BGH: Keine Schummelsoftware in der Gaming-Industrie

von Paetrick Sakowski, veröffentlicht am 13.03.2017
Rechtsgebiete: Wettbewerbsrecht11|6419 Aufrufe

Der BGH hat in einem für die Spieleindustrie bedeutendem Verfahren den gewerblichen Vertrieb von Botsoftware wegen unlauterer Behinderung als wettbewerbswidrig eingestuft.

Das Geschäftsmodell der Beklagten besteht darin, populäre Spiele wie World of Warcraft oder Pokémon Go intensiv zu analysieren und auf Grundlage dieser Erkenntnisse Bots zu entwickeln und am Markt anzubieten. Mit Hilfe dieser Bots können Spieler quasi im Modus des Autopiloten von den Entwicklern bewusst gestaltete langwierige Spielprozesse ausführen lassen (z.B. das Sammeln von Rohstoffen oder Erfahrungspunkten). Die Spieleentwickler stört dies vor allem aus zwei Gründen: Zum einen wird das Gefüge eines Onlinespiels massiv dadurch gestört, dass sich einige Spieler unfaire Vorteile verschaffen. Spielerzahlen können dann aufgrund allgemeiner Frustration rasch sinken. Zum anderen haben die Entwickler längst selbst das Überspringen langwieriger Spieleinhalte kommerzialisiert und bieten etwa den Kauf von Spielewährung für echte Währung an.

Wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht hat der BGH bereits die Vervielfältigung des Spiels zur gezielten Analyse für kommerzielle Zwecke untersagt (GRUR 2017, 266). In der Entscheidung World of Warcraft II (BeckRS 2017, 10166) hat der BGH darüber hinaus das Bot-Angebot der Beklagten als unlautere Behinderung nach § 4 Nr.4 UWG untersagt. Die gezielte Beeinträchtigung des Spieleanbieters sei darin zu sehen, dass die mit den Spielern vereinbarten AGB systematisch unterlaufen werden und das Geschäftsmodell der Klägerin damit in unlauterer Weise beeinträchtigt werde. Der BGH stellt dabei vor allem auf das ungetrübte Spielerlebnis der Kunden ab, das die AGB durch das Verbot von Bots schützen sollen. Wenn die Chancengleichheit der Spieler durch den Einsatz von Bots untergraben werde, könne dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung dazu führen, dass das Spiel weniger attraktiv werde und dadurch Einnahmeeinbußen bei der Klägerin durch den Einbruch von Käufern und Abonnenten entstünden.

Die Argumentation des BGH ist nachvollziehbar. Der Spielehersteller darf gegenüber den Spielern im Rahmen des (AGB-)rechtlich Zulässigen Regeln festlegen und muss es nicht hinnehmen, dass andere Anbieter diese gezielt hintertreiben. Dabei kommt es weniger darauf an, dass das Spiel als solches fair ausgestaltet ist. Der Spieleanbieter kann auch durch in-game purchases Spielern ermöglichen, sich eine vorteilhafte Position zu erkaufen. Es ist aber Sache des Spielebetreibers das Regelgefüge festzulegen und für sich profitabel zu gestalten. Er trägt auf der anderen Seite das Risiko, dass schlecht ausgestaltete Regeln dazu führen, dass das Spiel am Markt schlecht angenommen wird. 

Gegen die Entscheidung des BGH soll inzwischen eine Verfassungsbeschwerde anhängig sein. Dass das BVerfG das Verbot, Schummelsoftware für fremde Spiele anzubieten, als Grundrechtsverletzung einstufen wird, erscheint allerdings wenig wahrscheinlich. Die wirtschaftliche Freiheit der Wettbewerber endet dort, wo fremde Geschäftsmodelle in unlauterer Weise ausgenutzt und beeinträchtigt werden. Diese Linie hat der BGH in überzeugender Weise gezogen.  

