DGB will Tarifbindung stärken

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.03.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3616 Aufrufe

Der DGB beklagt das Absinken der Tarifbindung in den beiden letzten Jahrzehnten und sieht den Gesetzgeber in der Pflicht. Notwendig seien weitere gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Grad der Tarifbindung erhöhen, die Verbandsmitgliedschaft auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stärken und die Tarifflucht erschweren. Hierzu hat der DGB-Vorstand „Positionen zur Stärkung der Tarifbindung“ beschlossen. Dieses Positionspapier beinhaltet einen 14-Punkte-Plan, auf dessen Realisierung in der nächsten Legislaturperiode der DGB hofft. Neuere gesetzliche Regelungen sollen u.a. dafür sorgen, dass für Betriebe der Austritt aus dem Arbeitgeberverband und die Eingehung einer OT-Mitgliedschaft (=ohne Tarifbindung) schwieriger wird. Außerdem sollen häufiger Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können, um Betriebe zu binden, die in keinem Arbeitgeberband sind. Besonders hebt der DGB die Forderung nach kollektiver Fortgeltung des Tarifvertrags bei Abspaltung von Betriebsteilen hervor. Ein weiterer Vorschlag des DGB: Gewerkschaften sollten ein Verbandsklagerecht bekommen, wenn sich ein Unternehmen nicht an den Tarifvertrag hält und Tarifbruch begeht. So müsste nicht jede/r einzelne Beschäftigte selbst gegen die Verstöße des Arbeitgebers klagen. Das Arbeitsministerium teilte auf Anfrage mit, es sehe in den DGB-Vorschlägen einen „diskussionswürdigen Ansatz“, setzte aber den einschränkenden Hinweis hinzu, es stünden immer die eigenen Anstrengungen der Sozialpartnerorganisationen zur Gewinnung und Bindung ihrer Mitglieder unverzichtbar im Zentrum aller Strategien zur Stärkung der Tarifbindung. Ablehnend äußerte sich erwartungsgemäß der Bundesverband der Arbeitgeber (BDA): Das Papier ziele auf die Beschränkung tariflicher Gestaltungsmöglichkeiten und notwendiger betrieblicher Flexibilität ab. Die Vorschläge wiesen sämtlich in die falsche Richtung, würden tarifliche Gestaltungsoptionen einschränken und seien kein Beitrag zur Stärkung der Tarifautonomie. Dabei habe sich besonders bewährt, dass Tarifbindung in Deutschland – anders als zum Beispiel in Frankreich – nicht auf gesetzgeberischem Zwang beruht. Abgesehen von dieser politischen Auseinandersetzung wäre für jeden der 14 Punkte sehr genau zu erwägen, ob der jeweilige Regelungsvorschlag mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) im Einklang steht. Insoweit bewegt sich das Positionspapier dem ersten Anschein nach auf dünnem Eis.

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1 Kommentar

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Zum Thema OT-Mitgliedschaften mal im Handwerksbereich geschaut, weil die vielen Kleinbetriebe hier Einzeltarifverträge für die Gewerkschaften unattraktiv oder unmöglich machen:
Bei Innungen ist die Möglichkeit von OT-Mitgliedschaft ohnehin umstritten mit der klaren Tendenz zu "nicht gestattet" (https://community.beck.de/2016/03/27/bundesverwaltungsgericht-zu-handwer...)

Den Austritt aus Innungen zu erschweren, bedeutet dann aber auch, dass Betriebe weniger Interesse haben, dort originär beizutreten - mittelfristig sinkt dann der Organisationsgrad und damit auch die Einflußmöglichkeit über Flächentarifverträge.

Dass sich deshalb jetzt schon Arbeitgeber im Handwerk, statt einer Innung beizutreten, lieber zu nem Verein zusammenfinden, in dessen Vereinszweck der Abschluß von Tarifverträgen nicht vorgesehen ist, die aber dann die Vorteile von Innungsmitgliedschaften haben (Beratung, Rahmenverträge etc.) und zum Teil darüber hinaus (Einkaufsgemeinschaften), ist unerwünschter Nebeneffekt sowohl für die Arbeitgeberverbände (wegfallende Beiträge) als auch für die Gewerkschaften. Denn so einen Verein kann keine Gewerkschaft diesen Verein dazu zwingen können, Tarifverträge abzuschließen, wenn es die Vereinssatzung nicht hergibt.

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