Datenschutz und „Body-Cams“: Nicht nachvollziehbare Bedenken?!

von Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, veröffentlicht am 12.10.2016

I. Body-Cams: Technische Grundlagen und rechtspolitische Hintergründe

Das Thema „Body-Cams“ ist hierzulande nicht neu. Schon im Mai 2013 begann die hessische Polizei mit der Erprobung dieser teils auch als Schulter- oder Körperkameras bezeichneten Geräte im Frankfurter Problemstadtteil Alt-Sachsenhausen. Rein technisch gesehen handelt es sich bei der Body-Cam um eine Miniatur-Videokamera, die über eine Spezialweste an der Schulter von Polizeibeamten angebracht wird. Es gibt verschiedene Modellvarianten, die allermeisten verfügen aber sowohl über eine Video- als auch über eine Tonaufzeichnung, die teils mit einer GPS-Ortung zur besseren Dokumentation kombiniert wird. Mit der Body-Cam soll das polizeiliche Einsatzgeschehen aufgezeichnet werden, um einen technisch erweiterten Selbstschutz der Polizeivollzugsbeamten vor körperlichen Übergriffen Dritter zu gewährleisten. Dies wird ausdrücklich in den entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen festgeschrieben (siehe beispielsweise § 8 Abs. 5 PolDVG HH und § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG). Eine allgemeine polizeiliche Videodokumentation des öffentlichen Raumes wird zwar schon seit geraumer Zeit betrieben, neu bei der Body-Cam ist aber, dass beispielsweise nicht das Gesamterscheinungsbild einer Menge bei Versammlungen o.Ä. gefilmt wird, sondern der konkrete Einzelne, der mit dem Polizisten in einer eng umrissenen Situation interagiert. In den USA werden ebenfalls schon seit Jahren Body-Cams eingesetzt – dort aber mit dem primären Zweck des Schutzes der Bürger vor rechtswidrigen Übergriffen von Seiten der Polizei, die sich durch die Videoaufzeichnung im Zweifelsfall besser nachweisen lassen.

II. Aktueller Stand der Gesetzgebung in Bund und Ländern

Die Pilotierung der Body-Cams in Hessen erwies sich damals als äußerst effektiv, um den Selbstschutz der Polizeibeamten zu verbessern. Dieses so genannte „hessische Erfolgsmodell“ zog deshalb – trotz einiger Kritik an der zugrunde gelegten Auswertung, so wurde beispielsweise mit dem Body-Cam-Einsatz zugleich auch die Zahl der Streifenbeamten verdoppelt – ein erhebliches öffentliches Interesse nach sich. Zahlreiche Länder als auch der Bund planen, sich die neue Technik zunutze zu machen oder haben dies bereits getan:

  • Baden-Württemberg: Gesetzgebungsverfahren steht kurz vor dem Abschluss.

  • Bayern: Pilotierungsphase.

  • Berlin: Die Body-Cams befinden sich in der politischen Diskussion.

  • Brandenburg: Pilotierungsphase.

  • Bremen: Ermächtigungsgrundlage seit 2016 (§ 29 Abs. 5 BremPolG).

  • Hamburg: Ermächtigungsgrundlage seit 2015 (§ 8 Abs. 5 PolDVG HH).

  • Hessen: Ermächtigungsgrundlage seit 2015 (§ 14 Abs. 6 S. 1 HSOG).

  • Mecklenburg-Vorpommern: Weder Pilotierung noch Gesetzgebungsverfahren in Aussicht.

  • Niedersachsen: Laufendes Gesetzgebungsverfahren (§ 32 Abs. 4 S. 2 Nds. SOG-E).

  • Nordrhein-Westfalen: Pilotierung und Gesetzgebung wurden ebenfalls bereits auf den Weg gebracht.

  • Rheinland-Pfalz: Pilotierungsphase.

  • Saarland: Ermächtigungsgrundlage seit 2016 (§ 27 Abs. 3 SPolG).

  • Sachsen: Gesetzgebungsverfahren ist in Vorbereitung.

  • Sachsen-Anhalt: Pilotierungsphase.

  • Schleswig-Holstein: Eigenständige Ermächtigungsgrundlage vorhanden (§ 184 Abs. 3 LVwG).

  • Thüringen: Pilotierungsphase ist abgeschlossen, Gesetzgebungsverfahren wird vorbereitet.

  • Bund: Seit Januar 2016 Pilotierung durch die Bundespolizei an deutschen Hauptbahnhöfen, z.B. in Berlin, Köln und München.

III. Body-Cams und Datenschutz?

Unzweifelhaft ist, dass der Body-Cam-Einsatz durch die Polizei datenschutzrechtlich relevant ist: So erfolgt in jedem Falle ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Aufgenommenen als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Videoaufzeichnung beeinträchtigt das Recht am eigenen Bild und, sofern zusätzlich eine Tonaufzeichnung erfolgt, auch das Recht am gesprochenen Wort. Dass dieser Eingriff nicht unerheblich ist, wird allein schon dadurch deutlich, dass der Kameraeinsatz beispielsweise im Rahmen von Identitätsfeststellungen erfolgen kann, also eine betroffene Person individualisiert und als Einzelperson komplett in der Interaktion mit den Polizeibeamten aufgezeichnet wird. Gleichwohl hat die Erfahrung der vergangenen Jahre gezeigt, dass Gesetzgeber und Verwaltung diese Problematik weitgehend ignorieren. So stellte jüngst der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl zur Einführung der Body-Cam fest: „Was manche Datenschützer sich am Schreibtisch ausdächten und zu Papier brächten, könne er überhaupt nicht nachvollziehen.“ (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gesetz-fuer-bodycams-strobl-kri...) Dennoch und gerade deshalb soll an dieser Stelle nochmals auf die wesentlichen datenschutzrechtlichen Probleme eingegangen werden, welche mit der Einführung der polizeilichen Body-Cams verbunden sind.