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11 Kommentare

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"Wenn die Chancengleichheit der Spieler durch den Einsatz von Bots untergraben werde, könne dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung dazu führen, dass das Spiel weniger attraktiv werde "

Ich persönlich glaube (oder vielmehr: hoffe) das auch. Eine Beweiserhebung dazu wäre m. E. aber angezeigt gewesen. Denn diese These ist durchaus umstritten.

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Eine Beweiserhebung dazu wäre m. E. aber angezeigt gewesen. Denn diese These ist durchaus umstritten.

Dass Schummeln unzulässig ist, dazu brauche ich keinen Sachverständigen oder sonst eine Beweisaufnahme. Das schlimme im Bereich Gaming ist ja, dass dort Selbstverständlichkeiten "umstritten" sind, wie z. B. die Tatsache, dass Killerspiele Agressionen und Verlust sozialer Kompetenzen herbeiführen. Mit dem vielen Geld, das die Gaming-Industrie in bestellte "Gutachten" (eigentlich: Schlechtachten) steckt, könnte man sogar - mutatis mutandis - belegen, dass Zigarettenrauchen gut für die Gesundheit ist. Gut, dass das Gericht auf solche "umstrittene Thesen" gar nicht erst eingeht, sondern den offenkundigen Menschenverstand zugrundelegt, weil Sachverständige in diesem Bereich ohnehin mehrheitlich gekauft sind.

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"Im Übrigen knüpft die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein auf Wettstreit ausgerichtetes Spiel büße im Fall des regelwidrigen Verhaltens von Spielern bei den ehrlichen Spielern an Attraktivität ein, nicht an Besonderheiten des Spiels „World of Warcraft" an.
(BGH Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 253/14, BeckRS 2017, 101166, beck-online)"

Das sehe ich auch so und das Urteil ist m.E. auch insgesamt nachvollziehbar. Gleichwohl soll an dieser Stelle nochmals erwähnt werden, dass die Klägerin gegen (echtes) Geld durchaus Eingriffe in den normalen Spielfluss zulässt. Für 50,- € kann man beispielsweise einen Spielcharakter auf Level 100 katapultieren. Ein Vorgang, der normalerweise Tage oder gar Wochen dauern kann. Auch der Kauf von Gold (ingame-Währung) über die Klägerin ist möglich. Der maßgebliche Unterschied zu den Bots ist mE das Ausmaß sowie die Art und Weise. Bei der Klägerin bekommt man relativ wenig fürs Geld, der Anreiz ist damit nicht sonderlich hoch, diese Zusatzservices oft zu nutzen. Außerdem kann die Klägerin das Ausmaß steuern und es laufen - anders als bei den Bots - bei den Services der Klägerin keine software-gesteeuerten Zombie-Spieler durch die Spielwelt. Das Spielerlebnis der anderen wird daher mE wenig bis gar nicht tangiert.

Zu diesem Killerspielevorwurf... na ja... irgendwelche Behauptungen ohne eigenen Sachverstand hinwerfen ist ja gerade modern.

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Wenn Eltern Ihre Kinder unendlich zocken lassen dann ja, der Verlust sozialer Kompetenzen wird kommen. Das jemand durch die Spiele aggressiv wird liegt daran das Eltern dem Kind nicht gezeigt hatten das es nicht OK ist. Es ist einfach die Inkompetenz in der eigenen Erziehung auf Spiele zu schieben. Kein Spiel, sei es noch so aggressiv, wird einen gesunden Menschenverstand dazu bringen anderen schaden zuzufügen. Wenn die Person aber schon einen Tick hat, kann es diesen natürlich verstärken. Zum Thema: Cheaten bei Spielen ist generell eine Benachteiligung anderer Gamer. Es ist einfach da man den betrogenen nicht gegenübersteht (wie zum Beispiel bei Yatzi oder Monopoli). Ich finde das Urteil gut da es das zocken ein stückchen weiter in Richtung Sport bringt. Da sind fouls auch nicht erlaubt und führen zur disqualifikation - Doping.

