Außerordentliche Kündigung wegen volksverhetzender Facebook-Äußerungen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 22.09.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|5249 Aufrufe

Verfehlungen von Arbeitnehmern im privaten Bereich – auch wenn es sich dabei um Straftaten handelt – berechtigen den Arbeitgeber nicht ohne weiteres zur Kündigung. Ein außerdienstliches Verhalten kann eine Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird. Bei beleidigenden oder gar volksverhetzenden Äußerungen kann man solche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis in Betracht ziehen, wenn für die Öffentlichkeit erkennbar vom Arbeitnehmer ein Bezug zu seinem Arbeitgeber hergestellt wird oder sich gar Arbeitskollegen (mit Migrationshintergrund) angesprochen fühlen müssen. Über einen solchen Fall hatte vor kurzem das ArbG Herne zu entscheiden.

Der 48-jährige Kläger, der für die RAG AG zuletzt als Bergmechaniker unter Tage arbeitete, unterhält privat unter seinem Namen einen Facebook-Account, in dem er im frei zugänglichen Teil des Profils als seinen Arbeitgeber die „Bergwerke Prosper-Haniel bei Ruhrkohle AG“ angibt. Auf seiner Facebookseite teilte der Kläger eine Vielzahl von Beiträgen, welche sich mit dem Thema Asyl- und Einwanderungspolitik befasst haben und kommentierte darüber hinaus auf anderen Seiten Beiträge anderer Nutzer. Am 5.10.2015 kommentierte der Kläger auf der Facebookseite des Fernsehsender nt-v einen Beitrag über einen Brand in einer Thüringer Asylunterkunft in der Nacht vom 4.10.2015 mit der Überschrift „Drama in Thüringen: Leiche nach Brand in Asylunterkunft gefunden“ mit folgenden Worten: „hoffe das alle verbrennen….die nicht gemeldet sind.“ Auf der Facebookseite des Fernsehsenders erschien neben dem Kommentar ein Profilbild sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher der Webseite, die ihrerseits bei Facebook angemeldet waren, mit der Maus über den Namen oder das Bild fuhren, öffnete sich in einem sogenannten PopUp-Fenster die Profilseite des Klägers, an dessen oberster Stelle der Arbeitgeber genannt wurde. Nachdem die Konzernrevision der RAG von einem externen Dritten einen telefonischen Hinweis auf die Kommentierungen des Klägers auf der Facebookseite des Fernsehsender nt-v erhielt, kündigte sie in der Folge das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger zum einen aus formalen Gründen, zum anderen aber auch damit, dass sein Kommentar tags darauf gelöscht worden sei. Er habe am 5.10.2015 seine letzte Acht-Stunden-Schicht bei der Beklagten vor der Kurzarbeit abgeleistet und habe an diesem Abend mit mehreren Bekannten und Freunden reichlich Alkohol konsumiert.

Das Arbeitsgericht Herne (Urteil vom 22.3.2016 - 5 Ca 2806/15, BeckRS 2016, 70970) hat mit Urteil vom 23.03.2016 die Klage abgewiesen, weil es die außerordentliche Kündigung für wirksam gehalten hat. Der Kläger habe seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt, indem er unter Verwendung eines öffentlich zugänglichen Facebook-Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt wurde, einen volksverhetzenden Kommentar auf der Facebookseite des Fernsehseders nt-v veröffentlicht habe.

Einer Pressemitteilung des LAG Hamm (Az.: 3 Sa 451/16) ist nunmehr zu entnehmen, dass der Rechtsstreit beendet ist. Der erstinstanzlich unterlegene Kläger habe das Rechtsmittel der Berufung zurückgenommen.

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3 Kommentare

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Das Urteil des Arbeitsgerichts Herne ist (beinahe) falsch. Nur weil der Kommentar des Gekündigten schon am 5.10. erfolgte, kann man es vertreten.

Es ist zwar menschenverachtend, wenn sich jemand über den Tod eines anderen Menschen freut. Allein dies mag auch schon ein Kündigungsgrund sein, denn welche Firma möchte schon bloßgestellt werden, wenn sie solche menschenverachtenden Mitarbeiter beschäftigt, die sich über den Tod anderer Menschen freuen?

Aber volksverhetzend wäre der Kommentar jedenfalls dann nicht gewesen, wenn der Kommentar erst zwei Tage später erfolgt wäre. Denn es stellte sich heraus, dass der Mann aus Eritrea Selbstmord begangen hat und sich selbst mit Benzin übergossen hat. Die Freude über den Selbstmord anderer missliebiger Menschen ist heutzutage leider weit verbreitet, aber deshalb sicher nicht automatisch "Volksverhetzung". 

So jedenfalls die damaligen Meldungen, z.B. Spiegel:

Bei dem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Saalfeld handelt es sich offenbar nicht um einen fremdenfeindlichen Anschlag. Das hat die Polizei am Tag nach dem Feuer bekannt gegeben. "Es gibt keine Spuren einer äußeren Gewalteinwirkung am Leichnam", teilte eine Polizeisprecherin mit.

Die Ermittler gehen nach einer rechtsmedizinischen Untersuchung vielmehr davon aus, dass der 29-jährige Eritreer, der bei dem Brand starb, das Feuer selbst gelegt und sich so das Leben genommen hat. Nach bisherigen Erkenntnissen sei der Mann an einer Rauchvergiftung gestorben, hieß es weiter. Das Zimmer sei beim Ausbruch des Feuers verriegelt gewesen. Nach Angaben der Landesregierung soll sich der Mann mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen haben. Außerdem seien Streichhölzer gefunden worden.

Die Freude über einen Selbstmord ist jedenfalls keine Volksverhetzung und auch keine Aufforderung, jetzt auch andere Flüchtlinge anzuzünden. Denn der Mann hat es ja selbst getan und zudem noch andere Menschen gefährdet.

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