Turnierbridge ist kein Sport, aber gemeinnützig

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 21.05.2017
Rechtsgebiete: Wirtschaftsrecht20|8631 Aufrufe

Zu den Besonderheiten des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts gehört es, dass sich der BFH in zwei Urteilen vom 09.02.2017 (V R 69/14 und V R 70/14) mit Turnierbridge auseinandersetzen musste und dessen Förderung als möglichen steuerbegünstigten Zweck anerkannte. Turnierbridge sei zwar kein Sport i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO noch sog. privilegierte Freizeitbeschäftigung i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO (so Urteil v. 09.02.2017 - V R 69/14). Die Förderung des Turnierbridge sei jedoch ein steuerbegünstigter Zweck. Dies ergebe sich aus der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO und einem Vergleich mit dem in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO genannten Katalogzweck "Schach" (BFH, Urteil v. 09.02.2017 - V R 70/14).

Nota bene: Bridge (also nicht: Förderung des Turnierbridge) ist nach Auffassung der Finanzverwaltung (AEAO zu § 52 Nr. 6) dagegen ebenso wie Skat (BFH-Urteil vom 17.2.2000 - I R 108, 109/98, BFH/NV S. 1071), Gospiel, Gotcha, Paintball, IPSC-Schießen und Tipp-Kick kein Sport i.S.d. Gemeinnützigkeitsrechts. Schach dagegen fingiert das Gesetz in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO als Sport und damit als gemeinnützig.

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20 Kommentare

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Natürlich ist Turnierbridge genauso wie Turnierschach eine Sportart. Denn der für das Vorliegen von "Sport" konstituierende Parameter "körperliche Anstrengung" wird bei Turnierbridge und bei Turnierschach ersetzt durch den gleichwertigen Parameter "Konzentration". Es wird ja auch niemand bestreiten, dass "Sportschießen" eine Sportart ist. Auch hier wird das Kriterium "körperliche Anstrengung" durch das gleichwertige Kriterium "Konzentration" ersetzt. Und alle anderen Parameter für das Vorliegen von Sport liegen sowieso vor (Wettkampfcharakter etc. etc.) Denn es gibt sowohl beim Turnierbridge als auch beim Turnierschach ein Ligensystem und Mannschaftskämpfe genauso wie beim Fußball und allen anderen gängigen Sportarten. Und noch einen Satz zum sportlichen Thrill bei Schach-Mannschaftskämpfen: Es steht bei dem Schach-Mannschaftskampf, an dem Sie teilnehmen dreieinhalb zu dreieinhalb. Es läuft nur noch Ihre Partie. Von Ihrer Partie hängt der Ausgang des Wettkampfs ab: Wenn Sie verlieren, hat Ihre Mannschaft den Wettkampf verloren und Ihr Verein steigt ab. Das gilt auch bei Remis. Sie müssen also Ihre Partie gewinnen, damit Ihr Verein den Wettkampf gewinnt und in der Liga bleibt. Um Ihr Brett sammelt sich die Traube der Kiebitze. Natürlich ist das sportlicher Thrill!     

Vielen Dank für diese Erklärung. Dem Verfasser ist bewusst, dass Konzentration auch ein Kriterium für den Sport und die "Förderung der Allgemeinheit" sein kann. Um das Parallelbeispiel aufzugreifen: Schach soll ein bevorzugter Sport unter Finanzbeamten sein.

In den Katalog gemeinnütziger Zwecke kam der Schach aber, weil Schach - wohl anders als andere Brett- und Kartenspiele - Elemente der Bildungsförderung und der Erziehung aufweist (vgl. Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeitsrecht, 102010, S. 82).

Es bleibt aber die Frage, warum Schach und Turnierbridge, aber nicht Skat (kein steuerbegünstigter Zweck, vgl. Meyn/Richter/Koss/Gollan, Die Stiftung, (3)2013, S. 662 'Sport' m.w.N.)?

