Hurra? Revisionserfolg wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensdauer? Von wegen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.07.2016
|2474 Aufrufe

Man könnte denken: Da nimmt der BGH eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren an, dann wird das ja wohl auch Vorteile für den Angeklagten bringen. Pustekuchen. Nur die einfache Feststellung der Verfahrensverzögerung reichte dem BGH. Und die Kosten der Revision muss der Verurteilte auch sämtlich tragen:

  
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Dresden vom 25. September 2014 wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen; jedoch wird festgestellt,
dass das Revisionsverfahren rechtsstaatswidrig verzögert
worden ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten am 31. Januar 2014 wegen sexuellen
Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, versuchter gefährlicher
Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Betruges
in zwei Fällen und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und fünf Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der
Senat das Urteil durch Beschluss vom 16. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
in den Schuldsprüchen wegen der versuchten gefährlichen Körperverletzung
und einer der Betrugstaten sowie hinsichtlich einer Einzelgeldstrafe und der
Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Revision
des Angeklagten im Übrigen verworfen. Nach Zurückverweisung der Sache hat
das Landgericht das Verfahren betreffend die Betrugstat gemäß § 154 Abs. 2
StPO eingestellt, den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten gefährlichen
Körperverletzung freigesprochen und hinsichtlich der aufgehobenen Einzelstrafe
erneut eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils einem Euro verhängt.
Die neue Gesamtstrafe hat es auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzt.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte am 1. Oktober 2014 rechtzeitig Revision
eingelegt und diese fristgerecht durch Schriftsatz vom 11. Dezember
2014 begründet. Ohne sachlichen Grund ist das Verfahren in der Folgezeit
nicht gefördert worden. Erst mit Bericht vom 21. April 2016 sind die Akten von
der Staatsanwaltschaft an den Generalbundesanwalt übersandt worden.
Dadurch ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung
(Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Dies hat der Senat auch ohne entsprechende
Rüge der Revision von Amts wegen festzustellen (st. Rspr.; vgl. nur
BGH, Beschlüsse vom 23. September 2014 – 5 StR 410/14, BGHR GVG § 198
Abs. 4 Verzögerungsrüge 1; vom 27. Februar 2014 – 4 StR 575/13 mwN; vom
2. Juli 2013 – 2 StR 179/13 mwN; vom 11. März 2008 3 StR 36/08).
Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von
14 Monaten genügt im vorliegenden Fall deren Feststellung. Die Verzögerung
ist erst nach dem Eingang der Revisionsbegründung geschehen. Bereits am
Tag der Urteilsverkündung ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten außer
Vollzug gesetzt worden. Nach dem dargestellten Verfahrensablauf konnte sich
eine den Angeklagten belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens
nur noch auf die Höhe einer Einzelgeldstrafe sowie der Gesamtfreiheitsstrafe
beziehen; letztere war durch die Höhe der bereits rechtskräftig verhäng-
ten Einzelstrafen weitgehend vorbestimmt. Zudem hat der Angeklagte bereits
fast 23 Monate der Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Vollstreckung von Untersuchungshaft
verbüßt (UA S. 23), so dass er keinen längerdauernden Freiheitsentzug
mehr zu befürchten hatte.

BGH, Beschluss vom 26.5.2016 - 5 StR 186/16

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen