Die sogenannte "Kinderehe"

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 04.11.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht27|8960 Aufrufe

Die sogenannte „Kinderehe“ wird derzeit politisch und juristisch heftig diskutiert.

Aktueller Auslöser der Diskussion dürfte eine Entscheidung des OLG Bamberg gewesen sein, in der dieses eine in Syrien nach syrischem Eheschließungsrecht wirksam geschlossene Ehe einer zum Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit einem Volljährigen als wirksam anerkannt hat, wenn die Ehegatten der sunnitischen Glaubensrichtung angehören und die Ehe bereits vollzogen ist (OLG Bamberg v. 12.05.2017 – 2 UF 58/16 = NZFam 2016, 807)

Eine einheitliche internationale Definition, was eine Kinderehe ist, gibt es nicht. Die UN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland und anderen europäischen Staaten weitgehend anerkannt ist, bezeichnet Kinderehe als Begriff, der für solche Ehen gelten sollte „bei denen mindestens einer der Eheschließenden das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. […]“.

Eheschließung in Deutschland:

Gemäß § 1303 I BGB soll eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden.

Das Familiengericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist (§ 1303 II BGB).

Die praktische Bedeutung der Möglichkeit der Befreiung von der Ehemündigkeit ist in den letzten Jahrzenten stark zurückgegangen. Dies zum einen, weil das Volljährigkeitsalter 1975 von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt wurde, zum anderen, weil der gesellschaftliche und sprichwörtliche Zwang zum „Heiraten müssen“ bei Schwangerschaft weitgehend entfallen ist.

Im Zusammenhang mit der Kinderehe wird diskutiert, die Befreiungsmöglichkeit nach § 1303 II BGB vollständig zu streichen, so dass eine Heirat in Deutschland nur noch möglich wäre, wenn beide Partner volljährig sind.

Im Ausland geschlossene Ehen:

Die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen regeln dem Grundsatz nach Art. 13 (Eheschließungsvoraussetzungen) und 11 EGBGB (Eheschließungs- und Ortsform). Nach Art. 13 I EGBGB ist für jeden Verlobten zu prüfen, ob nach dem Recht des Staates, dem er angehört, die Voraussetzungen für eine Eheschließung vorliegen.

Nach den Feststellungen des OLG Bamberg sieht das syrische Recht bezüglich des Lebensalters der zukünftigen Eheleute zur Erlangung der Ehefähigkeit hinsichtlich des Mannes die Vollendung des 18. und hinsichtlich der Frau die Vollendung des 17. Lebensjahres voraus. Ausnahmsweise dürfen ein männlicher Jugendlicher, der das 15. Lebensalter und eine weibliche Jugendliche, die das 13. Lebensalter vollendet haben, die Ehe eingehen, wenn der zuständige Richter die körperliche Reife und die Geschlechtsreife der beiden Jugendlichen als erwiesen ansieht.

Nach syrischem Recht lag in dem Fall des OLG Bamberg eine wirksame Ehe vor.

Eine Anerkennung in Deutschland ist aber zu versagen, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechen würde. Art. 6 EGBGB bestimmt daher:

Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Solange in Deutschland gemäß § 1303 II BGB die Möglichkeit von der Befreiung der Ehemündigkeit besteht, wird man Ehen von 16 –Jährigen nicht generell als Verstoß gegen den ordre public ansehen können.

Im Übrigen dürfte es sich um Einzelfallenscheidungen handeln. Einen Anhaltspunkt für einen unverzichtbaren Mindeststandard bietet die im deutschen Sexualstrafrecht (§ 176 StGB) gezogene Grenze von vierzehn Jahren.

Wird ein Verstoß gegen ordre public festgestellt, stellt sich die Anschlussfrage, ob die so geschlossene Ehe nichtig oder bloß anfechtbar bzw. aufhebbar ist. Das OLG Bamberg ist in seiner v.g. Entscheidung von Letzterem ausgegangen.

Es gibt in der politischen Diskussion Forderungen

  1.  Eheschließungen von Minderjährigen grundsätzlich als Verstoß gegen den ordre public anzusehen
  2. als Folge des Verstoßes gegen den ordre public die Nichtigkeit der Ehe anzunehmen.

Was hätte das für Folgen?

Beispiel: Eine 2006 mit 13 Jahren an einen Volljährigen verheiratete Syrerin kommt mit ihrem Ehemann und den zwischenzeitlich geborenen Kindern zehn Jahre später nach Deutschland. Der Mann beantragt Asyl.

