OVG Münster: Anlasslose Vorratsdatenspeichung vorerst gestoppt - wie geht es weiter?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 22.06.2017

Erleichterung bei vielen Datenschützern: Das OVG NRW hat aufgrund des Eilantrags mit Beschluss vom heutigen Tag (13 B 238/17) die zum 01.07.2017 in Kraft tretende Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung gestoppt. Die betrifft die im Dezember 2015 gesetzlich eingeführte und ab dem 1.07.2017 zu beachtende Pflicht für die Erbringer öffentlich zugänglicher TK-Dienste, die bei der Nutzung von Telefon- und Internetdiensten anfallenden Verkehrs- und Standortdaten ihrer Nutzer für eine begrenzte Zeit von 10 bzw. – im Fall von Standortdaten – 4 Wochen auf Vorrat zu speichern, damit sie im Bedarfsfall den zuständigen Behörden etwa zur Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden können, ist mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Hintergrund:

Die Antragstellerin ist ein IT-Unternehmen aus München, das u.a. Internetzugangsleistungen für Geschäftskunden in Deutschland und in anderen EU-Mitgliedstaaten erbringt, hatte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht Köln gewandt, um der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung vorläufig bis zur Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Klage nicht nachkommen zu müssen. Diesen Antrag hatte das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde der Antragstellerin hat das OVG nunmehr stattgegeben.

Begründung des OVG:

Die Speicherpflicht sei in der Folge  des EuGH-Urteils vom 21.12. 2016 – C-203/15 und C-698/15 – jedenfalls in ihren gegenwärtigen Ausgestaltung - nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vom 12. Juli 2002 vereinbar. Die Speicherpflicht erfasse pauschal die Verkehrs- und Standortdaten nahezu alle Nutzer von Telefon- und Internetdiensten. Erforderlich seien aber nach Maßgabe des Gerichtshofs jedenfalls Regelungen, die den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränkten, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies könne etwa durch personelle, zeitliche oder geographische Kriterien geschehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs könne die anlasslose Speicherung von Daten insbesondere nicht dadurch kompensiert werden, dass die Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch ergriffen würden.

Was meinen Sie, wie geht es jetzt weiter? Angesichts der o.g. EuGH-Entscheidung kommt der Beschluss  nicht sehr überraschend. Ein Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung ist beim Bundesverfassungsgericht anhängig, dieses Jahr gibt es aber voraussichtlich keine Entscheidung mehr darüber. Haben die deutschen Ministerien einen „Plan B“ in der Tasche - der Druck der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden für die Speicherung dieser Verkehrsdaten lässt ja nicht nach.

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6 Kommentare

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Kleines Update: Nach meinen Informationen haben mehrere Betroffene dringende Anfragen bei der BNetzA und beim BSI eingereicht, wie sie jetzt hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung verfahren sollen, da der OVG-Beschluss naturgemäß nur zwischen den betroffenen Parteien gilt.

Ich höre, dass die BNetzA kurzfristig (noch heute oder morgen) eine Pressemitteilung mit Details herausgeben wird, wie sie weiter verfahren will.

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Danke. Hier der Text die BNetzA-Mitteilung zur Vorratsdatenspeicherung:

Mitteilung zur Speicherverpflichtung nach § 113b TKG
 
Die Erbringer öffentlich zugänglicher Telefondienste und Internetzugangsdienste sind gemäß § 113b TKG zur Speicherung der dort genannten Verkehrsdaten ab dem 01.07.2017 von Gesetzes wegen verpflichtet.
 
Mit Beschluss vom 22.06.2017 hat das Oberwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt, dass der klagende Internetzugangsdiensteanbieter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten zu speichern (Az. 13 B 238/17). Aufgrund dieser Entscheidung und ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Begründung sieht die Bundesnetzagentur bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113b TKG geregelten Speicherverpflichtungen gegenüber allen verpflichteten Unternehmen ab. Bis dahin werden auch keine Bußgeldverfahren wegen einer nicht erfolgten Umsetzung gegen die verpflichteten Unternehmen eingeleitet.

Anmerkung: Da sich die Mitteilung auf alle der in § 113b TKG genannten Verpflichtungen bezieht, sind sowohl Internetzugangsdienste als auch klassische Telefondienste von der Handhabung der Behörde erfasst. Das Verfahren vor dem OVG NRW hatte sich dagegen nur mit einen Internzugangsanbieter befasst.

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