Eichschein bekommen und immer noch nicht zufrieden: Verfahrensrüge ist schwer!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.06.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2501 Aufrufe

Na ja. Der Verteidiger bekam im HVT einen Eichschein in der Akte vorgelegt und erhielt 15 Minuten Gelegenheit hierin Einsicht zu nehmen. Und dazu noch einen Schulungsausweis. Wer derartige Unterlagen kennt, der weiß, dass sie eher übersichtlich sind. Trotzdem wollte der Verteidiger eine Aussetzung der Hauptverhandlung, um das einem Sachverständigen vorzulegen. Keine Ahnung warum. Der Verteidger wollte im Anschluss nach Verurteilung des Betroffenen mit der Verfahrensrüge gegen das Urteil vorgehen. Klappte aber nicht, weil er die Verfahrensrüge nicht "auf die Kette bekam" (und zu allem Überfluss auch noch die allgemeine Sachrüge wohl vergessen hat!):

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 170 Euro festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er beanstandet, dass die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt worden sei.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da die auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 338 Nr. 8 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist.

1.

Der Verfahrensrüge liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:

Dem Verteidiger war im August 2015 durch die Bußgeldbehörde Akteneinsicht gewährt worden. Der Eichschein zu der verwendeten Verkehrsüberwachungsanlage ProVida 2000 Modular gelangte erst danach zu den Akten. Die Schulungsnachweise reichte der als Zeuge geladene Messbeamte im Hauptverhandlungstermin vom 3. Februar 2017 zu den Akten.

Daraufhin beantragte der Verteidiger, die Hauptverhandlung auszusetzen und ihm ergänzende Akteneinsicht zu gewähren.

Das Amtsgericht unterbrach die Sitzung für 15 Minuten und gab dem Verteidiger Gelegenheit zur ergänzenden Akteneinsicht.

Nach dieser Unterbrechung lehnte das Amtsgericht den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung ab.

Ein Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung zwecks Einziehung von Erkundigungen wurde nach Erhalt der ergänzenden Akteneinsicht von dem Verteidiger nicht gestellt.

In der Begründungsschrift hat er zur Frage einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung ausgeführt:

„Nach Auffassung des Unterzeichners war die 15-minütige Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht ausreichend. So bestand für die Verteidigung keine Möglichkeit, Eichschein und Schulungsnachweis einem Sachverständigen zugänglich zu machen. Die eigene Sachkunde des Unterzeichners reicht für die Beurteilung der Richtigkeit der fehlenden Akteninhalte regelmäßig nicht. Hierin liegt eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung, § 338 Nr. 8 StPO, § 238 Abs. 2 StPO, auf der das Urteil beruht.“

2.

Betrifft die Rüge der Beschränkung der Verteidigung eine nur unvollständige Akteneinsicht, so muss die konkrete kausale Beziehung zwischen diesem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt dargelegt werden (vgl. BGH NJW 1981, 2267; NStZ-RR 2004, 50). Daran fehlt es hier. Konkrete Einwände gegen die Richtigkeit des Eichscheins und der Schulungsnachweise werden auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht vorgebracht.

Im Übrigen hatte der Verteidiger die ergänzende Akteneinsicht bereits vor dem Beschluss des Amtsgerichts, durch den der Aussetzungsantrag abgelehnt wurde, erhalten. Während der Unterbrechung der Hauptverhandlung für 15 Minuten bestand für den Verteidiger hinreichend Gelegenheit, den Inhalt des Eichscheins (zwei Seiten) und der Schulungsnachweise (vier jeweils nur einen kurzen Text enthaltende Seiten) zur Kenntnis zu nehmen. Damit war der Antrag auf ergänzende Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 147 Abs. 1 StPO) erledigt. Ob der Verteidiger auch Ablichtungen dieser Unterlagen gewünscht und ggf. erhalten hat, wird in der Begründungschrift nicht mitgeteilt.

Tatsächlich zielt das Rügevorbringen darauf ab, dass keine Gelegenheit bestanden habe, den Eichschein und die Schulungsnachweise vor dem Urteil einem (privaten) Sachverständigen zur Prüfung vorzulegen.

Diese Zielrichtung des Rechtsmittels betrifft indes nicht eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung mangels ausreichender Akteneinsicht, sondern eine solche Beschränkung mangels Gelegenheit zur Einziehung von Erkundigungen bei verspäteter Vorlage von Beweismitteln (§ 71 Abs. 1 OWiG, §§ 246 Abs. 2, 338 Nr. 8 StPO).

Ein Verstoß gegen § 246 Abs. 2 StPO kann indes nur dann mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden, wenn in der Hauptverhandlung ein darauf gestützter Aussetzungsantrag gestellt worden ist (vgl. Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 246 Rdn. 24; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 246 Rdn. 12; Trüg/Habetha in: MünchKomm, StPO, 1. Aufl., § 246 Rdn. 21).

Daran fehlt es hier. Der Verteidiger wäre gehalten gewesen, in der Hauptverhandlung (auch) einen Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2 StPO zu stellen. Der lediglich zwecks ergänzender Akteneinsicht gestellte Aussetzungsantrag war durch die Gewährung der beantragten Akteneinsicht überholt und bietet keine Grundlage, um die mangelnde Gelegenheit zur Einziehung von Erkundigungen mit der Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise rügen zu können.

Im Übrigen fehlt jegliche Darlegung, welches konkrete verfahrenserhebliche Ergebnis die Befragung eines (privaten) Sachverständigen mit Blick auf den Eichschein und die Schulungsnachweise erbracht hätte.

3.

Die Sachrüge ist nicht erhoben worden.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2017 - IV-2 RBs 79/17

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"Trotzdem wollte der Verteidiger eine Aussetzung der Hauptverhandlung, um das einem Sachverständigen vorzulegen. Keine Ahnung warum."

Wirklich nicht...?

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