Kein Sonderkündigungsschutz aus tarifwidriger Betriebsvereinbarung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 18.04.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3512 Aufrufe

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich nicht auf den in einer Betriebsvereinbarung vereinbarten besonderen Kündigungsschutz berufen, wenn diese Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen den Tarifvorbehalt (§ 77 Abs. 3 BetrVG) unwirksam ist. Das hat das BAG entschieden.

Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Im Betrieb existierte seit dem Jahr 1969 eine in mehrfach - letztmals am 18.12.2009 - abgeschlossenen Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen enthaltene Bestimmung folgenden Inhalts: „Mitarbeiter/-innen, die mehr als 20 Jahre ununterbrochen in der Bank tätig gewesen sind, können nur aus einem in ihrer Person liegenden wichtigen Grund gekündigt werden." Demgegenüber heißt es im Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV) vom 12.11.1975: „Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 15 Jahre angehören, sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar." In den Schlussbestimmungen des MTV heißt es seit dem Jahr 1954: "Günstigere Arbeitsbedingungen, auf die ein Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarung oder kraft eines besonderen Arbeitsvertrages Anspruch hat, bleiben bestehen."

Die Arbeitgeberin hat der Arbeitnehmerin im Rahmen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ordentlich betriebsbedingt gekündigt. Deshalb findet der tarifliche Sonderkündigungsschutz für ältere Beschäftigte im konkreten Fall keine Anwendung. Die Parteien streiten aber darüber, ob die Kündigung wegen Verstoßes gegen die Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Das hat das BAG - wie schon die Vorinstanzen - verneint:

Die BV verstoße gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG und sei daher unwirksam. Der Tarifvertrag enthalte zum Kündigungsschutz älterer Mitarbeiter eine abschließende Regelung. Aus der Übergangsregel folge nichts anderes. Diese gestatte nicht den Abschluss von für die Arbeitnehmer günstigeren „betrieblichen“ Regelungen. Es handele sich um eine bloße Besitzstandsklausel. Sie lasse keine Rechtsgrundlagen, sondern lediglich in „vortarifierter“ Zeit erworbene Ansprüche der Arbeitnehmer bestehen. Danach konnte allenfalls ein besonderer Kündigungsschutz weiter gelten, den ein Arbeitnehmer schon vor dem Inkrafttreten von § 17 Nr. 3 MTV im Jahr 1975 erworben hatte, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwanzig Jahre ununterbrochen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig gewesen war. Dies traf auf die Klägerin jedoch nicht zu.

BAG, Urt. vom 26.1.2017 - 2 AZR 405/16, BeckRS 2017, 104537

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