Referendar als Protokollführer

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.02.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht3|3972 Aufrufe

Ist mir noch nie untergekommen, dass ein Referendar als Protokollführer fungierte. Für eine Referendarstation bei Gericht ist das aber eine vielleicht sogar ganz gute Einsatzidee. Sicher nicht "für immer", aber mal als Abwechslung. Und 12 Euro pro Stunde gibt`s in Bremen, wo nachfolgender Fall spielte, auch noch. Der BGH hatte sich anlässlich einer Revision damit zu befassen, ob eigentlich jeder Referendar das darf, oder ob es weiterer besonderer Zuweisungen bedarf:

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 12. Januar 2017 nach
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bremen vom 18. Mai 2016 werden verworfen, da die Nachprüfung
des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie
die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen
Kosten und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren
erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen,
der Angeklagte A. Y. jedoch nur hinsichtlich der Neben-
und Adhäsionskläger K. sowie
 Kh. .
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. Y. wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Anstiftung zum
versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
und acht Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten A. Y. hat es
wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren und vier Monaten verhängt. Ferner hat es Adhäsionsentscheidungen
getroffen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung sowie die Sachrüge
gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

1. Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1, § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor. Die
Auffassung der Beschwerdeführer, die Hauptverhandlung habe zeitweise ohne
einen ordnungsgemäß bestellten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stattgefunden,
weil an zwei Hauptverhandlungstagen Rechtsreferendare das Protokoll
geführt hätten, geht fehl.
a) Die Revisionen wollen den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
vom 20. April 1982 (5 StR 521/81) und vom 3. April 1984 (5 StR 986/83,
NStZ 1984, 327) entnehmen, dass Referendare nicht mit Aufgaben des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle betraut werden dürften, wenn sie – wie
hier – im Zeitpunkt der Protokollführung nicht der erkennenden Strafkammer
als „Stationsreferendare” zugewiesen seien. Indessen lässt sich den genannten
Entscheidungen kein solcher Rechtssatz entnehmen. Der Bundesgerichtshof
legt § 153 Abs. 5 Satz 1 GVG vielmehr in ständiger Rechtsprechung gemäß
seinem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers
(vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle, BT-Drucks. 8/2024 S. 18; Katholnigg, StV 1984, 110)
dahin aus, dass die Einzelheiten der Betrauung der betroffenen Personen, zu
denen auch Referendare gehören können, grundsätzlich nach dem jeweiligen
Landesrecht zu beurteilen sind (vgl. BGH, aaO, sowie Urteil vom 4. Juni 1985
1 StR 18/85, StV 1985, 492; siehe auch OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 77;
MüKoStPO/Arnoldi 2016, § 226 Rn. 13 mwN). Die in Bremen geltenden Vorschriften
enthalten die von den Beschwerdeführern behauptete Einschränkung
nicht.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom
23. November 2016 zutreffend ausgeführt:
„In Bremen ist insoweit Folgendes geregelt:
Nach § 20 Abs. 1 AGGVG können Referendare mit der selbstständigen
Wahrnehmung von Aufgaben des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle beauftragt werden. Nach § 20 Abs. 3
AGGVG sind zuständig für die Beauftragung der Senator für
Justiz und Verfassung und die von ihm bestimmten Stellen.
Die ‚Allgemeine Verfügung des Senators für Rechtspflege und
Strafvollzug zur Ausführung der §§ 19 bis 21 des Bremischen
Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz‘ lautet
unter anderem:
(1) Mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle können
a) gemäß § 20 Abs. 1 AGGVG Referendare sowie Anwärter für
den gehobenen oder den mittleren Justizdienst beauftragt werden.
Die Beauftragung setzt gemäß § 8 der Anordnung über
die Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften voraus,
dass die Personen auf dem Sachgebiet, das ihnen zur Erledigung
übertragen werden soll, einen Wissens- und Leistungsstand
aufweisen, der dem der Beamten des mittleren Justizdienstes
gleichwertig ist (§ 153 Abs. 5 GVG).
(2) Für die Beauftragung gemäß Absatz 1 werden als zuständig
bestimmt:

der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen,
der Generalstaatsanwalt, der Präsident des Landgerichts,
der Leitende Oberstaatsanwalt,
die Präsidenten der Amtsgerichte in Bremen und Bremerhaven
sowie der Aufsichtführende Richter des Amtsgerichts in Bremen-Blumenthal
jeweils für das Gericht oder die Staatsanwaltschaft,
denen sie vorstehen, für Referendare und Rechtspraktikanten darüber hinaus der ausbildende Richter oder Staatsanwalt
des Referendars oder Rechtspraktikanten.
Die im vorliegenden Verfahren tätig gewordenen Referendare
sind von der Präsidentin des Landgerichts ordnungsgemäß mit
der Protokollführung beauftragt worden. Soweit die Revision
meint, dass nur ‚Stationsreferendare‘ Aufgaben des Urkundsbeamten
wahrnehmen dürfen, ist ihr zu widersprechen. Der
Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift enthält eine solche
Einschränkung nicht. Diese ist auch aus sonstigen Gründen
nicht geboten. Ferner spricht der Umstand, dass zuständig für
die Beauftragung unter anderem ‚der Präsident des Landgerichts‘
und der ‚ausbildende Richter‘ sind, für die Sichtweise des
Landgerichts Bremen.“

b) Zweifel an der erforderlichen Befähigung der eingesetzten Referendare
(vgl. § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG) hegt der Senat nicht. Dem entspricht
es, dass die Beschwerdeführer Mängel der Protokollführung nicht aufzeigen;
solche sind auch nicht ersichtlich. Nach der Stellungnahme der Präsidentin des
Landgerichts Bremen hatten die Referendare die mehrmonatige Pflichtstation
in Zivilsachen absolviert und befanden sich im strafrechtlichen Ausbildungsabschnitt.
Sie waren durch Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in die Tätigkeit
des Protokollführers theoretisch und praktisch eingewiesen worden. Die Erfüllung
der materiellen Voraussetzungen des § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG war
damit gewährleistet. Dass den Referendaren die so erworbene Befähigung nur
bei aktueller Zuweisung an die jeweils erkennende Strafkammer oder an das
betroffene Landgericht (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 22. Januar 1981
4 StR 97/80) zukommen könnte, liegt fern. Es ist auch ansonsten kein sachlicher
Grund vorhanden, der die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsansicht
stützen könnte.

c) Nach den Ausführungen der Präsidentin des Landgerichts wurde die
(Neben-)Tätigkeit als Protokollführer aufgrund eines mit den Referendaren geschlossenen
Vertrags mit 12 € pro Stunde vergütet. Aus welchem Grund dieser
Umstand zu Mängeln der Betrauung und damit zu einem Verfahrensfehler geführt
haben könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Namentlich ließ die übernommene
Nebentätigkeit deren Stellung als Referendare unberührt. Unbehelflich
sind ferner der Hinweis der Beschwerdeführer auf die nach ihrer Meinung
inadäquate Bezahlung sowie die – sehr abstrakte – Erwägung, es seien Interessenkonflikte
denkbar.

BGH, Beschluss vom 12.1.2017 - 5 StR 548/16

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3 Kommentare

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...immerhin "rechtmäßig"! Ob es auch zweckmäßig ist, Rechtsreferendaren (Achtung! Die haben angeblich einen wachen Geist) unterschwellig zu vermitteln, dass Sie billige Arbeitskräfte der Justizverwaltung sind, bleibt offen. Nicht alle Bundesländer entlohnen und die Kürzung der Eingangsbesoldung fügt sich zwanglos zu dieser besonderen Wertschätzung des Nachwuchses. Zumindest aus Ehrlichkeit sollte den Rechtsreferendaren stets der wahre Grund für Ihren "Einsatz" genannt werden: Einsparungen im mittleren Dienst und Justizgewähr nach Kassenlage. Merke: Der beste Richter ist nichts ohne einen guten und erfahrenen Protokollführer.

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Hm. Was ist für den Referendar denn schlecht daran, als Protokollführer eingesetzt zu werden? Bei den Protokollen am Landgericht müssen "nur" die wesentlichen Förmlichkeiten festgestellt werden. Diese zu kennen, schadet sowohl für die berufliche Zukunft als auch das Examen sicher nicht. 

Ob es für den Vorsitzenden so ideal ist, scheint mir zweifelhaft. Die Notwendigkeit, wesentliche Korrekturen vorzunehmen, könnte deutlich größer sein als bei einem erfahrenen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. 

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