WSI-Untersuchung: Betriebsratsgründungen werden oftmals behindert

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.11.2016
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Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen durch gewählte Betriebsräte stößt nicht immer auf Gegenliebe auf Seiten der Arbeitgeber, mitunter sogar auf Ablehnung und Behinderung. Die Realität hier korrekt zu erfassen, ist ausgesprochen schwierig. Repräsentative empirische Studien zu diesem Phänomen zu erstellen, ist mit einigen methodischen Schwierigkeiten behaftet. Gleichwohl hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung einen entsprechenden Versuch unternommen. Die Untersuchung von PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch lässt die Unternehmen insbesondere bei Neugründen von Betriebsräten in keinem guten Licht dastehen. Nachfolgend einige Zitate aus der Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung:

„Die WSI-Forscher haben im vergangenen Jahr 159 hauptamtliche Gewerkschafter der IG BCE, der IG Metall und der NGG zu ihren Erfahrungen mit der Durchführung von Betriebsratswahlen befragt. Mehr als die Hälfte der Befragten kannte Fälle, in denen Unternehmen versucht hatten, Betriebsratswahlen zu behindern. Besonders rau scheint es in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und dem Gastgewerbe zuzugehen: Dort hatten 76 Prozent der Hauptamtlichen Kenntnis von Störmanövern der Arbeitgeber. In der Metall- und Elektroindustrie sind es 53 Prozent, im Organisationsbereich der IG BCE 43 Prozent. Über ein Drittel der Gewerkschafter berichtet darüber hinaus von Versuchen, die Arbeit bereits gewählter Gremien zu erschweren. Bei der NGG beträgt der Anteil 48 Prozent, bei der IG BCE 37 Prozent und bei der IG Metall 31 Prozent. Insgesamt sind den 159 Befragten 221 Betriebe bekannt, in denen es zu Behinderungen bei Betriebsratswahlen gekommen ist. In einem Drittel dieser Betriebe ist die Wahl letztlich vereitelt worden. Maßnahmen gegen bestehende Arbeitnehmervertretungen haben nach Kenntnis der Gewerkschafter 92 Unternehmen ergriffen. Behrens und Dribbusch haben auch ermittelt, wie das Repertoire der Arbeitgeberaktivitäten aussieht. Um Betriebsratswahlen zu sabotieren, pflegen Unternehmen demnach vor allem Kandidaten einzuschüchtern. Das geschah laut der Befragung in 71 Prozent der Fälle, in denen es zu einer Behinderung kam. In 66 Prozent der Konfliktfälle versuchten Arbeitgeber, die Bestellung eines Wahlvorstands zu verhindern, bei 43 Prozent unterstützten sie ihnen nahestehende Kandidaten. In einem Fünftel der betroffenen Betriebe wurde Kandidaten gekündigt. Zu den gängigen Maßnahmen gegen gewählte Gremien gehören Versuche, Mitglieder zum Rücktritt zu drängen, Kündigungen und Auflösungsanträge beim Arbeitsgericht. Die betroffenen Arbeitnehmervertreter ihrerseits haben Behinderungen von Wahlen in 7,7 Prozent der Fälle angezeigt, Übergriffe auf bestehende Betriebsräte zu 7,5 Prozent. Als Fazit halten die Wissenschaftler fest, dass das Problem des „Betriebsrats-Bashing“ mittlerweile auch in der Industrie angekommen ist. Die hohe Zahl der Neugründungen, denen Arbeitgeber Steine in den Weg legen, zeige, dass „weiße Flecken“ die eigentlichen Problemzonen sind. Das gelte umso mehr, wenn Eigentümer die Geschäfte führen.“

Aus der Untersuchung werden sodann rechtspolitische Forderungen abgeleitet: Wünschenswert wäre es nach Ansicht der Verfasser, dass bereits bei der Vorbereitung von Betriebsratswahlen alle daran beteiligten Beschäftigten vom ersten Tag an vor Kündigungen geschützt werden. Ebenso wichtig sei eine wirksame Sanktionierung von Verstößen. Dazu sollten Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet werden, die auf gesetzwidrige Eingriffe von Unternehmen in Betriebsratswahlen spezialisiert sind und diese auch verfolgen.

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