ESt: Verluste auch bei Veräußerung wertloser Aktien zu berücksichtigen

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 01.05.2017
Rechtsgebiete: Steuerrecht|5308 Aufrufe

Das objektive Nettoprinzip bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steht (wieder einmal) auf dem Prüfstand: sind Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren auch dann anzuerkennen, wenn der Veräußerungserlös nicht einmal die Transaktionskosten deckt?

Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben v. 9.10.2012 - IV C 1 - S-2252 / 10 / 10013, BStBl. I 2012, 953, Rz. 59, bzw. BMF-Schreiben v. 18.1.2016 - IV C 1 - S-2252 / 08 / 10004 :017, BStBl I 2016, Rz. 85) liegt eine (einkommensteuerbare) Veräußerung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor, wenn der Veräußerungserlös die Transaktionskosten nicht übersteigt.

Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urteil v. 26.10.2016 - 2 K 12095/15, Rev. BFH VIII R 32/16) liegt eine solche entgeltliche Veräußerung aber auch dann vor, wenn Anteile mit Verlust an der Börse veräußert werden. Damit verbundene Transaktionskosten sind nicht als Minderung des Veräußerungspreises anzusehen.
Die Verluste sind im Rahmen der Antragsveranlagung nach § 32 d Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Dies gilt nach Auffassung des Finanzgerichts auch dann, wenn das Depot führende Kreditinstitut die Veräußerungsverluste nicht bescheinigt, da es sich an die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung hält.

Der Entscheidung des Finanzgerichts ist zuzustimmen. Denn kein vernünftiger Investor wird wohl freiwillig Verluste realisieren. Zutreffenderweise unterscheidet das Finanzgericht auch zwischen Transaktionskosten und einer (nachträglichen) Minderung von Veräußerungspreises. Zum Dritten ist die Bescheinigung einer Bank über nicht ausgeglichene Verluste i.S.d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG nicht konstitutiv für eine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.

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Literatur:

Günther, ErbStB 3/2017, S. 71; Hahne, BB 2017, S. 289.

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