Die Nichtigkeit der Ehe hätte zur Folge, dass die Kinder nicht ehelich geboren sind, Unterhalts- und Erbansprüche gegen den Mann bestehen für sie nicht. Die Möglichkeit der Bewilligung von Familienasyl (§ 26 AsylG) entfällt.

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27 Kommentare

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"Unterhalts- und Erbansprüche gegen den Mann bestehen für sie (= die Kindesmutter) nicht"

Das ist natürlich richtig, die Kindesmutter hat keine Erbansprüche und auch Unterhaltsansprüche bestehen nur sehr eingeschränkt.

Das Problem ist aber sowieso, erst einmal sind es nach deutschem Recht dann nur die Kinder der Mutter und nicht des "Ehemannes". So eine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht oder auch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung geht ja auch nicht von heute auf morgen und kann sogar komplett scheitern, wenn wichtige Dokumente fehlen.

Im schlimmsten Fall ist nur der Vater in D und der Rest der Familie wartet noch irgendwo in Mazedonien. Dann kann der Vater, auch wenn er hier Asyl bekommt, weder seine Frau noch seine Kinder nachkommen lassen, weil diese eben nach deutschem Recht weder seine Frau noch seine Kinder sind. Hier verkehrt sich dann der Schutzgedanke, der hinter der Nichtanerkennung von Kinderehen steht, in sein Gegenteil und die ganze Familie leidet unter dem "Schutz".

Das alles wird in der öffentlichen Debatte leider viel zu wenig bedacht.

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- Ich lese nur, dass dort "(= die Kindesmutter)" nicht steht; es könnte genauso gut "(= die Kinder)" gemeint sein.
Aber egal, jetzt ist es ja geklärt.

- Dass es nach deutschem Recht nur die Kinder der Mutter sind, ist kein Problem, sondern gut so:
Üblicherweise ist die Kindesmutter minderjährig , die ein nach deutschem Recht wohl pädophiler Mann geschwängert hat.
Wenn dieser Pädophile nicht Vater der Kinder ist, ist dies kein Problem, sondern gut so. Es kann sicher nicht dem Kindeswohl entsprechen, einem Mann der Pädophilie selbst nicht nur befürwortet, sondern sogar lebt Kinder erziehen zu lassen.
Dies gilt um so mehr, wenn man davon ausgehen sollte, dass die Schwangerschaft aufgrund des geringen Alters der minderjährigen Mutter mangels echter "Freiwilligkeit" ohne wirksame "Einwilligung" der Mutter erfolgt sein sollte und rechtlich eher eine Vergewaltigung darstellt.

- Gerichtsverfahren können zwar immer scheitern, die deutsche Justiz funktioniert aber eigentlich ganz gut.

- Von Asylrecht habe ich nur wenig Ahnung, aber: Familiennachzug sollte doch möglich sein, da es ja auch ohne Heirat die Kinder des Mannes sind. Die Mutter dürfte damit bei minderjährigen Kindern wohl ebenfalls Asyl erhalten (was aber auch dahinstehen könnte, da dies bei anderen nicht verheirateten Lebensgefährten genauso ist).

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Das Problem ist aber sowieso, erst einmal sind es nach deutschem Recht dann nur die Kinder der Mutter und nicht des "Ehemannes". 

Es sind tatsächlich die Kinder der Mutter und des Vaters. Die Deutung "Nach deutschem Recht" ist demnach das Problem und nicht die Lebensrealität. Aber das ist ja nicht so neu, wie auch die kaderstudierte Ignoranz dagegen.   

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Üblicherweise ist die Kindesmutter minderjährig , die ein nach deutschem Recht wohl pädophiler Mann geschwängert hat

Was schreiben Sie denn für einen Unfug? Wer eine "Kindmutter schwängert" leidet per Definitionem nicht an Pädophilie. "Pädophil" ist man per defintionem nämlich nur, wenn man sexuelles Interesse an vorpubertären Jungen oder Mädchen entwickelt. Wenn man geschwängert wird, ist man aber nicht mehr vorpubertär. Man muss sich wirklich wundern, welche Vorstellungen in manchen Köpfen herumschwirren.

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"Von Asylrecht habe ich nur wenig Ahnung, aber: Familiennachzug sollte doch möglich sein, da es ja auch ohne Heirat die Kinder des Mannes sind."

