Verwaltungsgericht zum Verwertungsverbot bei Blutprobenentnahme ohne richterliche Anordnung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.05.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsverwaltungsrecht|3615 Aufrufe

In einer 08/15-Entscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung nach Fahrt unter Cannabiseinfluss hat das VG Gelsenkirchen noch einen kleinen Schlenker zur Blutprobe gemacht. Interessant sicher für Verteidiger, die im Strafverfahren eine Unverwertbarkeit wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt geltend machen wollen. Klappt jedenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht:

Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist auch verwertbar. Zum einen geht das Gericht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Strafprozessordnung - StPO - nicht vorliegt. Denn ausweislich der Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige (Blatt 248 BA Heft 2) erfolgte die Blutentnahme mit Zustimmung des Antragstellers. Auch wenn eine vom Antragsteller unterzeichnete Einwilligungserklärung den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht zu entnehmen ist, spricht derzeit nichts dafür, dass die Protokollierung durch den Polizeibeamten unzutreffend ist.   Zum anderen wäre ein Beweisverwertungsverbot, auf das sich der Antragsteller im Antragsverfahren beruft, selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Blutentnahme nicht rechtmäßig angeordnet worden wäre. Ein eventuelles Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führt aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der jeweiligen Verfahrensordnungen nicht zur Unverwertbarkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren.   Soweit - wie im Fahrerlaubnisrecht - ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht besteht, ist vielmehr im Einzelfall zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen. Diese Abwägung fällt im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel - und so auch vorliegend - zu Lasten des jeweiligen Fahrerlaubnisinhabers aus. Während nämlich Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären bzw. wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind. An diesen Grundsätzen hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht NRW,   vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2016 - 16 B 685/16 -,   auch unter Berücksichtigung der Bedenken fest, die das Bundesverfassungsgericht gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwerten,  BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 - 1 BvR 1837/12 - juris.   Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u.a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsgeboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird. (Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2015 - 16 E 648/15 -, vom 26. September 2016 - 16 B 685/16 - und früher: Beschluss vom 20. März 2014 - 16 B 264/14 -, juris m.w.N.)   VG Gelsenkirchen Beschl. v. 7.4.2017 – 7 L 912/17, BeckRS 2017, 108132

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