Kostenlose Beförderung des Ehegatten durch ein Unternehmen des ÖPNV als Leistung der betrieblichen Altersversorgung?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.06.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2761 Aufrufe

Die kostenlose Beförderung von Familienangehörigen des Arbeitnehmers durch ein Unternehmen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs kann eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung darstellen und daher nicht durch ablösende Betriebsvereinbarung eingestellt werden. Das hat das LAG Düsseldorf entschieden.

Der Kläger ist seit 1977 als Busfahrer bei der Essener Verkehrs-AG (EVAG) beschäftigt, die in der Ruhrgebietsstadt den Öffentlichen Personen-Nahverkehr betreibt. Seit Dezember 2013 befindet er sich in der sog. Passivphase der Altersteilzeit. Jedenfalls seit 1958 gewährte die EVAG nicht nur allen Arbeitnehmern und Betriebsrentnern, sondern auch deren Ehepartnern unentgeltlich eine Monatskarte, seit 1991 auf Basis einer Betriebsvereinbarung das „Ticket 1000“ bzw. „Ticket 2000“ des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Zum 1.1.2016 schloss die EVAG mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung ab (BV 2016). Diese beinhaltet keine kostenlose Beförderung der Ehegatten mehr.

Der Kläger verlangt, ihm die Monatskarte für seine Ehefrau weiterhin kostenlos zu gewähren.

Seine Klage hatte vor dem LAG Düsseldorf teilweise Erfolg: Soweit die kostenlose Beförderung an Ehegatten von Arbeitnehmern gewährt wurde, hat allerdings die BV 2016 die früheren Vereinbarungen ersetzt. Die BV 2016 hat die BV 1991 und die aus dem Jahre 1958 stammenden Richtlinien der EVAG vollständig abgelöst. Dem Kläger steht daher bis zur Beendigung der Passivphase seiner Altersteilzeit der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Ab Beginn des Ruhestandes, zu dem der Kläger auch eine Betriebsrente beanspruchen kann, handelt es sich bei der kostenlosen Beförderung allerdings um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Diese ist nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit besonders geschützt; der Anspruch auf sie konnte nicht mehr durch die BV 2016 aufgehoben werden. Der Kläger kann daher ab Betriebsrentenbeginn (1.12.2018) das zuletzt von dieser bis zum 31.12.2015 bezogene Ticket 1000 Preisstufe D des VRR verlangen, solange die Eheleute verheiratet sind und im gleichen Haushalt leben.

Die Revision wurde zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2017 – 6 Sa 173/17, Pressemitteilung hier

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen