Krank zum Personalgespräch?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.11.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht4|4409 Aufrufe

Ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt ist, muss nicht arbeiten, kann also zu Hause oder im Krankenhaus seine Krankheit auskurieren bis seine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt ist. Darf er gleichwohl – vor allem bei länger andauernder Erkrankung vom Arbeitgeber zu einem Personalgespräch einbestellt werden? Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das BAG (Urteil vom 2. November 2016 - 10 AZR 596/15 -, PM 59/16) auseinanderzusetzen. Ausgangspunkt ist die gesicherte Erkenntnis, dass der Arbeitgeber aufgrund seine Direktionsrechts (§ 106 GewO) ein Gespräch über die Erbringung und die Qualität der Arbeitsleistung anberaumen kann und der Arbeitnehmer zur Teilnahme verpflichtet ist (BAG 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011). Eine andere Beurteilung greift nach Ansicht des BAG jedoch Platz, wenn das Personalgespräch in die Zeit der Erkrankung des Arbeitnehmers fällt. Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen müsse, sei er grundsätzlich auch nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen. Allerdings gelte dies nicht ausnahmslos. So sei es während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung sei, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeige. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer sei jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage. Im konkret entschiedenen Fall konnte der für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens im Betrieb darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber solche Gründe nicht aufzeigen. Folglich war der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, der Anordnung, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen, nachkommen. Die deswegen ausgesprochene Abmahnung war daher zu Unrecht erfolgt, weshalb der klagende Arbeitnehmer ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen konnte.

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4 Kommentare

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Krankheit...die heilige Kuh. Ein Wahnsinn, der in D stattfindet! Ist den Bundesrichtern bewußt, welcher Schindluder mit AUs betrieben wird? Das zentrale Problem sind sicherlich die - bei den AN durchaus bekannten - "Doc Holliday", die Ärzte, die den feinen Unterschied zwischen Krankheit und AU nicht kennen / kennen wollen / ignorieren ...dazu das absolut stumpfe Schwert 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, denn die KK agieren erst, wenn es um ihr eigenes Geld geht.

Warum soll ein Arbeitnehmer, der gesundheitlich dazu in der Lage ist, eigentlich nicht im Betrieb erscheinen? Krankheit = Urlaub? Wozu das Unverzichtbarkeitskriterium? Schutz vor dem bösen AN? Oder ahnt man in Erfurt, dass dann nicht wenige AN Probleme bekämen, weil der AG ein Instrument an der Hand hätte, sich einen eigenen Eindruck von der AU zu machen...

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Seit wann hat ein Personalvorgesetzter die Fähigkeit, Krankheiten und Arbeitsfähigkeit zu beurteilen?

Soll demnach mein Hausarzt demnächst meinem Arbeitgeber vorschreiben, welche Investitionen er zu tätigen oder unterlassen hat?

Wenn der kranke Arbeitnehmer fünf Kollegen ansteckt, die dann zu Hause bleiben müssen, wer klagt dann am lautesten? Richtig: der Arbeitgeber!

Sollte der AG ernsthafte Zweifel an der AU des AN haben, stehen ihm genügend Mittel zur Verfügung. Dr. No sollte sich an 007 wenden, wenn er diesbezüglich Wissensdefizite hat.

"sich einen eigenen Eindruck von der AU zu machen"

Eine tolle Idee, man sollte sie auch gleich mit einem Belastungstest im Betrieb kombinieren. Und anschließend kann der Personalleiter aufgrund seiner Diagnose (Bachelor HR ersetzt Medizinstudium) den diagnostizierenden Arzt überstimmen.

 

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