IVT-Hö-Schulung: Klar bringt das was für die Eignung!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.09.2016
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Mit den verkehrspsychologischen Maßnahmen, die Beschuldigte ergreifen, um die fahrerlaubnisrechtlichen Folgen einer Verkehrsstraftat abzumildern oder gar zu vermeiden tun sich viele Gerichte schwer. Dabei gibt es mittlerweile eine recht umfangreiche Rechtsprechung hierzu. Auf der Seite www.burhoff.de des geschätzen Bloggerkollegen Burhoff habe ich vor einigen Tagen die nachfolgende Entscheidung zu dem Thema gefunden. Erfreulicherweise eine OLG-Entscheidung, wobei ich selbst bislang eigentlich dachte, die Frage des Fortbestehens der Ungeeignetheit könne das Tatgericht tatsächlich selbst beurteilen und entsprechende Beweisanträge zurückweisen. Ich meine, dazu hatte auch der BGH einmal etwas gesagt. Habe das aber derzeit nicht parat. Hier jedenfalls die Entscheidung des OLG Karlsruhe:

1.    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts - 6. Kleine Strafkammer - Konstanz vom 10. Juni 2016 im Maßregelausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz zurückverwiesen.

2.    Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts - 6. Kleine Strafkammer - Konstanz - einstimmig als unbegründet verworfen.

Gründe
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 28.6.2015 (9 Cs 56 Js 8558/15) wurde gegen den Angeklagten, dessen Führerschein sich seit 17. 4.2015 in amtlicher Verwahrung befunden hatte, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € festgesetzt und zugleich die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von noch 8 Monaten angeordnet. Auf seinen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch vom 8.7.2016 wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 13.1.2016 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Zugleich wurde ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt, das durch die Dauer der Sicherstellung der Fahrerlaubnis abgegolten war. Der Führerschein wurde dem Angeklagten ausweislich des Rückscheins am 23.1.2016 wieder ausgehändigt.

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Konstanz form- und fristgemäß Berufung ein. Während der Angeklagte seine Berufung am 1.4.2016 wieder zurücknahm, wurde er aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Landgerichts Konstanz vom 10.6.2016 (6 Ns 56 Js 8558/15) erneut zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und ihm eine Sperrfrist von 3 Monaten erteilt. Letztlich wurde die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111 a StPO angeordnet.

Mit Telefax vom 10.6.2016 legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers Revision gegen das Urteil ein, begründete diese nach am 19.7.2016 erfolgter Urteilszustellung form- und fristgemäß mit Schriftsatz vom 20.7.2016 und erhob die die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Auf die zugleich erhobene Beschwerde gegen die durch Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 10. 6.2016 erfolgte vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wurde dieser Beschluss durch Beschluss des Senats vom 19.8.2016 (3 Ws 591/16) aufgehoben.

Die Generalstaatsanwaltschaft trägt mit Schrift vom 23.8.2016 auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz an.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge - jedenfalls vorläufig - Erfolg.

1.    Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Konstanz am 10.6.2016 für den Fall, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht verworfen werde, hilfsweise die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, beantragt. Dieser Antrag wurde seitens der Strafkammer im Urteil abgelehnt, da aufgrund der langjährigen Befassung der Kammer mit Verkehrsstraftaten eigene Sachkunde bestehe.

2.    Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a)    Gem. § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen hat, verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, wovon in der Regel auszugehen ist, wenn die rechtswidrige Tat (wie vorliegend) ein Vergehen gem. § 316 StGB ist. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB führt dazu, dass eine die - noch zum Zeitpunkt des Urteils vorliegende - Ungeeignetheit positiv begründende Gesamtwürdigung nur dann erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich ein Ausnahmefall ergeben könnte (Fischer, StGB, 63. Aufl., Rdn. 22 zu § 69). Gründe, die die Indizwirkung des Regelbeispiels widerlegen und im Rahmen einer Gesamtwürdigung Anlass zum Absehen der Maßregelanordnung geben können, können u. a. im Zeitraum zwischen Tatbegehung und Entscheidung entstehen (Fischer, a.a.O., Rdn. 33 zu § 69). Umstritten ist die Bedeutung der Teilnahme an einem Nachschulungskurs oder an einer psychotherapeutischen Behandlung, die zwar nicht schematisch die Regel des Abs. 2 widerlegen kann, bei der Entscheidung aber nach Lage des Einzelfalls zu berücksichtigen ist. Eine erfolgreiche Teilnahme kann den gesetzlich vermuteten Eignungsmangel aber nur ausnahmsweise ausräumen. Gerade gewerblich angebotene Kurse sind kritisch zu prüfen (Fischer, a.a.O., Rdn. 36 zu § 69). Allerdings kann die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme, die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung oder die Wahrnehmung verkehrspsychologischer Beratungen und Aufbauseminare Anlass zu weiterer Sachaufklärung, z. B. in Form der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geben (OLG Oldenburg, ZfSch 2005, 260; OLG Köln, DAR 2013, 393; OLG Hamm, Blutalkohol 53, 189).

b)    Vorliegend hat das Landgericht ausführlich und umfangreich dargelegt, dass und warum es die vom Angeklagten ausweislich der Bestätigungen des IVT-Hö Berlin vom 10.1.2016 und 10.6.2016 durchgeführten nahezu 180 Therapiestunden für nicht ausreichend hält, um davon auszugehen, dass der Angeklagte inzwischen wieder geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Auch wenn der Strafkammer insoweit recht zu geben ist, dass allein die Teilnahme an der HBS-Langzeit-Rehabilitation nicht zwangsläufig zu einer Wiederherstellung der Fahreignung des Angeklagten führt, so wäre es angesichts der Dauer der Therapie und des Umstandes, dass es sich beim IVTHö um eine gem. § 70 FeV akkreditierte Einrichtung zur Durchführung von „Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung" handelt, und unter weiterer Berücksichtigung der Tatsachen, dass zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils ein Zeitablauf von 14 Monaten eingetreten war und der Angeklagte zudem nach Herausgabe des Führerscheins am 23.1.2016 bis zur Berufungshauptverhandlung am 10.6.2016 beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat, angezeigt gewesen, die Therapieerfolge durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu überprüfen. Dass die Straf-kammer - trotz der unbestritten langjährigen Erfahrung - die Sachkunde hat, um zu überprüfen, ob die vom Angeklagten durchgeführte Behandlung in Berlin tatsächlich derart erfolgreich war, dass sie den Anforderungen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gerecht wird, erscheint fraglich. Um dem Senat dies plausibel zu machen, wäre es erforderlich gewesen, die eigene Sachkunde näher darzulegen, z. B. durch Ausführungen dazu, dass und warum eine der vorliegenden Bestätigung entsprechende oder vergleichbare Maßnahme in einem anderen Verfahren nicht ausgereicht hat, die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu beseitigen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., Rdn. 73 zu § 244).

Nach alldem war das Urteil des Landgerichts - 6. Kleine Strafkammer - Konstanz vom 10.6.2016 im Maßregelausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz zurückzuverweisen.

Im Übrigen war die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts -6. Kleine Strafkammer - Konstanz vom 10.6.2016 entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Verteidiger Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, einstimmig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

IV.
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

1.    Nachdem bereits die Verfahrensrüge erfolgreich war, konnte es der Senat dahinstehen lassen, ob das Urteil lückenhaft ist und damit an einem Darstellungsmangel leidet, der auch der Sachrüge zum Erfolg verholfen hätte. Jedenfalls weist der Senat darauf hin, dass zum einen ergänzende Feststellungen des Landgerichts zur vom Angeklagten unter Alkoholeinfluss zurückgelegten Fahrstrecke (wurde bereits das Wohnhaus in alkoholisiertem Zustand nach dem Streit mit der Ehefrau verlassen oder erst unterwegs Alkohol konsumiert) angezeigt gewesen wären. Zum anderen hätte sich die Strafkammer auch im Rahmen der Beweiswürdigung damit auseinandersetzen müssen, dass es sich bei der IVT-Hö Berlin-Brandenburg um eine durch die Bundesanstalt für Straßenwesen für „Kurse zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung" gern. § 70 FeV akkreditierte Einrichtung handelt, und darlegen müssen, warum trotzdem und trotz der nahezu 180-stündigen Therapie keine (ausreichenden) Hinweise auf einen Wegfall der durch § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB indizierten Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorlagen.

2.    Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung erscheint es nicht zwingend geboten, Hauptverhandlungstermine auf Antrag des Angeklagten bzw. seines Verteidigers mehrmals und im Ergebnis um mehrere Monate zu verlegen, damit vor der Hauptverhandlung eine verkehrstherapeutische Maßnahme durchgeführt und abgeschlossen werden kann. Dieses Vorgehen bevorzugt Angeklagte, denen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um derartige Behandlungen durchzuführen. Nachdem vorliegend das Amtsgericht Villingen-Schwenningen den Verlegungsanträgen nachgekommen war, sich der Führerschein des Angeklagten bis zum erstinstanzlichen Hauptverhandlungstermin am 13.1.2016 bereits neun Monate in amtlicher Verwahrung befunden hat und bis zur Berufungshauptverhandlung weitere 41/2 Monate vergangen sind, in denen der Angeklagte unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat, wurden auf diese Weise Fakten geschaffen, die dem Landgericht eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis jedenfalls erheblich erschwert, wenn nicht sogar nahezu unmöglich gemacht haben.

 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.09.2016 - 3 (5) Ss 473/16

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