"Fettes Schwein" auf Facebook rechtfertigt Abmahnung, aber keine Kündigung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 11.08.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht4|17035 Aufrufe

Der Kläger ist seit 1999 als Montagearbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 3.8.2015 - laut Urteilstatbestand (Rn. 4) "zugegangen am 3.5.2018", was aber vermutlich nur ein Zahlendreher ist - fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der Kündigung liegen Äußerungen des Klägers auf Facebook zugrunde, die ich hier nicht wiedergeben kann, weil diese Plattform keine Einbindung von Emoticons ermöglicht. Ich verweise daher auf das Urteil selbst (Rn. 7).

Das ArbG Pforzheim hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Die Berufung blieb beim LAG Baden-Württemberg ohne Erfolg:

Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB sei bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Zu berücksichtigen seien dabei regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Die Beleidigungen sind ein Ausdruck des vielfach zu beobachtenden Phänomens, dass unter dem Schutz der Anonymität der sozialen Netzwerke deutlich heftiger „vom Leder gezogen“ wird als man dies in einem Gespräch direkt Auge gegenüber Auge getan hätte. Dies kann zwar nicht als Rechtfertigung für ungebührliche Äußerungen herhalten. Jedoch wird erkennbar, dass der Kläger das Aufschaukeln an Herabsetzungen anderer in einer plumpen Art und Weise schlicht lustig gefunden hat. Dies ist zwar gänzlich inakzeptabel. Jedoch geht die Kammer davon aus, dass wenn dem Kläger durch eine Abmahnung die Außenwirkung seiner Beleidigungen deutlich vor Augen gehalten worden wäre, auch bei diesem eine Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Tun hätte geweckt werden können, so dass mit entsprechenden Vertragsstörungen künftig nicht mehr hätte gerechnet werden müssen.

Die Kündigung sei auch nicht i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Eine Abmahnung hätte ausgereicht.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 22.6.2016 - 4 Sa 5/16, BeckRS 2016, 71236

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4 Kommentare

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Die Rn. 32 des Urteils hat mir letzte Woche auch ein breites Grinsen bescherrt. (Ausführungen des LAG Baden-Württemberg darüber, dass die Beleidigung "Bärenkopf" durch Emoticons eigentlich technisch korrekt "Affenkopf" lauten müsste, da eben dieses Emoticon tatsächlich verwendet wurde - jedoch wurde offenbar das Emoticon "monkey-face" von beiden Parteien übereinstimmend als Bärenkopf anerkannt) :D

Beste Grüße
J. Degen

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Sehr schön! Ich finde, das könnte man ruhig öfter mal nutzen. Mildert so manches etwas ab...:

Die Klage wird abgewiesen :´(

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Ich bin dafür, dass die Verwendung von Memes und Lol-Speak in Schriftsätzen normal wird. Judge, y u no dismiss action? Can I has Berufung plz? Oder auch einfach mal: "Boah, woher soll ich das wissen (§ 138 IV ZPO), man?"

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Gast schrieb:

Can I has Berufung plz?

Antwort des Gerichts: "Die Postleitzahl des zuständigen Berufungsgerichts lautet 12345."

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