Auffahrunfall auf Autobahn: Anscheinsbeweis und Spurwechsel

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.03.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|6963 Aufrufe

Mal wieder Verkehrszivilrecht. Heute geht es um den Anscheinsbeweis. Der BGH hatte sich einmal wieder mit einem Autobahnauffahrunfall zu befassen: "Die Klägerin wurde im Juni 2012 auf der Bundesautobahn 44 als Fahrerin ihres Motorrads in einen Verkehrsunfall mit einem Kastenwagen mit Anhänger (im Folgenden "Gespann") verwickelt. Sie wurde bei dem Unfall erheblich verletzt. Das Gespann konnte nicht ermittelt werden. Wie es zum Unfall kam, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, das auf der Überholspur befindliche Gespann sei unmittelbar vor dem Zusammenstoß plötzlich "brutal" abgebremst und dann ruckartig auf die rechte Fahrspur, auf der sie sich befunden habe, hinübergezogen worden. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, ihm auszuweichen,weshalb sie in dessen hintere Flanke gefahren sei." Der BGH bleibt dabei: Der Anscheinsbeweis spricht für ein Verschulden des Auffahrenden. Dabei bleibt es auch, wenn nicht ausnahmsweise ein plötzlicher Spurwechsel bewiesen werden kann.

Hier nur die Leitsätze des BGH:

a) Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der
erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft
dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand
nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO)
oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit
gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (Fortführung Senatsurteil vom
13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 7).

b) Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises
aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt
sind, die - wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des
vorausfahrenden Fahrzeugs - als Besonderheit gegen die bei derartigen
Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (Fortführung Senatsurteil vom
13. Dezember 2011, aaO).

c) Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel
und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden
nicht beweisen, so bleibt - in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände
des Gesamtgeschehens - allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem
Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf
den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein
Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16

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1 Kommentar

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Ihr Lieben, doch nicht so viele Präjudizurteile allein, die Leuten brauchen Schadensbilder von Spurwechseln um auch gerichlich als beispiel  Beweis antreten zu können

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