Wenn Deutschland die Ehe nicht anerkennt, wäre fraglich, ob die Kinder denn wirklich die Kinder des Mannes sind. Bei Ehe wird das gesetzlich vermutet. Wäre ohne Ehe ein Nachweis im Einzelfall notwendig? Wie wäre der zu erbringen? Reicht bloße Anerkennung durch den Vater aus - und was würde dann Asylberechtigte davon abhalten, massenweise Kinder anzuerkennen?

So einfach ist das alles leider nicht...

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Gast schrieb:

"Von Asylrecht habe ich nur wenig Ahnung, aber: Familiennachzug sollte doch möglich sein, da es ja auch ohne Heirat die Kinder des Mannes sind."

Wenn Deutschland die Ehe nicht anerkennt, wäre fraglich, ob die Kinder denn wirklich die Kinder des Mannes sind. Bei Ehe wird das gesetzlich vermutet. Wäre ohne Ehe ein Nachweis im Einzelfall notwendig? Wie wäre der zu erbringen? Reicht bloße Anerkennung durch den Vater aus - und was würde dann Asylberechtigte davon abhalten, massenweise Kinder anzuerkennen?

Um hier mal ein bisschen Klarheit reinzubringen, § 1592 BGB sagt:

"Vater eines Kindes ist der Mann,

1.    der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.    der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.    dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist."

Da steht _ist_. Wer der wirkliche (=biologische) Vater ist, spielt erst dann eine Rolle, wenn eine bestehende Vaterschaft angefochten wird (was nur unter engen Vorausetzungen möglich ist). Es wird auch nichts "gesetzlich vermutet", was implizieren würde, dass man diese Vermutung irgendwie widerlegen kann, sondern wenn die Mutter bei der Geburt verheiratet war, dann _ist_ der Ehemann aus rechtlicher Sicht der Vater. Will man es anders, dann geht das nur über den Weg der Vaterschaftsanfechtung.

Umgekehrt heißt das aber auch, wenn die Ehe nicht anerkannt wird, dann sind die Kinder aus der Sicht der Behörden erst einmal vaterlos. Punkt. Dies kann theoretisch durch eine Vaterschaftsanerkennung behoben werden, ist aber mit erheblichem bürokratischem Aufwand für Vater und Mutter verbunden. Wie das gehen soll, wenn die Mutter mit ihren Kindern z. B. in einem mazedonischen Flüchtlingslager sitzt, ist mir schleierhaft.

Richtig interessant wird es dann, wenn die Mutter tatsächlich noch minderjährig ist, dann muss nämlich nach dem Gesetz ihr gesetzlicher Vertreter der Vaterschaftsanerkennung zustimmen. Woher nimmt man den?

 

 

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P. S.:

Pubertät, Geschlechtsreife, Strafbarkeit, Pädophilie sind völlig unterschiedliche Totempfähle. Ein Mensch kann mit einem/einer zehnjährigen Geschlechtsverkehr haben, ohne pädophil zu sein, ein pädophiler mit einer Erwachsenen. Pubertät führt zu, ist aber nicht gleichbedeutend mit Geschlechtsreife. Und es gibt durchaus geschlechtsreife Mädchen, die einen Pädophilen ansprechen dürften. Und nur weil jemand bspw. in Afghanistan eine Zwölfjährige geheiratet hat, ist er noch kein Pädophiler. Vielleicht ein Sexualstraftäter nach unserem Recht, wenn die Ehe auch "vollzogen" wurde - aber das sagt nichts über seine sexuellen Neigungen aus.

Man kann - und das teile ich - der Meinung sein, dass es absurd wirkt, eine Ehe anzuerkennen, deren Vollzug bei uns strafbar wäre. Aber erstens sollte man da nicht das Reizthema Pädophilie ohne Not einbringen - darum geht es dabei nicht, sondern eher um soziale Benachteiligung junger Frauen und Mädchen. Und zweitens muss man halt überlegen, welche Folgen die Nichtanerkennung hat.

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Gast schrieb:

Vielleicht ein Sexualstraftäter nach unserem Recht, wenn die Ehe auch "vollzogen" wurde - aber das sagt nichts über seine sexuellen Neigungen aus.

Auch da gibt es doch inzwischen verschiedene Vorstellungen von "vollzogen", auch zwischen verheirateten und unverheirateten Partnern und einer Kombination von beiden in zweierlei Varianten in den verschiedenen Rechtsordnungen.

