"wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss" - auf Randumstände kommt es nicht an! - Fahrerlaubnis weg!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.10.2016
Rechtsgebiete: Verkehrsverwaltungsrecht|4834 Aufrufe

Einmal wieder Verkehrsverwaltungsrecht: Der Betroffene hat ganz offensichtlich ein Problem mit Alkohol im Straßenverkehr. Er meint aber: "Ach - die Alkoholfahrten liegen doch teils schon gaaaaanz schön lange zurück. Und so besoffen war ich doch auch nicht!" Das VG Gelsenkirchen fand die Anordnung der MPU bzw. die wegen Nichtvorlage des MPU-Gutachtens erfolgte FE-Entziehung schon ok:

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 5774/16 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. August 2016 wiederherzustellen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller seine Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen folgendes auszuführen:
Die Entziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Fahrzeugen erweist, das Führen zu untersagen.
Der Antragsgegner durfte die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stützen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde im Falle einer rechtmäßigen Gutachtenaufforderung auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen bei demjenigen schließen, der sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der das Gutachten nicht rechtzeitig beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Beschluss vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 - m. w. N.

Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Antragsteller hat das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, zudem hat der Antragsgegner den Antragsteller bei seiner Gutachtenaufforderung entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen der Verweigerung der Mitwirkung hingewiesen.
Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV, worauf der Antragsgegner seine Anordnung gestützt hat, lagen vor. Nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde - zwingend, ohne Ermessen - die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Auf den zeitlichen Abstand zwischen den Zuwiderhandlungen stellt die Fahrerlaubnisverordnung nicht ab, so dass die Verwertbarkeit grundsätzlich während der Dauer der Tilgungsfristen (vgl. §§ 28, 29 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG -) gegeben ist.
Vgl. Beschlüsse der Kammer vom 15. November 2013 - 7 L 1489/13 - und vom 27. Mai 2010 - 7 L 358/10 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2013 - 14 K 5902/13 -, VG München, Beschluss vom 6. März 2008 - M 1 S 08.704 -, alle bei juris.
Auch die Höhe der Blut- oder Atemalkoholkonzentration spielt für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV keine Rolle, sofern aufgrund des Alkoholkonsums eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt. Die im Fahreignungsregister eingetragenen Taten des Antragstellers (Trunkenheitsfahrt am 1. August 2009 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ und Trunkenheitsfahrt am 2. Februar 2013 mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,54 mg/l) sind mangels Ablaufs der Tilgungsfristen verwertbar. Der Zeitpunkt der letzten Tatbegehung am 2. Februar 2013 steht der erst mehr als drei Jahre später erfolgten Anordnung zur Beibringung des Gutachtens nicht entgegen. Der Antragsgegner hat von dieser Tat erst durch eine Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes vom 1. Juni 2016 Kenntnis erhalten und darauf unmittelbar mit der Gutachtenanordnung reagiert.
Anzumerken ist weiter, dass die am 19. November 2006 begangene Straftat außerhalb des Straßenverkehrs (gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung), bei der der Antragsteller eine Blutalkoholkonzentration von 1,45 ‰ aufwies, weitere Eignungszweifel (Alkoholmissbrauch) begründen.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist es unerheblich, dass dem Antragsteller im Jahr 2010 seine Fahrerlaubnis (nach vorausgegangener strafrechtlicher Entziehung) wieder erteilt und damit von seiner Fahreignung ausgegangen worden ist. Durch die erneute Trunkenheitsfahrt am 2. Februar 2013 haben sich wiederum Fahreignungszweifel ergeben, denen der Antragsgegner, wie von der Fahrerlaubnis-verordnung angeordnet, nachgehen musste.
Ebenso spielt es keine Rolle, dass die beiden Trunkenheitsfahrten durch das Strafrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht geahndet worden sind. Es ist Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, Zweifeln an der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers nachzugehen. Diese gefahrenabwehrrechtliche Aufgabe ist unabhängig von etwaig bereits verhängten Sanktionen wahrzunehmen.
Ist der Antragsteller danach zurzeit mit großer Wahrscheinlichkeit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so erscheint die von ihm ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Vielmehr besteht ein das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller aufgrund seiner (wohl derzeitigen) beruflichen Tätigkeit als Berufskraftfahrer in höherem Maße auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist als sonstige Verkehrsteilnehmer.
Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, durch Vorlage eines (erneuten) medizinisch-psychologischen Gutachtens im Wiedererteilungsverfahren nachzuweisen, dass Eignungsmängel nicht mehr vorliegen.

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21.09.2016 - 7 L 2121/16

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