BAG zur Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.06.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3858 Aufrufe

§ 613a Abs. 5 BGB verpflichtet den bisherigen Inhaber oder den Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils dazu, die von dem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu informieren. Die Reichweite dieser Unterrichtungspflicht ist bereits Gegenstand zahlreicher rechtlicher Auseinandersetzungen gewesen. Sie ist auch deshalb so bedeutsam, weil die Monatsfrist, innerhalb derer der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang widersprechen kann (§ 613a Abs. 6 BGB) erst mit vollständiger und fehlerfreier Unterrichtung beginnt.

Da im Anschluss an einen Betriebsübergang nicht selten Rationalisierungsmaßnahmen stattfinden, ist mit Blick auf den dann ggf. fälligen Sozialplan (§ 112 BetrVG) die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebserwerbers für die Arbeitnehmer natürlich von besonderem Interesse. Über sie muss aber - von Ausnahmefällen abgesehen - grundsätzlich nicht informiert werden.

Sehr wohl aber sind die Arbeitnehmer im Rahmen der "rechtlichen Folgen" über § 112a Abs. 2 BetrVG aufzuklären, der die Erzwingbarkeit von Sozialplänen bei neu gegründeten Unternehmen in den ersten vier Jahren ihres Bestehens ausschließt. Fehlt dieser Hinweis, ist die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB fehlerhaft. Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB beginnt nicht zu laufen. Allerdings wird dieser Fehler nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist des § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG geheilt, da er dann nicht mehr kausal für den unterbliebenen Widerspruch sein kann:

1. Eine fehlende Information über die Sozialplanprivilegierung nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG des neuen Inhabers führt dazu, dass die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Lauf gesetzt wird.

2. Mit dem Ablauf des Privilegierungszeitraums von vier Jahren seit der Gründung des neuen Inhabers ist dieser Fehler in der Unterrichtung kraft Gesetzes geheilt. Zu diesem Zeitpunkt beginnt im Hinblick auf diesen Unterrichtungsfehler entsprechend § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB eine Widerspruchsfrist von einem Monat zu laufen.

BAG, Urt. vom 15.12.2016 - 8 AZR 612/15, BeckRS 2016, 121082

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