Ich zitiere dazu mal Frau Prof. Dr. Christine Schirrmacher von der Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und ihrem Beitrag "Frauen unter der Scharia: Strafrecht und Familienrecht im Islam":

"Zu den Grenz- bzw. Kapitalverbrechen gehören:

1. Ehebruch und Unzucht (arab. zina'), außerehelicher, ohne Zwang ausgeübter Geschlechtsverkehr von mündigen, geistig gesunden Verheirateten oder Unverheirateten. Der Koran bedroht den unzüchtigen Unverheirateten nach Sure 24,2-3 mit 100 Peitschenhieben, die Überlieferung fordert die Todesstrafe für Verheiratete. War die Frau unverheiratet, der Mann aber verheiratet, soll die Frau im Haus eingesperrt werden, "bis der Tod sie abberuft oder Gott ihr einen Ausweg schafft" (4,15). Ist der Mann unverheiratet, die Frau aber verheiratet, soll er für ein Jahr verbannt werden; die Frau erhält 100 Peitschenhiebe.

 

2. Die Verleumdung wegen Unzucht (arab. qadhf) erfordert nach Sure 24,2-3 80 Peitschenhiebe. Diese vermutlich zum Schutz vor ungerechtfertigter Anzeige gedachte Regelung kann sich auch gegen das Opfer einer Vergewaltigung wenden, wenn eine Frau diese zwar zur Anzeige bringt, aber keine vier männlichen Zeugen noch ein Geständnis erbringen kann. Dann droht ihr eine Gegenklage der Verleumdung wegen Unzucht, und sie wird ein zweites Mal zum Opfer."

Quelle des Zitats: http://www.igfm.de/frauen-unter-der-scharia/

Damit die werten Damen und Herren Juristen hier auch etwas besser noch wissen, von was wir hier denn eigentlich reden.

MfG

GR

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"Unterhalts- und Erbansprüche gegen den Mann bestehen für sie nicht."

Missverständlich ausgedrückt. Mit "sie" hatte ich die Frau gemeint, die bei einer Nichtigkeit der Ehe keinerlei Ansprüche gegen den Mann hätte

Übrigens:Im US-Bundesstaat Texas lag das Ehemündigkeitsalter bis zum Jahr 2009 bei nur 14 Jahren. Erst in 2009 wurde es auf 18 Jahre heraufgesetzt (Quelle: Riek, Ausländisches Familienrecht 14. Erg.Lief. 2016 „Texas“ Rn 4).

Selbstverständlich können solche Ehen nicht allgemein anerkannt werden. Nach unserem (heutigen)  Rechtsverständnis ist der Eheschluss mit seinen weitreichenden Konsequenzen etwas für volljährige Personen. In einem Alter, in dem ohne elterliche Zustimmung nicht einmal Kaufverträge abgeschlossen werden können, können so weitreichende Entscheidungen für das ganze Leben nicht getroffen werden. Aber die Entscheidung eine im Ausland nach dort gültigen Regeln geschlossene Ehe aufzulösen bzw. für nichtig zu erklären, kann ebenfalls weitreichende Konsequenzen haben, gerade für die betroffene (zum Eheschlussalter) noch minderjährige Person.

Und die kulturelle Vielfalt des Ehemündigkeitsalters ist auch ganz ohne Islam relativ groß. Ausschnitt Wikipedia:

"In North Carolina können diese, wenn die Eltern zustimmen, ohne Beachtung eines Mindestalters heiraten. In Georgia dürfen schwangere 16-Jährige ohne elterliches Einverständnis heiraten. Wenn eine gerichtliche Genehmigung vorliegt, sind in einigen Bundesstaaten weitere Ausnahmen möglich: in Kalifornien (Personen unter 18 Jahre), Washington (unter 17), Massachusetts (16 Jahre), Arizona, Pennsylvania, Texas (unter 16), Michigan (15 Jahre), New York, Utah (14 Jahre) und New Hampshire (Mädchen ab 13 Jahre, Jungen ab 14 Jahre). In einigen Bundesstaaten wird zusätzlich zur richterlichen Erlaubnis eine Zustimmung der Eltern verlangt.

