Sachverhalt ändert sich so langsam im HVT....und wird zu anderer Tat!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.06.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|2828 Aufrufe

Der BGH hatte sich einmal wieder mit dem Tatbegriff zu befassen. Es ging um eine angeklagte Tat, deren Lebenssachverhalt sich im Rahmen des HVT wandelte. Der BGH hat da festgestellt, dass es sich bei der Tat, die letztlich zur Verurtelung führte nicht mehr um die angeklagte Tat handelte. Hier die Ausführungen zum Tatbegriff, die allgemeine Geltung haben:

Gegenstand der Urteilsfindung ist nur die in der Anklage bezeichnete Tat
im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings hat das Gericht die angeklagte Tat
im verfahrensrechtlichen Sinne erschöpfend abzuurteilen; zur Tat in diesem
Sinne gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch
die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung
einen einheitlichen Vorgang darstellt. In diesem Rahmen muss das Tatgericht
seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken, die erst in der
Hauptverhandlung bekannt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. November
2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68; Beschlüsse vom 27. November
2011 – 3 StR 255/11, NStZ 2012, 168, 169; vom 10. November 2008 – 3 StR
433/08, NStZ-RR 2009, 146, 147). Diese Umgestaltung der Strafklage darf aber
nicht dazu führen, dass die Identität der von der Anklage umfassten Tat nicht
mehr gewahrt ist, weil das ihr zugrunde liegende Geschehen durch ein anderes
ersetzt wird (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 375/08, juris Rn. 8).

BGH, Beschluss vom 29.3.2017 - 4 StR 516/16 

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2 Kommentare

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Aus Erfahrung weiß ich, dass Referendare Mühe haben, den Begriff und den Umfang der "prozessualen Tat" zu erlernen. Auch wenn es erstaunen mag, dass auch Strafrichter damit noch ihre Mühen haben, ist es dennoch eine befriedigende Genugtuung, dass er auch dort nicht immer richtig verstanden wird.

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Ich habe mir die Entscheidung mal angesehen. Für einen Nichtstrafprozessrechtler ist kaum nachvollziehbar, dass die zeitlich noch halbwegs nahe am Anklagevorwurf liegende Tat nicht zur prozessualen Tat gehören soll, die ca. einen Monat später liegende Tat aber erfasst sein soll. Aber das deutsche Strafprozessrecht ist ohnehin absurd... Soviel Umständlichkeit gibt es sonst nirgendwo. Die ganze Welt lacht über unsere jahrelangen Strafprozesse (und unsere Bauten wie den BER).

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