herein nicht als Herabwürdigung eignen. Außerdem steht das Gericht auf dem Standpunkt, dass sich die Äußerungen auch insofern im Kern gegen Kay One richten. Soweit andere also überhaupt angesprochen sind, geschieht das beiläufig. Jedenfalls diese beiläufigen Äußerungen seien von der Kunstfreiheit gedeckt, weil die Rechtsgutverletzung gering ist.

 

Muss man nicht zwingend finden, lässt sich aber jedenfalls schon besser hören. Das alle beantwortet aber letztlich nicht die eigentlich spannende Frage: Was finden Sie denn? Sollte der Bushidotext strafbar sein?

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Markus schrieb:

Was die übrigen Betroffenen betrifft (Wowereit, Claudia Roth, etc.) hat das Gericht zweifel, ob es sich überhaupt um Beleidigungen handelt. So stellt es zB fest, dass Homosexualität und Analsex gesellschaftlich akzeptiert sind und sich schon deshalb von vorne herein nicht als Herabwürdigung eignen. Außerdem steht das Gericht auf dem Standpunkt, dass sich die Äußerungen auch insofern im Kern gegen Kay One richten. Soweit andere also überhaupt angesprochen sind, geschieht das beiläufig. Jedenfalls diese beiläufigen Äußerungen seien von der Kunstfreiheit gedeckt, weil die Rechtsgutverletzung gering ist.

 

Man muss echt sagen: die "schön denken" und "schön sprechen" Fraktion schafft es regelmässig die lustigsten und absurdesten Darbietungen herbeizuführen. 

 

Interessant ist, ob das LG mit dem letzten Satz meint, dass es auch keine Beleidigung gegenüber "K." ist. Das geht daraus nicht ganz klar hervor.

Wenn mich ein Türke mit einem Grünen-Politiker vergleicht würde ich mich schon in meiner Würde verletzt fühlen. Hingegen, handelt es sich um einen Deutschen könnte es auch als Kompliment gemeint sein. Das macht so einen Vergleich zwar nicht weniger ehrverletzend, aber viele Deutsche wissen es halt nicht besser. Seltsam nur, dass Grüne mit so einem Lied dann überhaupt Probleme haben, obwohl es für sie doch fast eine Heiligsprechung des K. sein müsste.

 

Ob Wowereit einen Anspruch darauf hat, dass ich ihn nicht als Ehrverletzung empfinde bzw. meinen Sprachgebrauch ggü. Dritten so kontrolliere, dass er nicht den Eindruck gewinnen kann? Ich denke das kommt auch noch. 

 

Allgemein muss man wohl feststellen, dass es heute immer schwieriger wird seine Mitmenschen effektiv zu beleidigen und auch schwieriger sich ernsthaft beleidigt zu fühlen. Sogar Komplimente sind bei Feministinnen eine sehr heikle Sache.

 

Ich hab oft das Bedürfnis Leute mehr zu beleidigen, als ich es effektiv tue. Ich glaub da gibt es sogar ein Wort für: "schmerzfrei". Sehr frustrierend das ganze.

 

Gibt es bei der heutigen fragmentierten Wertordnung überhaupt noch Beleidigungen im objektiven Sinn?

 

 

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Danny schrieb:

Gibt es bei der heutigen fragmentierten Wertordnung überhaupt noch Beleidigungen im objektiven Sinn?

Böhmermann ohne Sachkontext.

Oder, wenn man Meinungs-/Kunstfreiheit verneint, Böhmermann.

0

MT schrieb:

Danny schrieb:

Gibt es bei der heutigen fragmentierten Wertordnung überhaupt noch Beleidigungen im objektiven Sinn?

Böhmermann ohne Sachkontext.

Oder, wenn man Meinungs-/Kunstfreiheit verneint, Böhmermann.

 

Ich meinte das mehr in die Richtung:

Wie kann man bestimmen, ob einer Äusserung eine Beleidigung ist, wenn die Gesellschaft sich nicht mehr darüber einig ist, ob die Sache auf die sich bezogen wird verachtenswert oder lobenswert ist?

 

Bzgl. Homosexualität find ich das Argument im Prinzip schon überzeugend, dass "gesellschaftlich anerkannte Praktiken" sich nicht zur Beleidigung eignen. Nur das ist eigentlich mehr frommer Wunsch als breiter Konsens. Das Gericht hat sich da eigentlich eher an den Vorstellung bzw. Zielen der regierenden Parteien orientiert als an der Realität. Gesetzlich festgeschrieben wie man darüber zu denken hat ist es ja (noch) nicht und während es früher den meisten wohl weitgehend egal war gibt es im Moment eher einen backslash, weil man das übertriebene Opfer-Getue und die öffentlich-zelebrierten Bekenntnisse nicht mehr ertragen kann (so ähnlich auch bei Sexismus/Gleichberechtigung und Ausländern).

Ein etwas älteres Beispiel sind "Sekundärtugenden", von denen ich in meiner Schulzeit noch gelernt hab, dass sie direkt in den Faschismus führen.

 

Die Rechtsprechung diesbzgl. nehm ich zunehmend als beliebig und politisch wahr.

 

Ich frag mich wie das Böhmermann Urteil im Vergleich zu diesem ausfallen wird: http://www.derwesten.de/staedte/bochum/geldstrafe-fuer-bochumer-nach-het...

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Danny schrieb:
Man muss echt sagen: die "schön denken" und "schön sprechen" Fraktion schafft es regelmässig die lustigsten und absurdesten Darbietungen herbeizuführen

Was mir dabei auch nicht ganz einleuchtet ist die Beliebigkeit. Anscheinend soll es ja zum Kernbestand unseres Grundgesetzes zählen, in Liedern und Gedichten über Schwule und Frauen herzuziehen. Andererseits soll dann jede kleine Anzüglichkeit in der Werbung verboten werden.

Der langfristig Bestand der freiheitlichen Grundrechte wird mE weniger durch den StA bedroht als durch solche Widersprüche.

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Gast schrieb:

Soweit ich informiert bin, kennen die Amerikaner vor lauter "freedom of speech" unseren Straftatbestand der "Beleidigung" gar nicht. Kein Wunder also, dass man dort kein Verständnis für Merkel und unsere Rechtslage hat.

 

Von der deutschen Qualitätspresse weiss das leider niemand.

 

Man zitiert lieber ganz genüsslich, um Merkel vorzuführen.

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@MT, Sie sollten uns schon genauer sagen und wörtlich zitieren, was genau Sie in dem zotigen Bushido-Text genau als eine tatbestandsmäßige "Beleidigung" erachten. Zoten alleine sind nicht strafbar.

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Gast schrieb:

@MT, Sie sollten uns schon genauer sagen und wörtlich zitieren, was genau Sie in dem zotigen Bushido-Text genau als eine tatbestandsmäßige "Beleidigung" erachten. Zoten alleine sind nicht strafbar.

Sie können die Diskussion bei Interesse selber googeln. Anklageerhebung erfolgte jedenfalls wegen Volksverhetzung und Beleidigung.

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Eigentlich wollte ich ja nicht googeln, sondern mit Ihnen Ihre Thesen diskutieren. Zu Ihrer These "Entweder eine Menge hauptamtlicher Juristen verstehen das BVerfG nicht, oder Sie liegen mit Ihrer Interpretation falsch" hilft mir Google leider nicht weiter. Und Sie auch nicht.

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Aha, ich dachte Sie wollten über "was genau Sie in dem zotigen Bushido-Text genau als eine tatbestandsmäßige "Beleidigung" erachten" diskutieren. Es tut mir ehrlich Leid, wenn ich Ihren neuerlichen Diskussionsansatz nicht zwischen den Zeilen herauslesen konnte.

