Ein Kind - Zwei (soziale) Väter

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 27.10.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht|3341 Aufrufe

Normalerweise kann der leibliche, aber nicht rechtliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nur dann anfechten, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 I Nr. 2, II, IV BGB).

Das OLG Hamm (Beschluss v. 20.07.16 – 12 UF 51/16) hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem das Kind sowohl zu seinem leiblichen als auch zu seinem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung hat.

Der Sachverhalt:

Leiblicher Vater ist der Antragsteller; rechtlicher Vater der Beteiligte Q. Dieser war mit der Mutter mehrere Jahre zusammen und hat mit ihr gemeinsam die Söhne T, geb. 2007, und U, geb. 2011. Der Beteiligte Q lebte nie mit der Mutter zusammen, kam jedoch während der Beziehung nahezu täglich in ihren Haushalt um sich um sie und die Kinder zu kümmern. Im Herbst 2011 kam es zur Trennung, nachdem die Mutter eine Beziehung zu dem Antragsteller aufgenommen hatte. Ende 2012, noch während der Schwangerschaft mit N, trennten sich die Mutter und der Antragsteller zum ersten Mal. Der Beteiligte Q unterstützte daraufhin die Mutter und kümmerte sich fortan um alle drei Kinder. Mit Zustimmung der Mutter erkannte er die Vaterschaft für N an.

Anfang 2014 nahm die Mutter ihre Beziehung zu dem Antragsteller wieder auf, der sich von nun an regelmäßig in der Wohnung der Mutter aufhielt und sich ebenfalls um die drei Kinder kümmerte. Der Beteiligte Q strengte daraufhin ein Umgangsverfahren an, welches mit der Vereinbarung endete, dass er berechtigt ist, alle drei Kinder jedes zweite Wochenende zu sich zu nehmen, wobei N aufgrund ihres jungen Alters zunächst nicht aushäusig übernachten sollte. Dieses Umgangsrecht nimmt der Beteiligte Q bis heute weitgehend wahr.

Ende 2014 kam es erneut zu einer kurzzeitigen Trennung der Mutter vom Antragsteller, der wegen Depressionen stationär behandelt wurde. Anfang 2015 nahmen sie ihre Beziehung wieder auf. Ende 2015 kam es wieder zu einer Trennung der Mutter vom Antragsteller. Auch diese war nach kurzer Zeit beendet.

Faktisch lebt der Antragsteller seit inzwischen fast 2 ½ mit kurzen Unterbrechungen im Haushalt der Kindesmutter. Er kümmert sich um alle drei Kinder, bringt N unter anderem in den Kindergarten und täglich zu Bett.

Im Wege der teleologischen Reduktion schränkt das OLG den Anwendungsbereich des § 1600 II BGB ein.

Art. 6 II 1 GG enthält das Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen (BVerfG, FamRZ 2003,

Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (BVerfG, NJW 2014, 1364). Lebt aber wie hier der leibliche Vater mit dem Kind und seiner Mutter als Familie zusammen und hat er selbst auch innerhalb dieser Familie eine sozial-familiäre Beziehung zu seinem Kind, fällt diese Familie unter den Schutz des 6 Abs. 1 GG. Durch die Anfechtung verliert das Kind nicht seinen sozialen Vater, sondern es erhält anstelle des einen sozialen Vaters den anderen sozialen Vater auch zum rechtlichen Vater, so dass letztlich leibliche, rechtliche und soziale Vaterschaft in einer Person vereint sind. Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz der bestehenden sozialen Familie kann in dieser Konstellation nur erreicht werden, wenn der leibliche Vater auch die Rolle des rechtlichen Vaters einnehmen kann. Es reicht dabei nicht, den Vater auf sein Umgangsrecht nach § 1586 a II BGB zu verweisen. Denn nur dem rechtlichen Vater wird über § 1671 BGB der Weg eröffnet über die gemeinsame elterliche Sorge auch rechtliche Verantwortung für sein Kind zu tragen.

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