Vor dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht sind alle Körperschaften gleich

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 16.03.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenSteuerrecht|4237 Aufrufe

Eine Investition in deutsche Immobilien erscheint aktuell lohnend - zumindest für ein altehrwürdiges College einer Universität im Vereinigten Königreich. Dieses war als "immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste" vor Jahrhunderten gegründet worden. Als Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses erzielt das College nach Schätzungen des Finanzamtes in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 375.000.

Der BFH bejahte auch für in Deutschland mit inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtige gemeinnützige Organisation aus dem EU-Ausland die Steuerfreiheit, wenn diese den Anforderungen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts entspricht, insbesondere:

  • wenn dem College der Status einer Körperschaft i.S.d. deutschen KStG zuerkannt werden kann (Typenvergleich). Im Falle eines "immerwährenden Kollegiums" liegt die Stiftung nahe (vgl. BFH a.a.O., Rz. 10 ff.; Rz. 16 ff).
  • Zwar müsse die britische Körperschaft nicht die deutsche Mustersatzung (Anlage zu § 60 AO) wörtlich übernehmen. Insbesondere müsse, so der BFH (Rz. 26) die Zweckverfolgung nicht mit den Begriffen "ausschließlich" und "unmittelbar" gekennzeichnet sein.
  • Aber es müsste sich der gleiche Sinngehalt und die gleichen Inhalte aus der Satzung ergeben (Rz. 26).
  • Auch verfolgten steuerbegünstigten  Zwecke müssten dem deutschen Katalog entsprechen (Rz. 25).
  • Zwar brauchen bestimmte Körperschaften ihre satzungsmäßige Vermögensbindung nicht festlegen (Rz. 29 unter Hinweis auf § 62 AO), dann müsste eine der deutschen Stiftungsaufsicht vergleichbare Aufsicht die Vermögensbindung sicherstellen (Rz. 30 f.).
  • Bei der tatsächlichen Geschäftsführung dürfe außerdem kein geringerer Maßstab wie bei deutschen Körperschaften angelegt werden (Rz. 33)

Dem BFH-Urteil ist im Ergebnis zuzustimmen. Wenn der deutsche Fiskus auf Steuereinnahmen verzichtet, also alle anderen Steuersubjekte mehr bezahlen müssen, um die Gemeinwohlaufwendungen zu finanzieren, müssen die Regeln für alle steuerbegünstigten Körperschaften gleich sein. Im Detail ließe sich darüber streiten, ob die Prüfung durch die Charity Commission der Prüfung durch ein deutsches Finanzamt oder die staatliche Stiftungsaufsicht gleich steht.
 
Bleiben zwei interessante Fragestellungen:

  • Hat das College für den streitbefangenen Veranlagungszeitraum seinen Status als steuerbegünstigte Körperschaft von Vorneherein verloren? Denn in der Sachverhaltsdarstellung (BFH, Rz.  3) ist von einem Schätzbescheid die Rede. Es liegt als die Vermutung nahe, dass das College keine (deutsche) Steuererklärung abgegeben hat. Der Verstoß gegen steuerliche Erklärungspflichten schließt die Steuerbegünstigung grundsätzlich aus.
  • Wie weist das (britische) College seinen Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 AO? Reicht es aus, dass Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, an dem College studieren (können), dort aber Studiengebühren bezahlen müssen? Ist es dem Ansehen der Bundesrepublik förderlich, wenn sich der Inlandsbezug auf eine Immobilienanlage in Deutschland beschränkt?
     
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