[P.S.: Ich wurde darauf hingewiesen, dass wikipedia bei diesen Angaben nicht aktuell sei. Aber auch wenn diese Regelungen inzwischen nicht mehr gelten, belegen sie doch, dass  auch jenseits der muslimischen Welt hier kulturelle Vielfalt herrscht hins. des Ehemündigkeitsalters]

Und man erinnere sich an das kanonische Recht, das über Jahrhunderte Maßstab der abendländischen Rechtskultur war:

1083 CIC: Altersgrenze 14 für Mädchen/Frauen und 16 für Jungen/Männer.

Ich denke, vieles spricht für eine Einzelfallprüfung in solchen Fällen, bei der die Nachteile einer Eheauflöung/Ehenichtigkeit des schutzwürdigen minderjährigen (meistens) Mädchens bzw. der jungen Frau und auch der evtl. Kinder aus dieser Ehe berücksichtigt werden. Schlagworte wie "Pädophilie" hier anzubringen ist der Sachdebatte nicht angemessen.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich denke, vieles spricht für eine Einzelfallprüfung in solchen Fällen, bei der die Nachteile einer Eheauflöung/Ehenichtigkeit des schutzwürdigen minderjährigen (meistens) Mädchens bzw. der jungen Frau und auch der evtl. Kinder aus dieser Ehe berücksichtigt werden.

Nach dem Kindeswohl kommt jetzt das Kindsfrauwohl?

Einzelfallprüfung klingt auch immer gut. 

Zu begrüßen wäre aber auch, man könnte die Kriterien objektivieren, resp. dem Richter eine normative Handlungsgrundlage bereitstellen.

 

 

Nach dem Kindeswohl kommt jetzt das Kindsfrauwohl?

Einzelfallprüfung klingt auch immer gut. 

Zu begrüßen wäre aber auch, man könnte die Kriterien objektivieren, resp. dem Richter eine normative Handlungsgrundlage bereitstellen.

 

[/quote]

 

Gibt es doch schon, und diese Kriterien werden von den Gerichten bei der Einzelfallprüfung angewandt. Z. Bsp.: 14 Jahre als absolute Mindestgrenze, alles darunter ist auf jeden Fall ein Verstoß gegen den Ordre Public. Alles ab 16 Jahre nicht gar so problematisch, da auch in Deutschland unter Umständen zulässig. Alles dazwischen: Wille des Mädchens, Kindeswohl des Mädchens, gesundheitliche Aspekte, bereits vorhandene eheliche Kinder und was immer im Einzelfall relevant sein mag.

Es lohnt sich, das Urteil des OLG Bamberg, das ja im Internet vollständig mit Begründung zu finden ist, einfach mal genau zu lesen, dann findet man ein Beispiel für so eine Einzelfallabwägung. Man hat sich dort seitens des Gerichts sehr viel Mühe mit der Begründung gegeben, die Strafbarkeit des Ehemannes wurde verneint;  es gab mehrere Verfahrenspfleger für das Mädchen und man hat alle offenen Fragen wie zum Beispiel Verhütung (!) mit dem Jugendamt geklärt. Und genau deswegen taugt das Urteil eigentlich überhaupt nicht für die Polemik, die in Bezug auf die Kindehen vorherrscht. Zumal - wenn es den Aufgeregten wirklich um das Wohl der betroffenen Frauen ginge - ganz andere Dinge im Fokus stehen müssten als die Frage, ob eine im Ausland geschlossene Ehe denn nun in Deutschland wirksam ist oder nicht. Denn so ziemlich jeglicher denkbarer Schaden ist für die Frau dann ja schon passiert, wenn sie - teils Jahre später - hier ankommt. Was ist mit gezielter Betreuung und Beratung für solche Frauen vom ersten Tag des Asylverfahrens an? Und was ist damit, den Willen des Individuums zu achten, der auch darin bestehen kann, verheiratet bleiben zu wollen? (Waren wir nicht empört, als wir davon lasen, dass in Ägypten ein kritischer Intellektueller durch irgendwelche muslimischen Muftis zwangsgeschieden wurde?) Was ist mit der Unterstützung von Frauenrechten weltweit (zum Beispiel in Flüchtlingslagern im Ausland) und von Organisationen, die sich um Frauenrechte kümmern? Davon habe ich in der Debatte um Kinderehen noch nicht ein einziges Mal etwas gehört. Komisch.

 

 

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Selbstverständlich können solche Ehen nicht allgemein anerkannt werden. Nach unserem (heutigen) Rechtsverständnis ist der Eheschluss mit seinen weitreichenden Konsequenzen etwas für volljährige Personen.

