Wiedereinsetzungsantrag: "Komische Zufälle" reichen nicht für die Versagung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.02.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|2629 Aufrufe

"Komisch", hab ich sofort gedacht. Der Verteidiger verbaselt die Revisionseinlegungsfrist und auch die Begründungsfrist. Vielleicht ein wenig viel an Zufall. Reicht aber trotzdem nicht für die Verwerfung:

Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Juni
2016 mit Telefaxschreiben vom 17. Juni 2016 Revision eingelegt und die Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung
beantragt. Nach dem Vortrag des Verteidigers wurde er unmittelbar
im Anschluss an die Hauptverhandlung vom Angeklagten mit der Revisionseinlegung
beauftragt. In seiner Kanzlei sei dann versehentlich eine zehntä-
gige Wiedervorlagefrist notiert und dadurch die rechtzeitige Revisionseinlegung
versäumt worden. Das Urteil wurde dem Verteidiger am 6. Juli 2016 zugestellt.
Mit dem Verteidiger am 20. August 2016 zugestelltem Beschluss vom 15. August
2016 verwarf das Landgericht die Revision als unzulässig, weil keine Revisionsbegründung
eingegangen sei. Mit Telefaxschreiben vom selben Tage beantragte
der Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Frist zur Begründung der Revision. Die eingetragene Frist zur
Revisionsbegründung sei durch einen Stromausfall in seiner Kanzlei und ein
danach erforderlich gewordenes „backup“ des Computers verloren gegangen.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 20. August 2016 ist als Antrag auf
Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO auszulegen
300 StPO). Der Antrag hat Erfolg. Die Revisionsbegründungsfrist ist nicht
versäumt worden, weil sie im Falle der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung
der Frist zur Einlegung der Revision für den Fall, dass das angefochtene
Urteil bereits zugestellt ist, erst mit der Zustellung des die Wiedereinsetzung
gewährenden Beschlusses zu laufen beginnt (BGH, Beschluss vom 8. Januar
1982 – 2 StR 751/80, BGHSt 30, 335, 338 f.), hier mithin mit Zustellung des
heutigen Senatsbeschlusses. 

BGH, Beschluss vom 10.1.2017 - 4 StR 487/16 -

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2 Kommentare

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"Komische Zufälle" gibt es eigentlich nicht als Ausnahme. "Zufall" definiert letztlich nur angenommene Zusammenhanglosigkeit von Ereignissen oder das pragmatische Eingeständnis über deren verborgenen Zusammenhänge nichts zu wissen. Wenn jemand Bestimmtes einen 6 im Lotto hat, ist das nicht nur für Denjenigen ein "komischer Zufall". Eigentlich kaum zu glauben, passiert aber regelmäßig. Mehrere Sechsen hintereinanderwürfeln ist auch ein ziemlich "komischer Zufall", aber noch kein Beleg für Manipulation. Warum sollte also die Tatsache, dass eine Misslichkeit in relativ kurzer Zeit einer vorherigen Misslichkeit ohne konkret feststellbaren Zusammenhang folgt, nun ein wenig zu viel Zufall sein? Ein sachliches Kriterium ist das jedenfalls nicht. Es ist natürlich trotzdem blöd und damit durchaus auch eine Frage von Sorgfalt (Terminkontrolle, Datensicherung). Die könnte durch Auflagen verbessert werden. 

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Bei nochmaligem Lesen des Beitrags wurde mir klar, dass die Zufallsgeschichte zu den Misslichkeiten für die Rechtssache vollkommen unerheblich ist. Vielmehr gilt offensichtlich:

Die Revisionsbegründungsfrist ist nicht versäumt worden, weil sie im Falle der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision für den Fall, dass das angefochtene Urteil bereits zugestellt ist, erst mit der Zustellung des die Wiedereinsetzung gewährenden Beschlusses zu laufen beginnt

Was sagt uns der Beitrag damit noch? Dass zumindest die entscheidenden Richter des Berliner Landgerichts keine Ahnung vom Verfahrensrecht haben oder dieses schlicht missachten und genau das eigentlich in die Überschrift gehören würde.
 

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