IV. Datenschutzrechtliche Probleme der Body-Cam

  • Pre-Recording: Diese Funktion ermöglicht es, auch ohne Einschalten der eigentlichen Aufnahme Daten bereits im Vorfeld aufzuzeichnen. Hierzu wird ein Zwischenspeicher im Gerät genutzt, der regelmäßig überschrieben wird. Durch diese Funktion soll der kameraführende Beamte nicht stets die zum Kameraeinsatz führende Situation antizipieren müssen. Entgegen oftmals entgegenstehender Äußerungen ist im Pre-Recording ebenso eindeutig ein Grundrechtseingriff zu sehen wie in der eigentlichen Aufzeichnung, der somit ebenso rechtfertigungsbedürftig ist.

  • Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage: Viele der neuen gesetzlichen Vorgaben zum Pre-Recording sind „technikoffen“ formuliert, d.h. unter den Gesetzeswortlaut ließe sich auch die Verwendung beispielsweise von Überwachungsdrohnen fassen, deren Nutzung aber nochmals mit einer deutlich intensiveren Grundrechtsbelastung verbunden ist.

  • Tonaufzeichnung: Verfassungsgemäß ist der Body-Cam-Einsatz tatsächlich nur dann, wenn der Aufzeichnungszweck der Abwehr einer qualifizierten Gefahr dient. Besonders für die Tonaufzeichnung stellt sich die Frage, ob diese im Hinblick darauf tatsächlich eine gesteigerte Abschreckungswirkung gegenüber der reinen Bildaufnahme entfaltet oder ob die Tonaufzeichnung nicht letztlich nur zur Abschreckung der Begehung von Beleidigungsdelikten dient.

  • Berufsgeheimnisträgerschutz: Da es sich bei der Body-Cam um ein technisches Mittel zur mobilen Videoaufzeichnung handelt, ist ihr Einsatz theoretisch auch in Räumlichkeiten möglich, die der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern gem. § 53 Abs. 1 StPO dienen. Um dem Schutz dieser Personengruppe gerecht zu werden, sind gesetzliche Regelungen vorzusehen, die das räumliche Einsatzfeld der Schulterkamera begrenzen. Negativbeispiel ist hier die Ermächtigungsgrundlage in § 14 Abs. 6 HSOG, die so weit gefasst ist, dass theoretisch auch Aufzeichnungen in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen möglich sind.

  • Datensicherheit: Mit der Body-Cam getätigte Aufnahmen sind zu verschlüsseln, kameraführende Beamte dürfen in technischer Hinsicht nur einen Lesezugriff erhalten. Nur hierdurch ist es möglich, die Datenintegrität zu gewährleisten.

  • Transparenz währen der Aufzeichnung: Dass die kameraführenden Beamten für die Aufzeichnung speziell gekennzeichnete Westen tragen sollen, wird bereits durch entsprechende untergesetzliche polizeiliche Einsatzkonzepte bestimmt. Oft aber dürfte der Betroffene in der konkreten Aufnahmesituation überfordert sein, sodass im Nachhinein unklar ist, an welche Stelle er sich zur Geltendmachung seiner datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte wenden kann. Hier ist zu fordern, dass soweit es die Situation zulässt, dem Betroffenen von Seiten der Polizei eine Kontaktkarte mit allen wesentlichen Angaben über die verantwortliche Stelle ausgehändigt wird.

  • Transparenz während der Auswertung: Die Aufzeichnungen sind bei einer unabhängigen Treuhandstelle zentral in den jeweiligen Ländern bzw. beim Bund zu verwahren, um die Geltendmachung datenschutzrechtlicher Betroffenenrechte zu erleichtern sowie um die Datensicherheit zu gewährleisten. Die Speicherung beim Dienststellenleiter der jeweiligen Polizeibehörde reicht demgegenüber nicht aus.

  • Informationelle Waffengleichheit: Eng mit der Geltendmachung datenschutzrechtlicher Betroffenenrechte verbunden ist die Frage, warum der Body-Cam gesetzlich nicht auch eine doppelfunktionale Zwecksetzung zukommen sollte, die es dem Bürger ermöglicht, rechtswidriges polizeiliches Handeln leichter nachzuweisen.

V. Fazit und Ausblick

Obgleich die Einführung der Body-Cam zurzeit bundesweit voran getrieben wird, dürfen die zahlreichen datenschutzrechtlichen Herausforderungen, die damit verbunden sind, nicht außer Acht gelassen werden. Bedauerlicherweise ist in den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren immer wieder festzustellen, dass – wie unlängst in Baden-Württemberg auch – datenschutzrechtliche Probleme politisch als „Wohlstandsbelange“ abgetan werden. Dass dem nicht so ist und die Mehrheit der Bevölkerung einen hohen Wert auf die Kontrolle der staatlichen Datenverarbeitung und damit auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung legt, hat der „Summer of Snowden“ 2013 mehr als deutlich gezeigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich zumindest einige Länder der dargestellten Probleme hinreichend annehmen. Ein einseitig Sicherheitsinteressen verfolgender, technokratisch geprägter Überwachungsstaat ist jedenfalls nicht akzeptabel.

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Ein entsprechender Vortrag des Verfassers zu dem Thema während der DSRI-Herbstakademie 2016 in Hamburg findet sich an dieser Stelle.

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