Mindestlohn für Transitfahrten osteuropäischer LKW-Fahrer?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.05.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|5473 Aufrufe

Ob Lastwagenfahrer aus Polen oder Tschechien, die Deutschland im Transitverkehr durchqueren, für ihre Zeit auf deutschen Autobahnen den deutschen Mindestlohn (derzeit 8,84 Euro) beanspruchen können, ist bekanntlich umstritten. Nach der von der Arbeitsministerin Nahles Anfang 2015 verfügten Interimslösung, werden die Kontrollen durch die staatlichen Behörden zur Überprüfung des Mindestlohngesetzes - begrenzt auf den Bereich des reinen Transits - vorübergehend ausgesetzt. Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Mindestlohngesetz werden nicht eingeleitet. Hintergrund ist, dass nach Ansicht der EU-Kommission das Mindestlohngesetz auf LKW-Fahrer im Transitverkehr nicht angewendet werden darf. In Berlin wird dies indes anders gesehen. In dieser Auseinandersetzung bekommt die Bundesregierung Schützenhilfe aus der Wissenschaft: Ein Gutachten des Hamburger Experten für Internationales Privatrecht Peter Mankowski legt dar, dass die Einwände gegen die Anwendung des Mindestlohngesetzes europarechtlich nicht haltbar seien. Gemeinsame Auftraggeber des Gutachtens sind der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Über die Kernpunkte des Gutachtens berichtet die FAZ in ihrer Online-Ausgabe vom 29.5.2017. Demnach kommt Mankowski zu dem Ergebnis, dass auch auf einer Transitdurchfahrt der betreffende Kraftfahrer in Deutschland tätig wäre. Dies gelte selbst dann, wenn er im Stau stehe. Damit sei die zentrale Voraussetzung für die Anwendung des Mindestlohngesetzes erfüllt. Einen Verstoß die Dienstleistungsfreiheit vermag Mankowski nicht zu erkennen. Gerade der Arbeitnehmerschutz sei ein europarechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund für beschränkende Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit. Nur bei Eingriffen aus rein wirtschaftlichen Gründen sei das eindeutig anders. Zudem habe die EU mit dem Vertrag von Lissabon deutlich gemacht, dass „das soziale Element wesentlich gestärkt und dadurch das starke Primat der Binnenmarktfreiheiten relativiert“ werden solle. Ebenso tritt Mankowski der Auffassung entgegen, die Durchsetzung des Mindestlohns sei für Transitfahrten unverhältnismäßig, weil sie nur eine sehr kurze Tätigkeit in Deutschland betreffe. Für die osteuropäischen Spediteure bildeten häufige Durchfahrten einen wichtigen Teil ihrer Gesamttätigkeit. Im Ergebnis verstießen damit weder der Mindestlohn noch der zugehörige Bürokratieaufwand bei Transitfahrten gegen EU-Recht, so Mankowski.

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1 Kommentar

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 Für mich klingt das so, als seien die Argumente überzeugend. Bin mir aber sicher, dass aus wirtschaftlichen Gründen dieses Gutachten zu keiner Veränderung führen wird.  Wo kämen wir denn dahin? 

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