Oder, um es mit den Worten der streitbaren Knobbe-Keuk zu formulieren:

Wenn schon Sport, dann auch Hundesport; wenn schon Fußball, dann auch Tischfußball; wenn schon Golf, dann auch Minigolf; wenn schon Schach, dann auch Skat und Poker; wenn schon Flugzeug, dann auch Modellflugzeug; wenn schon Pferdezucht, dann auch Meerschweinchenzucht. ... Die Verschiebung der Werte-Relation in den Prioritäten ... (hier Kinder und pflegebedürftige Alte - dort Meerschweinchen) ist beängstigend."
(Knobbe-Keuk in einem Brief an den Vorsitzenden des Finanzausschusses zu ihrer Absage bei der Anhörung zum Vereinsförderungsgesetz, zitiert nach Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 32015, Rz. 1.86)

 

Mag sein, dass die Grenzen manchmal fließend sein können. Aber dass Schach eine Sportart ist, wird Ihnen spätestens dann klar, wenn Sie fünf Stunden lang konzentriert mit Ihrer Turnierpartie zugebracht haben und - in diesen fünf Stunden - mit sonst nichts anderem auf der Welt.   

RA Würdinger schrieb:

Mag sein, dass die Grenzen manchmal fließend sein können. Aber dass Schach eine Sportart ist, wird Ihnen spätestens dann klar, wenn Sie fünf Stunden lang konzentriert mit Ihrer Turnierpartie zugebracht haben und - in diesen fünf Stunden - mit sonst nichts anderem auf der Welt.   

Trifft auf Internetspiele (E-Sport) auch zu, siehe Schalke 04:

http://www.zeit.de/digital/games/2016-05/esport-schalke04-league-of-legends

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... Dort fehlt es aber an anderen Kriterien, die qua definitionem erfüllt sein müssen, damit es sich um "Sport" handelt, z.B. Wettkampfcharakter, so etwas wie ein Ligensystem etc. etc. Ihren Einwand kann ich deshalb nicht gelten lassen.  

Besondere Kenntnisse dazu muß ich leider verneinen, kann dazu nur auf diesen Artikel der WP verweisen:

Wettbewerbe und Meisterschaften
E-Sport-Wettbewerb (World Cyber Games in Singapur, 2005)

Beim elektronischen Sport (E-Sport) treten Spieler organisiert in Clans im Mehrspielermodus der einzelnen Computerspiele gegeneinander an, um sich sportlich zu messen oder zunehmend auch um finanzielle Interessen zu verfolgen. Wenn hauptsächlich Preisgelder aus den Turnierspielen und Sponsorenverträge angestrebt werden, spricht man vom Progaming. Diese Mannschaften spielen dann auch häufig in Ligen mit. Die wohl bekannteste und größte Liga im deutschen Raum ist die ESL, die Electronic Sports League, bei der die Gewinner Prämien von bis zu 500.000 € gewinnen können. Inzwischen steigern sich aber die Preisgelder enorm, beispielsweise gibt es bei der CPL World Tour ein Preisgeld von 1.000.000 Dollar zu gewinnen. International weitaus prestige- und preisgeldträchtigere Turniere sind der Electronic Sports World Cup oder die World Cyber Games. Neben den Sportligen gibt es mittlerweile Meisterschaften in fast allen Genres der Videospielekultur (Ego-Shooter, Construction Games etc.).

https://de.wikipedia.org/wiki/Computerspiel

Zum Schach möchte ich anmerken, völlig ohne Zufall oder Glück kommt auch dieser Sport bei Zeitnot im Spiel nicht aus, denn wirklich dumme Fehler können auch bei Weltmeisterschaften mal passieren, siehe:

http://www.zeit.de/sport/2013-11/schach-halbzeit-anand-carlsen

Wie man das nennt, das bleibt dem Leser überlassen.