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Nur für den Fall eines Missverständnisses:

Hier wurde nicht darüber entschieden, ob "Cheaten" erlaubt ist oder nicht. Es wurde - etwas vereinfacht ausgedrückt - darüber entschieden, ob der Betreiber eines Spiels einen Anspruch gegen einen anderen Unternehmer hat, der gegen Entgelt beim "Cheaten" hilft.

Übertragen auf die Welt des Sports: Darf die Olympia-Organisation Ärzten untersagen, Sportlern Mittel zu verkaufen, die die Organisation als Dopingmittel ansieht? Darf der DFB einem Dienstleister verbieten, einen Kursus "Wie foule ich richtig?" anzubieten? Liegt es in der Entscheidungshoheit des lokalen Kegelvereins, ob ein Sportgerätehändler Kegelkugeln verkaufen darf, deren Benutzung gegen die Statuen des Kegelvereins verstößt?

Übertragen auf einen ganz anderen Lebenssachverhalt: Darf eine Ehefrau einem "Seitensprungportal" die Tätigkeit untersagen? Um der Kritik zuvorzukommen: Nein, dürfte sie nicht, weil "Ehefrau-Sein" keine gewerbliche Tätigkeit ist und die beiden daher nicht in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Aber man sieht vielleicht, was man hier macht: Statt im eigenen Vertrags- (oder Ehe-)Verhältnis für Ordnung zu sorgen, führt man den Streit über einen Dritten. Blizzard könnte ja auch die Bots aufspüren und die betreffenden Accounts kündigen. Aber nein - man geht gegen den Dritten vor.

Man kann "Cheaten" verurteilen. Man kann auch eine Meinung zu solchen Anbietern haben. Aber ob da ein Rechtsanspruch besteht... das ist nicht zwingend.

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Welche Auswirkungen es hat, dass Blizzard selber inzwischen auch Level verkauft, musste das Gericht gar nicht entscheiden. Denn das wurde als "erstmals in der Revision vorgebracht" nicht berücksichtigt.

Aus Spielersicht (nicht WoW, aber andere Multiplayerspiele), sehe ich Level kaufen als nicht schön, aber inzwischen Standard bei sehr vielen Spielen. Und es steht jedem offen, der mitspielen will. Spiele, die dadurch zum "pay to win" werden, d.h. dass nur noch diejenigen eine Chance haben, die Geld investieren, gehen das erhebliche Risiko ein, dass neue Spieler nicht lange dabei bleiben.
Bots haben hingegen noch einen anderen Nachteil, denn oft sind Ressourcen nicht permanent endlos vorhanden, sondern brauchen gewisse Zeit, dass sie nachwachsen (keine Ahnung, ob das bei WOW auch so ist). Wird in einem solchen Spiel mit Farmbots gearbeitet, stören diese aktiv das Spielerlebnis der anderen Spieler, weil andere Spieler auf die Ressourcen warten müssen und damit länger brauchen für den Stufenanstieg. Aus dem Grunde sehe ich Bots auch wesentlich kritischer als den Kauf von Leveln oder Gegenständen im Shop.

Neuer Sachvortrag war übrigens auch das hier:
"Die Revision wendet vergeblich ein, das Berufungsgericht habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass es die Reaktion der ehrlichen Spieler aus eigener Sachkunde beurteilen könne. Die Mitglieder des Berufungsgerichts zählten nicht zu den vom Spiel „World of Warcraft“ angesprochenen Verkehrskreisen. Die Ansprache der Nutzer in der zweiten Person Singular im Internetauftritt der Beklagten zu 2 deute darauf hin, dass sich das Spiel an ein jüngeres Publikum richte."

"Dass Schummeln unzulässig ist, dazu brauche ich keinen Sachverständigen oder sonst eine Beweisaufnahme."

