Grundstückverkehrsgesetz: Landwirte erster und zweiter Klasse?

von Christiane Graß, veröffentlicht am 30.10.2016
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht|4516 Aufrufe

Diesen Eindruck vermittelt ein Beschluss des Landwirtschaftsgerichts Verden/Aller, mit dem sich das OLG Celle in einem Beschluss vom 29.01.2016 (Az: 7 W 10/15) befassen musste.

Anlass war die Genehmigung eines Kaufvertrages über eine Ackerfläche in der Größe von ca. 20.000 ha, die ein Landwirt zu einem Kaufpreis von 4,70 € je qm, mithin zu einem Gesamtpreis von 86.230,90 € verkaufen konnte. Nach den Bodenrichtwertkarten belief sich der Wert auf lediglich 1,60 € je qm. Der Käufer war allerdings nicht nur Landwirt, sondern auch und insbesondere Gesellschafter von erfolgreichen Unternehmen, die ihm ein hohes Einkommen sicherten. Den landwirtschaftlichen Betrieb benötigte er zu seiner Existenzsicherung nicht, zumal in der Vergangenheit hohe Verluste aufgelaufen waren. Die praktischen Arbeiten ließ er von Mitarbeitern durchführen. Auch hatte der Käufer keine landwirtschaftliche Ausbildung. Allerdings traf er alle maßgeblichen Entscheidungen für den landwirtschaftlichen Betrieb selbst und unterzeichnete alle Verträge und Förderanträge.

Der für die Genehmigung zuständige Landkreis verweigerte die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Das ist etwa dann möglich, wenn die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG). Das ist nach § 9 Abs. 2 GrdstVG der Fall, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Davon geht die Rechtsprechung regelmäßig aus, wenn eine Veräußerung an einen Nichtlandwirt erfolgt.

So argumentierte die Genehmigungsbehörde auch hier. Dem hat das OLG Celle im Beschluss vom 29.01.2016 nachdrücklich widersprochen. Es betont, dass sich der Begriff des Landwirts an § 1 Abs. 2, 4 des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (ALG) orientiert. Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das eine bestimmte Mindestgröße erreicht, wobei derjenige Unternehmer ist, der seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. All das traf auf den Käufer zu, der auf seinem eigenen Land (ca. 170 ha Ackerland und 44 ha Grünland) eine Pferde- und Rinderzucht betreibt. Da der Käufer diesen Betrieb auch selbst führte und die verantwortliche Leitung hatte, beurteilte ihn das OLG Celle als Landwirt, auch wenn er keine landwirtschaftliche Ausbildung hatte und nicht selbst auf dem Schlepper saß. Das OLG Celle unterstreicht, dass die Landwirtseigenschaft nicht voraussetzt, dass die aus diesem Betriebe herrührenden Einnahmen zur Existenzgrundlage des Landwirts beitragen. Es ist unschädlich, wenn der Eigentümer über beträchtliche anderweitige Einnahmen verfügt. Die Genehmigung des Kaufvertrages konnte also nicht auf das Argument gestützt werden, der Käufer sei kein Landwirt.

Dennoch bestätigt das OLG Celle die Versagung der Genehmigung des Kaufvertrages. Es führt aus, der vereinbarte Kaufpreis von über 4 € je qm übersteige den „innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert“ des Grundstücks um mehr als 50 %. Das sei der Preis, der bei einem Verkauf des Grundstücks von einem Landwirt an einen anderen Landwirt erzielt werde.

Bei der Verkündung des Beschlusses vom 29.01.2016 konnte das OLG Celle allerdings nicht wissen, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 29.04.2016 – BLw 2/12 seine bisherige Rechtsprechung aufgeben würde. Für die Frage, ob ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert vorliegt, kommt es nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht darauf an, welchen Preis Landwirte zu zahlen pflegen, sondern wie der Marktpreis ist, der auch von Nichtlandwirten gezahlt würde.

Der Verkäufer hatte noch argumentiert, die Versagung der Genehmigung sei für ihn eine unzumutbare Härte, weil er mit dem hohen Kaufpreis Wohnhaus und Nebengebäude sanieren und eine aufwendige Gebisssanierung finanzieren wollte (!). Den Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 7 GrdstVG hat das OLG allerdings nicht bejaht. Es konnte nicht feststellen, dass die Versagung der Genehmigung die Existenz des Veräußerers ernsthaft gefährden würde.

Hätte das OLG Celle allerdings am 29.01.2016 gewusst, was der BGH am 29.04.2016 entscheiden würde, hätte es der Frage nachgehen müssen, ob nicht doch der vereinbarte Kaufpreis von 4,70 € je qm den Verkehrswert des Grundstücks wiederspiegelt.

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