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@ Markus

Aufgrund Ihrer Darstellung der Entscheidung gebe ich Ihnen recht, dass man sich nicht auf die Medienberichte verlassen sollte. Meine Einschätzung basierte auf den Medienberichten, dass der Song laut Gericht von der Kunstfreiheit gedeckt war. Soweit Sie es darstellen, ergibt sich wirklich wenig in Sachen Meinungsfreiheit.

Ich wäre für eine Mitteilung des Aktenzeichens dankbar.

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Kay One war sicher nicht frei in seiner Entscheidung, keinen Strafantrag zu stellen. Das hätte das Gericht wohl berücksichtigen "können/sollen/müssen", wenn schon Anklage ohne Strafantrag erhoben wurde, die Anklage zugelassen wurde und die StA "wohl selbst von Straffreiheit ausging". War das Gericht u. U. ebenfalls "nicht frei in seiner Entscheidung"?
Wenn "das Gericht" feststellt, dass Homosexualität und Analsex "gesellschaftl. akzeptiert" sind und deshalb Beleidigungen in dieser Hinsicht gar nicht beleidigend seien, hebt dies allenfalls auf einen wohl rel. geringen Teil der Bevölkerung ab, denn in weiten Teilen ist dies noch "krank, pervers" etc. Aber das pers. Empfinden muss bei Strafbarkeit hinten anstehen- haha-. Warum dieser "Text" hier eingeführt wurde, ist mir aber nicht klar. Bushido wollte nicht "künstlerisch tätig sein", er benutzt plumpe Drohungen ohne künstlerischen Bezug, hingegen mit dem realen Hintergrund seiner "Leibeigenschaft" gegenüber eines lib. Clans. Dies kann durchaus als strafrelevante Bedrohung gesehen werden, aber hier tritt wohl wieder die Befindlichkeit bzgl. Unbefangenheit des "Gerichts" in den Vordergrund, wenn man weiss, dass Ämter Sozialhilfe ausbezahlen, obschon der Antragsteller im teuren Cabrio zum Amt kommt, etc.
Es trifft jedenfalls nicht im Entferntesten den Kern der künstl. Freiheit, da fehlt es einfach an Kontext und zu Böhmermann sind da meilenweite Unterschiede, denn der hat nur anhand eines Beispiels gezeigt, was den Wahnsinnigen zur Einbestellung des dt. Botschafters berechtigt hätte. Genau hier und nirgendwo anders liegt der Kern, nicht das "Gedicht", " das man hätte........". Hier fängt die künstl. Freiheit an und hört Geschmäcklerischkeit auf. "Man hätte auch rote Farbe nehmen können, anstatt Blut"....... käme bspw. für einen Maler, Performancekünstler etc. in Frage, stellt sich i. d. R. aber nur für "Banausen", die alles "man hätte....." nach ihrem Schlechtdünken in Frage stellen, nur weil oft deren Horizont nur erkennbar ist, wenn sich auf den Boden legt.

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Eine weitere juristische Bewertung, die den Beitrag Böhmermanns als sachbezogen einordnet (Hervorhebung MT).

Quote:

Jan Böhmermann setzt in seiner Rolle als Satiriker gerade nicht die Person Recep Tayyip Erdogan persönlich herab. Vielmehr weist er auf dessen dünnhäutige Reaktion nach dem Satire-Beitrag in der Sendung “extra 3” hin, welchen der türkische Präsident verbieten lassen wollte. Dafür wählte Jan Böhmermann das Mittel der Abgrenzung. Sein Gedicht zeigte nicht nur dem türkischen Präsidenten auf, wann Äußerungen in Deutschland nach den rechtlichen Vorgaben – im Gegensatz zum “extra 3”-Beitrag – nicht mehr hingenommen werden müssen. In welchen Fällen also eine entsprechende Reaktion des türkischen Präsidenten verständlich und legitim gewesen wäre, weil es sich um eine massive Persönlichkeitsrechtsverletzung und strafrechtlich relevante Beleidigungen (in Versform) gehandelt hätte.

Damit zielte Jan Böhmermann zumindest nicht primär auf die Herabsetzung einer Person, sondern auf eine Auseinandersetzung in der Sache ab. Es war damit Böhmermanns Antwort auf Erdogans Versuch, die nach Art. 5 Abs. 1 GG  verfassungsmäßig geschützte Meinungsfreiheit einzuschränken.

http://www.lhr-law.de/magazin/das-schmaehgedicht-oder-presserecht-a-la-b...

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@MT:

AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 19.11.2013 - 222 Js 1201/13, ZUM 2015, 904

 

Das Gericht sagt natürlich schon einiges über die Kunstfreiheit, nur lässt sich das aufgrund des Kernarguments (Betroffen ist eigentlich Kay One) mE eben nur bedingt auf den Fall Böhmermann übertragen.

 

Unabhängig von dem Fall "Stress ohne Grund" haben Sie da aber, finde ich, durchaus einen guten Punkt: Wenn das, was von Bushido und seinen Kollegen regelmäßig von sich gegeben wird, in Ordnung ist (und scheinbar greift ja niemand dagegen ein), ist nicht unmittelbar ersichtlich, wieso das Gedicht von Böhmermann strafbar sein sollte.

 

Allerdings müssten wir dann ganz anders argumentieren. Dann müssten wir nämlich sagen, dass Böhmermann in einem Punkt Unrecht hat. Sein Gedicht überschreitet dann nämlich an sich schon gar nicht die Grenzen der Kunstfreiheit. Die Antwort auf Böhmermanns Beitrag wäre dann: "Doch! Das darf man sagen. Siehe Bushido."

 

Ob das allerdings der Weisheit letzter Schluss sein kann...

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Jetzt geschieht genau das, weshalb ich immer davob abrate, wg. Beleidigungen Strafanzeigen zu erstatten oder Unterlassungs- bzw. Schmerzensgeldansprüche zu erheben: Es wird alles nur noch viel schlimmer uind die ursprüngliche Beleidigung potenziert sich durch die öffentliche Berichterstattung. Das hätte RA von Sprenger, der Erdogan vertritt, besser auch besser wissen sollen.

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Gast schrieb:

Jetzt geschieht genau das, weshalb ich immer davob abrate, wg. Beleidigungen Strafanzeigen zu erstatten oder Unterlassungs- bzw. Schmerzensgeldansprüche zu erheben: Es wird alles nur noch viel schlimmer uind die ursprüngliche Beleidigung potenziert sich durch die öffentliche Berichterstattung. Das hätte RA von Sprenger, der Erdogan vertritt, besser auch besser wissen sollen.

Der sog. Streisand Effekt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Streisand-Effekt

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Bei uns sagt man dazu:

"Wenn jemand in Scheiße rührt, stinkt´s halt und man bleibt auch nicht unbefleckt"

Aber der gesunde Menschenverstand ist wohl nicht E´s Strärke.

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Gast schrieb:

 

https://twitter.com/cenjur/status/722392780270608386?lang=de

Den gleichen Lesefehler hatten wir doch nun schon vielfach. Es heisst "Wer[...] oder wer [...]", damit bezieht sich der Inlandsaufenthalt nur auf Regierungsmitglieder. Außerdem sprechen der Vergleich zu § 102 StGB und die von Prof. Müller herausgesuchten Gesetzesmaterialien gegen die Notwendigkeit eines Inlandsaufenthalts des Staatsoberhaupts bei § 103 StGB.

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@ Markus

Wäre vielleicht noch interessant, was das LG Berlin dazu geschrieben hat. Da erhoffe ich mir aber mangels Strafanträgen auch nicht zu viel Erhellung.

Dass das Gedicht isoliert betrachtet nicht die Grenzen der Kunstfreiheit überschreitet, ist glaube ich selbst unter Berücksichtigung von Gangsta-Rap etc. kaum vertretbar. Soweit ich das BVerfG verstehe muss man aber zur Beurteilung der Sachbezogenheit den Kontext mit beurteilen. Zu welchem Ergebnis man dabei kommt, ist dann eine andere Frage. Nur ignorieren darf man ihn nicht.

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MT schrieb:

@ Markus

Wäre vielleicht noch interessant, was das LG Berlin dazu geschrieben hat. Da erhoffe ich mir aber mangels Strafanträgen auch nicht zu viel Erhellung.

 

LG Berlin, Beschluss vom 04. März 2014 – 512 Qs 69/13 –, ZUM 2015, 903-904 schrieb:

Der verfassungsrechtlich verankerte Schutz der Kunstfreiheit im Sinne von Art. GG Artikel 5 Abs. GG Artikel 5 Absatz 3 GG gebietet es, ein Lied bzw. den Liedtext unabhängig von dem persönlichen Geschmack des Betrachters neutral zu betrachten und einzelne Elemente nicht von dem Ganzen loszulösen und damit aus dem Zusammenhang zu reißen. Aus diesem Grund verbietet es sich auch, den Liedtext isoliert, ohne den »Sprechgesang«, Melodie etc. zu beurteilen. Danach ist die künstlerische Betätigung durch einen subjektiven schöpferischen Prozess gekennzeichnet, dessen Ergebnis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt (vgl. Schemmer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 5 Rn. 160). Da sich die Kunst permanent fortentwickelt und immer neue Formen hervorbringt, ist der Kunstbegriff weit zu verstehen (vgl. BVerfGE 119, BVERFGE Jahr 119 Seite 1, BVERFGE Jahr 119 Seite 23 = ZUM 2007, ZUM Jahr 2007 Seite 829). Dabei ist der Kunstbegriff zudem kein starrer Begriff, sondern hat sich auch der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. Mag es auch der Kammer selbst nicht eigen sein, so darf nicht verkannt werden, dass dieses sich vornehmlich an Jugendliche und junge Erwachsene richtende Lied sich einer Sprache bedient und bedienen muss, die vom Empfängerhorizont verstanden wird und den dementsprechenden Sprachcode verwendet (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 185 Rn. 17).

Auch wenn die Angeschuldigten sich einer jugendtypischen zum Teil auch »vulgären« Sprache bedienen, ist auffällig, dass sie gleichzeitig versuchen, den Liedtext in historischen Formen des Vers und der Strophe zu halten. Fast krampfhaft versuchen die Angeschuldigten Reimwörter zu bilden, z. B. »Barbie-Fetisch, Grieche sowie Archi-medes«, »K., du Bastard bist jetzt vogelfrei, du wirst in deinen Arsch gefickt wie Wowereit«, »Yeah, Yeah, was für Vollmacht, du Schwuchtel wirst gefoltert,« ohne dass bei dem Empfänger bei der Wiedergabe des Liedes der Eindruck sich aufdrängt, die Bedeutung läge zwingend auf dem Vergleich (»… Wowereit«, »… gefoltert«) und nicht auf dem Reimwort. Vielmehr ist die Intention offensichtlich die Provokation des »K.« nicht jedoch eine Volksverhetzung, Beleidigung oder ähnliches.

Interessant ist, ob das LG mit dem letzten Satz meint, dass es auch keine Beleidigung gegenüber "K." ist. Das geht daraus nicht ganz klar hervor.

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Markus schrieb:

Interessant ist, ob das LG mit dem letzten Satz meint, dass es auch keine Beleidigung gegenüber "K." ist. Das geht daraus nicht ganz klar hervor.

Ich würde sagen "die Intention" bezieht sich allgemein auf den gesamten Liedtext. Im Absatz davor wird ja postuliert, aus diesem dürfe man keine einzelnen Elemente loslösen und aus dem Zusammenhang reißen. Damit wäre insgesamt nur die Provokation des K. und auch gegenüber ihm keine Beleidigung intendiert gewesen.

Selbst dann war mangels Strafantrag noch immer nicht die Strafbarkeit des K zu beurteilen. Damit handelt es sich insofern um ein obiter dictum.

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