Das ist wohl nicht als rechtliche Wertung gemeint, oder?

Mein Kommentar bezog sich im Übrigen nicht auf das "Schummeln", sondern darauf, dass dies die Attraktivität des Spiels senke. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Einige Anbieter - so auch Blizzard - verkaufen selbst Spielwährung oder andere "virtuelle Gegenstände". Würden Sie das tun, wenn es der Attraktivität des Spiels schadet? Oder nehmen Sie eine gewisse Schädigung in Kauf, um dann von weniger Kunden mehr Geld zu bekommen? Würden sie letzteres offen zugeben?

Man kann eine entschiedene Meinung zu "Schummelsoftware" haben. Aber das heißt nicht, dass man die Schritte zu diesem Ergebnis allzu hastig nehmen sollte. U. a. diese Beweiserhebung wäre doch höchst interessant gewesen. Vermutlich hätten die Betreiber selbst dazu auch eigene Studien vorlegen können.

 

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Lieber Leser,

eine Beweiserhebung darüber, wie die Reaktion der "ehrlichen" Spieler auf die Zunahme von Botnutzung aussieht, wäre in der Tat sehr interessant. Die Klägerin hätte aber sicher zum Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse keine detaillierte Begutachtung zugelassen und dafür wahrscheinlich sogar prozessuale Nachteile hingenommen.

Rechtlich kam der Klägerin entgegen, dass eine gezielte Behinderung nach Ansicht der Rechtsprechung bereits dann vorliegen soll, wenn eine Maßnahme potentiell geeignet ist, die Entfaltungsmöglichkeiten eines Wettbewerbers zu beeinträchtigen. Einen konkreten Schaden musste die Klägerin daher nicht nachweisen. Hinsichlich der potentiellen Eignung haben sich die Gerichte mit der Argumentation zur Lebenserfahrung und von der Klägerin vorgelegten Beschwerden und Unmutsäußerungen aus dem Internet zufrieden gegeben. Im Rahmen der freien richterlichen Würdigung des Parteivortrags hätte man an dieser Stelle durchaus strenger sein können. Hätte die Beklagte differenzierte Gegenargumente vorgetragen oder ein eigenes Gutachten vorgelegt, hätte das eine Beweisaufnahme auslösen können.

Vielen Dank für die Antwort. Dass die Klägerin eine Beweisaufnahme vielleicht gar nicht gewollt hätte, glaube ich auch - gerade weil die Ergebnisse möglicherweise sehr spannend wären. Die Unternehmer werden wahrscheinlich auch bereits wissen, was dabei herauskommen wird, und gerade deswegen scheint es mir so interessant, dass die Gerichte da nicht nachhaken: "pink elephant in the room".

Für die Neugierigen (wie mich) steht zu hoffen, dass eine Partei oder ein Gericht in der Zukunft einmal genauer prüfen wird.

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P. S.:

Die Beschwerden der Spieler sind sicherlich ein Indiz dafür, dass "Schummeln" geschäftschädigend ist. Aber... Fußballfans regen sich auch lautstark über Fouls, Schiedsrichterentscheidungen usw. auf. Aber wäre das Spiel ohne dies möglicherweise langweilig? Wären Formel-1-Rennen ohne den gelegentlichen Unfall so aufregend?

Die Äußerungen der Fans darf man m. E. nicht verwechseln mit der tatsächlichen Auswirkung. Und wenn jeder anonyme Kommentar (das sage ich mit Selbstironie) im Internet das tatsächliche Meinungsbild der Republik abbilden würde, sähe unser Bundestags anders aus.

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Spannender Fall! Erstaunlich dass es zu keiner Beweisaufnahme über die Reaktion der ehrlichen Spieler kam und der BGH da pauschal auf die Lebenserfahrung rekurriert. Zumal die Lebenserfahrung von BGH-Richtern bei WoW etc. begrenzt sein dürfte.

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