OLG München: Zur Zwangseinziehung von Aktien

von Dr. Michael Weiß, veröffentlicht am 16.06.2017

Das OLG München hat mit erst jetzt veröffentlichtem Urteil vom 17. März 2016 (Az. 23 U 3572/15) zu den Voraussetzungen eines Aktionärsausschlusses durch Zwangseinziehung von Aktien nach § 237 AktG Stellung genommen. Dabei hat es sich auch zur Übertragbarkeit der GmbH-rechtlichen Grundsätze über Zwangsausschluss und Einziehungsentgelt auf die AG geäußert.

Nach der Satzung der beklagten Gesellschaft – einer nichtbörsennotierten AG mit wenigen, in der Gesellschaft unternehmerisch tätigen Aktionären – sollte die Zwangseinziehung von Aktien u.a. bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des betroffenen Aktionärs gestattet sein. In einer satzungsergänzenden Nebenabrede vereinbarten die Aktionäre, dass ein wichtiger Grund für die satzungsmäßige Zwangseinziehung (auch) dann gegeben sein solle, wenn ein Aktionär aus der von der Beklagten geleiteten Unternehmensgruppe ausscheide. Auf dieser Grundlage beschloss die Hauptversammlung, die Aktien einiger Aktionäre gegen ein auf den dreifachen Nennwert beschränktes Entgelt einzuziehen. Die betroffenen Aktionäre wendeten sich per Beschlussmängelklage gegen die Gültigkeit der Beschlüsse.

In seiner Entscheidung bejaht das OLG München die Wirksamkeit des Ausschlusses und bestätigt damit seinen vorangegangenen Freigabebeschluss vom 26. März 2015 (Az. 23 AktG 1/15 – http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-10821).

Ein Ausschluss aus wichtigem, in der Person des Aktionärs liegendem Grund sei insbesondere in einer personalistisch geprägten AG als ultima ratio statthaft. Wann ein wichtiger Grund vorliege, müsse nicht zwingend in der Satzung selbst geregelt werden.

Dies gilt nach Ansicht des Senats grundsätzlich auch unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung für GmbHs entwickelten Grundsätze über freie Hinauskündigungsklauseln. Denn bei personalistischen, auf die Mitarbeit aller Gesellschafter ausgerichteten Gesellschaften könne es sachlich gerechtfertigt sein, das Ende der Mitarbeit zum Anlass zu nehmen, um den betreffenden Gesellschafter per Zwangsausschluss auch nicht mehr am künftigen Erfolg des Unternehmens zu beteiligen.

Die Höhe des Einziehungsentgelts müsse nicht in der Satzung festgesetzt sein. Es müsste jedoch angemessen sein. Die Angemessenheit des Entgelts ergebe sich aus einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur GmbH entwickelten Grundsätze, nach denen die Abfindung ausgeschlossener Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt werden könne und hierfür insbesondere zwischen mitunternehmerisch geprägten Gesellschaften und größeren Anlagegesellschaften zu differenzieren sei, seien auf die AG übertragbar.

Die Begrenzung des Einziehungsentgelts auf den dreifachen Nennwert (im Gegensatz zum höheren Verkehrswert) sei daher bei einer personalistisch geprägten AG zulässig.

Die klaren Äußerungen des Gerichts über die allgemeine Zulässigkeit eines Zwangsausschlusses in der personalistisch geprägten AG und die Möglichkeit, hierfür auf die etablierten GmbH-rechtlichen Leitlinien zurückzugreifen, sind zu begrüßen. Bei der typischen Publikums-AG wird ein Zwangsausschluss jedoch in aller Regel weiterhin abzulehnen sein.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen