OLG Nürnberg legt Grenzwert zur nicht geringen Menge von JWH-210 und MDPV fest

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 25.06.2016
Rechtsgebiete: StrafrechtNebenstrafrechtBetäubungsmittelrecht1|10081 Aufrufe

Das OLG Nürnberg hat mit Urteil vom 4.4.2016 (2 OLG 8 Ss 173/15 = BeckRS 2016, 09469) den Grenzwert zur nicht geringen Menge von JWH-210 und MDPV wie folgt festgelegt (zum rechtlichen Hintergrund der nicht geringen Menge s. meinen Blog-Beitrag vom 14.1.2015):

Nicht geringe Menge von JWH-210 = ab 2 Gramm Wirkstoffgehalt,

nicht geringe Menge von MDPV = ab 10 Gramm Wirkstoffgehalt.

JWH-210 ist ein synthetisches Cannabinoid, das wie eine Reihe anderer JWH-Alkylindole als Kräutermischung oder als sog. Research Chemical vornehmlich in Internet-Shops vertrieben wird. Es leitet sich von JWH-018 durch Hinzufügung einer Ethylgruppe in 4-Postition des Naphtylrests ab (Rn. 12 des Urteils). JWH-018 wurde im Jahr 2008 als einer der Wirkstoffe in „Spice“-Produkten nachgewiesen und im Januar 2009 dem BtMG unterstellt. JWH-210 besitzt eine um das Zehnfache stärkere Bindungswirkung am CB1-Rezeptor als JWH-018. Dazu heißt es im Urteil:

„Damit liegt die Potenz von JWH-210 mit hoher Wahrscheinlichkeit über der von JWH-018, wenngleich eine sichere Aussage dahingehend, dass die Potenz mindestens doppelt so hoch ist, aufgrund der derzeit verfügbaren pharmakologischen Daten nicht getroffen werden kann. Dies entspricht auch den Angaben der Konsumenten in User-Foren, die bei JWH-210 tendenziell geringere Mengen verwendeten als bei JWH-08 um dieselbe Wirkung zu erzielen.“

Auch bei MDPV handelt es sich um eine Designerdroge, die überwiegend als Badesalze auf dem Markt vertrieben wird. Hierzu verhält sich das Urteil wie folgt:

„Der Wirkstoff MDPV (3,4-Methylendioxypyrovaleron) ist chemisch strukturell mit dem Ecstasywirkstoff MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin) verwandt und weist Ähnlichkeiten zu dem natürlich vorkommenden Wirkstoff Cathinon auf, der in Khat enthalten ist. Auch das Psychostimulans Pyrovaleron, das für kurze Zeit als Arzneimittel zur Gewichtsreduktion und Antriebssteigerung vermarktet wurde, weist große chemisch strukturelle Ähnlichkeiten auf. […] Konsumenten nehmen die Wirkung von MDPV als antriebssteigernd, euphorisierend, die sexuelle Erregbarkeit steigernd und als konzentrationsfördernd wahr. Körperlich kommt es in der Regel zu einer Erhöhung der Herzfrequenz, zu einer Steigerung des Blutdrucks, einer erhöhten Muskelspannung und einer Verminderung des Appetits. Bei höherer Dosierung können sich Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Herzrasen, starke Hypertonie und Hyperthermie einstellen, die potentiell lebensbedrohlich sein können, psychisch kann es zu Verwirrtheit, Angstzuständen, Halluzinationen und drogeninduzierten Psychosen kommen.“

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1 Kommentar

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Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Research Chemicals stellen meines Erachtens ein wesentlich größeres Problem als das natürliche Cannabis dar. Zum einen können die Drogen über das Internet von jedermann erworben werden ohne dass eine Altersüberprüfung stattfindet und zum anderen machen diese unerforschten Chemikalien um einiges schneller und vor allem auch stärker abhängig. In England stellen RCs wie "Spice" bereits ein erhebliches Problem in der unteren Schicht der Bevölkerung dar, da sie zu einem geringeren Preis als Cannabis erworben werden kann oder man bzw. eine geringere Menge des Rauschgifts verwenden muss. Die schön gestalteten Verpackungen täuschen dabei darüber weg, dass hier Chemikalien geraucht werden, die die Gesundheit massiv gefährden und der Entzug von dieser Substanz ähnlich dem von Heroin ist.

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