Das ist Palmström weil "nicht sein kann, was nicht sein darf" und keine juristische Herleitung. Art 6 Abs. 1 GG schützt "Ehe und Familie" und nicht nur die " deutsche Ehe und Familie" und auch nicht nur die "Ehe und Familie" nach deutscher Provenienz. Und auch jeder Kaufvertrag ist "nach unserem (heutigen) Rechtsverständnis ... etwas für volljährige Personen". Für beides kann man jedoch die gesetzlichen Vertreter nutzen.

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"Ich denke, vieles spricht für eine Einzelfallprüfung in solchen Fällen, bei der die Nachteile einer Eheauflöung/Ehenichtigkeit des schutzwürdigen minderjährigen (meistens) Mädchens bzw. der jungen Frau und auch der evtl. Kinder aus dieser Ehe berücksichtigt werden."

Alternativen fallen mir auch nicht ein, aber schön ist diese Lösung auch nicht gerade. Welches Jugendamt, welches Gericht kann denn wirklich beurteilen, ob eine Trennung besser oder schlechter wäre? Und was ist der Maßstab? Ist relevant, ob eine "zwangsgeschiedene" 14jährige in ihrem Kulturkreis dann als ehrlose Prostitutierte gilt und sozial, vielleicht auch physisch geschnitten wird? Entscheidend dürfte da werden, welche Regelung für Zweifelsfälle vorgegeben wird. Denn vermutlich werden viel Entscheidungsträger aufgrund der kaum abschätzbaren Folgen zur "Default"-Regelung greifen. Denn ein Entscheidungsträger, der da mit Sicherheit agieren kann, sollte wohl eher Eheberater oder Partnerschaftsvermittler werden...

Welchen Weg auch immer man wählt - da wird man sich in vielen Fällen schmutzige Finger machen. Man kann nur überlegen, wo sie hoffentlich am wenigsten schmutzig werden.

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Meines Erachtens gibt es nur eine einzige richtige Lösung, nämlich die nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe anzuerkennen. Scheiden lassen kann man sich immer noch, ggf. unter gesetzgeberisch noch zu regelnden besonders erleichterten Umständen. Alles andere führt zu völlig unübersichtlichen, ungerechten und ungewollten Folgen.

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Eine nach auländischem Recht "wirksam geschlossene Kinderehe" ist ja nur ein Aspekt hierbei.

Andere Aspekte sind doch auch noch die Doppel- und die Mehrfachehe, auch kombinierbar mit der Kinderehe:

Doppelehe – Urteile:

OLG-FRANKFURT – Beschluss, 4 WF 70/05 vom 29.07.2005

"Die Doppelehe ist unzulässig und daher aufzuheben. Der Antrag hierzu kann von der Verwaltungsbehörde gestellt werden, wovon nur dann abgesehen werden kann, wenn die Aufhebung eine so schwere Härte für den Ehegatten oder die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder darstellen würde, dass die Aufrechtherhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint."

http://www.juraforum.de/urteile/begriffe/doppelehe

Oder:

"Polygamie - ein Phänomen arbeitet sich in die westliche Gesellschaft vor"

https://www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/polygamie-schafft-neue-rech...

Und wie sähe da die "nur eine einzige richtige Lösung" aus?

Kulturelle Probleme bzw. religiös bedingte Phänomen kann man atomisieren, muß es aber nicht, sondern als pars pro toto auch betrachten, sozusagen ganzheitlich also.

Das ist doch selbstverständlich legitim und wäre ja auch kein Einzelfall hier im Blog.

Man muß also konstatieren, daß es auch ausländische Rechtsordnungen gibt, die anders als das Grundgesetz mit unserer Rechtsordnung hier in der BRD, sich auch anders legitimieren. Die Scharia als das Gesetz bzw. die  davon abgeleitete Fiqh ist ein Beispiel dafür.

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Wenn man irgendetwas niemals tuen würde, sondern es für sich selbst als Handlungsoption kategorisch völlig ausschließt und auf jeden Fall für völlig unerträglich und völlig verfehlt halten würde, so sollte man daraus nicht unbedingt gleich schlussfolgern, es auch allen anderen Menschen verbieten zu müssen und es anderen Menschen nicht zugestehen zu dürfen.