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Stimmt, die Faktoren "Zufall oder Glück" sind beim Schach definitiv nicht mit von der Partie. Auch in der Zeitnotphase einer Turnierpartie kann man nicht von "Zufall oder Glück" sprechen. Es hängt vielmehr, wie in jeder anderen Phase einer Turnierpartie, einzig und allein vom Geschick der Spieler ab. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass irgend jemand in diesem Forum die Behauptung aufstellen könnte, beim Schach ginge es um "Zufall oder Glück".     

RA Würdinger schrieb:

Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass irgend jemand in diesem Forum die Behauptung aufstellen könnte, beim Schach ginge es um "Zufall oder Glück".     

Wer soll das hier denn genau so behauptet haben?

Sie unterliegen da offensichtlich einer Projektion, oder einer Fehlinterpretation.

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Herr Würdinger, Sie losen wohl nicht aus, wer anzieht bei Ihren eigenen Schachpartien, und waren auch noch nie unter Form wegen unvorhergesehener Ereignisse am Rande? Bei Weltmeisterschafften gibt es auch Sekundanten und einen regelrechten Psychokrieg um viele Kleinigkeiten, auch das ist nicht alles "allein vom Geschick der Spieler" abhängig.

Bobby Fischer als Beispiel nur genommen:

("1965 verweigerte die US-Regierung Fischer das Visum für die Teilnahme am Capablanca-Gedenkturnier in Havanna. [...]

Den Titel des Schachweltmeisters errang er 1972 in Reykjavík gegen Boris Spasski in einem Wettkampf, der auch als „Match des Jahrhunderts“ bekannt ist. Obwohl der Zweikampf wegen Fischers exzentrischen Verhaltens mehrfach kurz vor dem Scheitern stand und er sogar eine Partie kampflos verlor, gewann er schließlich nach 21 Partien mit 12½:8½. Die Vorentscheidung fiel in der 13. Matchpartie, als es Fischer mit Schwarz gelang, ein Endspiel mit Turm und 5 Bauern gegen Turm, Läufer und Bauer nach hartem Kampf zu gewinnen. Es bedurfte allerdings einiger Überredungskunst, um Fischer überhaupt zum Spielen zu bewegen: Henry Kissinger rief ihn an, und der britische Millionär Jim Slater erhöhte das Preisgeld."

Aus https://de.wikipedia.org/wiki/Bobby_Fischer)

Besten Gruß

GR

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Das, was Sie aufzählen, ändert aber nichts an dem Charakter von Schach als Sportart. Wenn Sie Ihrer Logik folgen, müssten Sie auch konsequenterweise Fußball von den Sportarten ausnehmen. Denn ein pfeifendes, johlendes Fußballstadion ist ja auch in diesem Sinne eine Einwirkung von außen, die Einfluss nimmt auf den Ausgang des Sportwettkampfs. Ändert das etwas an dem Charakter von Fußball als Sportart? Natürlich nicht.  Im übrigen, haben Sie vielen Dank für Ihre besorgte Nachfrage: Ich kann Ihnen bestätigen, dass ich in meinen eigenen ein paar hundert Schachpartien seit 1980 (viele davon finden Sie im Internet zum Nachspielen) sehr oft unter Form wegen unvorhergesehener Ereignisse am Rande gespielt habe :-)

"Das, was Sie aufzählen, ändert aber nichts an dem Charakter von Schach als Sportart."

Und das habe ich auch nie bestritten, sondern sehe es genau so, mit einigen Differenzierungen allerdings zum Fußball, was die physische Kraft angeht und auch das Laufpensum beim jeweiligen Sport ......

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Naja, m.E. kann eben, was die Definition betrifft, was "Sport" ist und was nicht, das Kriterium der "physischen Kraft" durch das gleichwertige Kriterium der "Konzentration" ersetzt werden. Mit anderen Worten: Beansprucht eine Sportart (z.B. Sportschießen) sehr stark das Kriterium "Konzentration" für sich, ist das im Ergebnis genauso als Sportart zu erachten wie eine Sportart, die das Kriterium "physische Kraft" für sich beansprucht.  

