"Ik ben de Doctor Yzerbaard" - Steuerberatung in der EU

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 07.01.2017
Figur am Sterbehaus von Doktor Eisenbart in Hann. Münden (Foto: Wikipedia)

"Ich bin der Doktor Eisenbart, widewidewitt, bum, bum, kurier die Leut' auf meine Art, ..." beginnt ein Scherzlied auf den wohl 1663 in Oberviechtach geborenen und 1727 in Hann. Münden gestorbenen Mediziner. Dieser hatte zwar keinen Doktortitel, erzielte als Handwerkschirurg medizinische Erfolge - und war vor allem wirtschaftlich erfolgreich. Dank landesherrlicher Privilegien konnte er über Landesgrenzen hinaus nahezu unbeschränkt tätig werden. Das Lied über ihn wurde nicht nur in Deutschland, sondern europaweit populär, z. B. als "Ik ben de Doctor Yzerbaard" in den Niederlanden.

In Deutschland darf geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur von 'befugten' Personen oder Vereinigungen ausgeübt werden (§ 2 StBerG). Gemäß § 3 StBerG sind dies Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sowie deren Gesellschaften. In anderen europäischen Ländern ist die Steuerberatung erlaubnisfrei. Die Überlegung, sich in einem anderen europäischen Land niederzulassen, aber Steuerberatung in Deutschland zu betreiben, ist daher naheliegend.

Im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit waren die Entscheidungen des EuGH (Urteil v. 17.12.2015, C-342/14, X-Steuerberatungsgesellschaft/Finanzamt Hannover-Nord) und des BFH (Urteil v. 19.10.2016 - II R 44/12) erwartbar gewesen. Grundsätzliche Aussage: wer in einem anderen EU-Mitgliedstaat zur Steuerberatung zugelassen ist, darf das auch vor einem deutschen Finanzamt tun.

Diese Freiheit macht es für die Mandanten schwieriger. Denn er muss zum einen evtl. günstigeren Preis gegen mögliche Qualitätsnachteile abwägen. Auf der einen Seite ist ein ausländischer Anbieter wohl nicht an die Steuerberatervergütungsverordnung oder Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gebunden. Wenn der ausländische Anbieter erlaubnisfrei tätig werden kann, sind seine Selbstkosten evtl. geringer (Stichworte: Kosten der Qualifikation und Qualitätssicherung). Auf der anderen Seite stellen zwei juristische Staatsexamina plus Referendariat, Steuerberater- oder Wirtschaftsprüfer-Examen sicher, der Berufsträger zumindest einmal in seinem Berufsleben das erforderliche Fachwissen in ausreichendem Maße hatte. Außerdem gibt Pflichten zur Fortbildung und andere Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die ein ausländischer Anbieter möglicherweise nicht hat. Nicht unüberlegt bleiben sollte auch die in Deutschland verpflichtende Berufshaftpflichtversicherung. Wenn der Berufsträger einen Fehler macht, soll dem Mandanten zumindest kein wirtschaftlicher Schaden bleiben. Ausländische Anbieter brauchen diese Versicherung möglicherweise nicht. Zumindest muss sich der Mandant im Einzelfall erkundigen, bevor er das Mandat erteilt.

Dies ist keine Aussage über die Qualifikation oder Qualität von Beratern. Gerade in der grenzüberschreitenden Gestaltungsberatung macht es Sinn, alle relevanten Jurisdiktionen zu berücksichtigen.

Der entschiedende Fall deutet aber eher auf Anderes hin: einem der beiden Vertreter der klagenden Gesellschaft war die Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls widerrufen worden (BFH, a.a.O., Rz. 1). Um auf das Beispiel des Doktor Eisenbarths zurückzukommen: "Er war anders als sein Ruf." steht auf der Holzstatue am Nachfolge-Gebäude des Sterbehauses in Hann. Münden. Die Eisenbarth gewährten Privilegien zeigen: Beruflicher und wirtschaftlicher Erfolg hängen nicht notwendigerweise an einer formalen Qualifikation. Aber die Qualität von Beratungsleistungen lässt sich nicht a priori beurteilen. Deswegen geht der Mandant ja zum Steuerberater, weil er selber die Qualität durch eigenes Tun nicht mit vertretbarem Aufwand erreichen kann. Der Widerruf der Bestellung wegen Vermögensverfall spricht jedoch nicht unbedingt für betriebswirtschaftliche Beratungsqualität.

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2 Kommentare

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Da hätten sich die Steuerberater mal ein Beispiel an den Skilehrern nehmen sollen, die schon vor Jahrzehnten mit den ISIA-Standards ein international vergleichbares Ausbildungsniveau als Voraussetzung für EU-weite Tätigkeit festgelegt haben, anstatt sich in ihrem Standesdünkel auf bestehende nationale Voschriften und Traditionen zu verlassen.

Der Verfasser würde diesem Beitrag sofort zustimmen, wenn das Skifahren der Steuerberatung vergleichbar wäre. Solange selbst das harmonisierte Umsatzsteuerrecht beispielsweise selbst zwischen Deutschland und Österreich in dann doch entscheidenden Details abweicht, gilt: Vertrauen Sie nur einem Fachmann, der sich im nationalen Steuerrecht auskennt!

Fürs Skifahren dagegen gilt: runter kommen sie immer!

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