Eigene Vorstellungen über eine ideale Erziehung und über ein ideales Erwachsenwerden und über ein ideales Verhalten und ideale Verhältnisse rechtfertigen nicht automatisch auch das Leben anderer Menschen nach diesen Vorstellungen zu regulieren.

Dies gerät leider wohl immer mehr in Vergessenheit seit dem Aufkommen der vom Selbstverständnis her "idealistischen" und "menschheitsbeglückenden" und "menschheitserziehenden" und gegenüber dem Mainstream und dem Zeitgeist zunehmend einflussreicher werdenden, zu Anfang von Lehrern und Kindergärtnerinnen dominierten Grünen.

Es sei erlaubt an den alten Fitz zu erinnern, der empfahl, daß jeder Mensch nach seiner eigenen Fasson glücklich werden dürfe und solle.

Der Staat sollte die Freiheit der Menschen nur insoweit beschneiden, als es für ein friedliches und sicheres Zusammenleben unerlässlich ist.

Einen von mit idealistischem und missionarischem Eifer ausgestattenen Weltverbesserern dominierter Nanny-Staat, der seine Bürger wie Unmündige behandeln und bevormunden will, brauchen wir nicht.

Sitten und Gebräuche von Menschen aus anderen Kuturen sollten wir tolerieren, solangen sie unsere Sichereit nicht gefährden.

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Alter Potsdamer schrieb:

Wenn man irgendetwas niemals tuen würde ......

Ob das die rechtsstaatliche und wertorientierte Antwort auf die Kinderehe (als Ausfluß einer anderen Rechtsordnung) ist, habe ich so meine Zweifel.

Der Herr Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg schrieb:

"Jede neue Verfassungsepoche in den vergangenen 100 Jahren brachte in Deutschland eine je eigene auf ihre Grundwerte und Ziele ausgerichtete Rechtsordnung hervor."

Und er schrieb auch von "der Perversion der Rechtsordnung" in seinem Beitrag: Bernd Rüthers „Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat“

Das Beharren auf eine eigene Rechtsordnung mit eigenen Grundwerten in der BRD wäre daher schwerlich m.E. mit "Nanny-Staat" zu umschreiben, der "mit idealistischem und missionarischem Eifer" ausgestattet sei. Das finde ich abwegig.

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Vielleicht kann man den Sinn einer Rechtsordnung, wie Alter Potsdamer ihn formuliert zum Thema so konkretisieren:

1303 I BGB gilt für die Eheschließung in Deutschland und/oder für Deutsche. Im Ausland und/oder von Ausländern geschlossene Ehen werden dadurch gar nicht normiert, zumal die Ehe bereits geschlossen ist. Diese deutsche Regelung zur Eheschließung (!) ist also zur rechtsstaatlichen Behandlung von "Kinderehen" als Ausfluss anderer Rechtsordnungen gar nicht anwendbar. Der Leitsatz vom OLG Bamberg gibt dazu Klarheit. http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2016-N-09...

Das bedeutet noch nicht, dass es allgemein oder im Einzelfall ganz andere Gründe für Vorbehalte gegen das Bestehenlassen einer solchen Ehe geben kann. Auf welcher Grundlage das rechtsstaatlich zu prüfen wäre, erklärt Alter Potsdamer überzeugend, wie ich finde.  

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Lutz Lipke schrieb:

Vielleicht kann man den Sinn einer Rechtsordnung, wie Alter Potsdamer ihn formuliert zum Thema so konkretisieren:

1303 I BGB gilt für die Eheschließung in Deutschland und/oder für Deutsche. Im Ausland und/oder von Ausländern geschlossene Ehen werden dadurch gar nicht normiert, zumal die Ehe bereits geschlossen ist. Diese deutsche Regelung ......

Sehr formalistisch nun von Ihnen lediglich mit einem BGB-Paragaraphen verteidigt, nicht mit dem GG und seinen Artikeln der Grund- und Menschenrechte, wobei eben die Religionsfreiheit einer Gruppe von Muslimen doch sehr weitgehend auch von Ihnen offensichtlich noch interpretiert wird. Auch der Bezug auf gerade die "Grünen" bei diesem Thema war vorher m.E. auch wenig überzeugend.

Ich hoffe, Sie merken das auch selber noch.

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Lesen Sie zu diesem Thema in der aktuellen NJW (Heft 49/2016) den Aufsatz von Jennifer Antomo, "Kinderehen, ordre public und Gesetzesreform", NJW 2016, 3558 ff.

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