Die Abgrenzung von Sport zu einer Berufsausübung oder einer künstlerischen Tätigkeit fehlt dabei noch, Herr Würdinger, bei den beiden Kriterien "Konzentration" und "physische Kraft".

Was der DOSB darunter versteht:

https://www.dosb.de/de/organisation/was-ist-sport/sportdefinition/

Der Deutsche Schachbund ist nichtolympisch dabei, der Deutsche Motor Sport Bund auch, nicht aber z.B. die Formel 1.

Bei "Sport Definition" hat meine Suchmaschine aber auch diverse andere Treffer noch gebracht.

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...weil es nur auf den von mir vorgelegten Schriftverkehr ankommt und darauf, wie ich ihn verstanden habe.

Das ist schon etwas sehr viel komplizierter, vgl. hier: "Mit Empfängerhorizont wird bei der Auslegung von Willenserklärungen das Verständnis des Empfängers der Willenserklärung bezeichnet. Dabei muss der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und Berücksichtigung der Verkehrssitte auslegen, und darf nicht willkürlich von der ihm günstigsten Auslegung ausgehen.Maßgeblich ist demzufolge, wie die Willenserklärung von einem verständigen Empfänger verstanden worden wäre (=objektiver Empfängerhorizont)."

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Wir schweifen auch etwas ab. Eigentlich geht es um Turnierbridge und nicht um Turnierschach. Von Bridge verstehe ich leider nur sehr wenig, ich habe nur 15 Jahre lang in einer privaten Bridgerunde gespielt, aber nie Turnier-Bridge. Aber ich persönlich habe keinen vernünftigen Zweifel daran, das alles, was ich über Turnierschach geschrieben habe, eins zu eins auch auf Turnierbridge übertragbar ist.

Weil Zufall und Glück im Schach keine Rolle spielen, erfüllt Schach das wichtigste Merkmal für Sport: Gewährleistung der Chancengleichheit. Wenn auch Kartenspiele wie Skat, Poker oder Bridge einen durchaus sportlichen Anspruch an die Denkleistung stellen, die Zufälligkeit der Kartenverteilung spielt eine nicht unerhebliche Rolle für Gewinn oder Verlust eines Spiels.

So z.B. ist "Rentnerschach" ohne Uhr - wie man es aus Kurparks kennt - weder Schach noch Sport.

Am Rande: Was ich mir bezüglich Schach immer noch nicht erklären kann, das ist der große Leistungsunterschied zwischen den Geschlechtern. Denn im Grunde könnte man doch meinen, dass beide Geschlechter für Schach die gleichen Voraussetzungen mitbringen und Schach wie Reitsport gemeinschaftlich ausgeübt werden könnte.

 

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Waldemar R. Kolos schrieb:

 .... die Zufälligkeit der Kartenverteilung spielt eine nicht unerhebliche Rolle für Gewinn oder Verlust eines Spiels.

Bei einem einzigen Spiel ja, aber bei hunderten oder tausenden Kartenspielen kaum mehr nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit.

Das Schachspiel hat bei einem einzigen Spiel diese Chancengleichheit aber auch nicht, der Anzugsvorteil ist vorhanden und "statistisch gesehen gewinnt Weiß in 37 % der Fälle bei menschlichen Partien, bei Computerpartien in etwa bei 40 % der Fälle, während Schwarz etwa 27 % (Mensch) respektive 29 % (Computer) der Partien für sich entscheidet."

(nach WP)

Bei einer geraden Spielezahl beim Schach ist das dann aber ausgeglichen, das u.U. vorhandene psychologische Moment des ersten Sieges bei mehreren Partien bleibt.

 

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Die intensive Diskussion zeigt, wie umstritten der Begriff der "Steuerbegünstigten Zwecke" im Allgemeinen, und des Sports im Besonderen ist.

Da ich wenig neue Argumente für eine Fachdiskussion sehe, darf ich die Diskussion an dieser Stelle schließen.

Bitte sehen Sie von weiteren Kommentaren ab.

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