Handy in Ladeschale: Kein Handyverstoß (§ 23 Abs. 1a StVO)

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.02.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2989 Aufrufe

Das AG Landstuhl hat einmal wieder eine interessante Entscheidung veröffentlicht. Es geht um`s Handy: Ist es eine OWi, das Handy während der Fahrt in die Hand zu nehmen und dann zur Ladeschale in der Mittelkonsole zu führen? Nö - meint das AG. Und hat freigesprochen.

Vorab kurz § 23 Abs. 1a StVO, dessen Verletzung über §§ 49 StVO, 24 StVG eine OWi ist:

(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.

Und das hat das AG Landstuhl geschrieben:

Der Betroffene hat sich dergestalt eingelassen, dass er angab, an der Ecke Vordere Fröhnstraße/Schulstraße sein in der Frontablage liegendes, mit dem Freisprechsystem verbundenes Handy aufgenommen und in Richtung Mittelkonsole bewegt zu haben, um es dort in die Ladeschale zu stecken. Er habe keine Funktion des Telefons benutzt. Dies habe er auch den Beamten mitgeteilt.

Die vernommenen Zeugen PK A und PK B hatten keine Erinnerung an den konkreten Vorfall. Auf dem Datenerfassungsbeleg, welcher den Zeugen vorgehalten wurde, ist vermerkt, dass das Handy mit der rechten Hand „festgehalten“ worden sei , auf der nächsten Seite, dass der Betroffene das Handy mit der rechten Hand „bedient“ habe. Was genau der Betroffene mit dem Gerät gemacht haben soll, konnten die Zeugen nicht angeben und ist auch nirgends in der Akte vermerkt. Der Betroffene hat auf dem Datenerfassungsbeleg keine Angaben dazu gemacht, ob er den Verstoß einräumt.

Es verbleibt damit einzig bei der Einlassung des Betroffenen. Diese hat das Gericht rechtlich zu würdigen. Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass die zugestandene Handlung des Betroffenen kein tatbestandmäßiges Verhalten im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO darstellt.

Das Gericht hält die anders lautende Entscheidung des OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschluss vom 07.12.2015 - 2 Ss OWi 290/15 - juris) für nicht belastbar. Denn die dort vorgenommene Auslegung beinhaltet eine unzulässige Erweiterung des Tatbestands (vgl. auch Krenberger, jurisPR-VerkR 11/2016 Anm. 4).

Die mittlerweile variantenreiche Rechtsprechung zum „Benutzen“ im Sinne der Norm kann in den einschlägigen Kommentaren nachvollzogen werden (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 23 StVO Rn. 32; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 23 StVO Rn. 22a; NK-GVR/Krenberger, § 23 StVO Rn. 12 f.). Maßgeblich ist bislang stets der Bezug zu den Telefonfunktionen, auch wenn inzwischen eine Wortlautänderung der Norm („...gehalten werden muss“) in manchem Fall zu abweichenden Ergebnissen führen könnte.
Es muss hier zuerst eine Abgrenzung von der Rechtsprechung erfolgen, die die bloße Ortsveränderung des Telefons nicht unter die Norm subsumiert (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.01.2014 – 1 SsRs 1/14 – Krenberger, jurisPR-VerkR 21/2014 Anm. 6). Das OLG Oldenburg setzt das Aufladen des Telefons mit der Nutzung der Funktionen des Telefons gleich. Das ist rechtlich jedoch nicht geboten. Denn mit dem gleichen Argument könnte man auch die Ortsveränderung tatbestandsmäßig erfassen, da ja der neue Ablageort einen einfacheren Zugriff auf das Telefon und seine Funktionen böte. Zudem würde so die Norm zum Einfallstor für gesinnungsstrafrechtliche Tendenzen, da man ja dem Betroffenen unterstellt, er würde das Telefon noch im Fahrzeug benutzen wollen – und das auch noch in widerrechtlicher Weise. Wenn er aber z.B. ein Headset verwendet, darf er telefonieren, ebenso bei Nutzung der Freisprechanlage, dann sogar mit dem Telefon in der Hand, so das OLG Stuttgart (Beschl. v. 25.04.2016 - 4 Ss 212/16 - jurisPR-VerkR 15/2016 Anm. 3). Dies unterscheidet den
vorliegenden Fall auch von der Entscheidung des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 20.04.2007 - 2 Ss OWi 227/07): das dort thematisierte Verschieben der SIM-Card, um überhaupt ein Funktionieren zu ermöglichen, ist etwas ganz anderes als die hier festgestellten Umstände. Das OLG Oldenburg nimmt mit seiner Entscheidung eine unzulässige Erweiterung des Tatbestands vor, da eine Auslegung gerade nicht durchgeführt wurde, sondern eine am Schutzzweck der Norm angelegte Wortlauterweiterung vorgenommen wird. Das aber ist eine Analogie (vgl. zur Unterscheidung Fischer, StGB, § 1 Rn. 10 ff.), und eine solche ist zum Nachteil des Betroffenen unzulässig.

Der Betroffene war deshalb aus tatsächlichen Gründen mit der entsprechenden Kostenfolge freizusprechen.

AG Landstuhl, Urt. v. 06.02.2014 - Beschl. v. 2 OWi 4286 Js 12961/16

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