Die Ehe für alle steht auf dem Boden des Grundgesetzes

von Prof. Dr. Hubertus Gersdorf, veröffentlicht am 03.07.2017
Rechtsgebiete: Öffentliches RechtStaatsrecht219|42054 Aufrufe

Am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag die Einführung der Ehe für alle durch Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches beschlossen. Während die Ehe bislang im BGB nicht definiert war, lautet die vom Bundestag beschlossene Definition der Ehe nun: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Dadurch ist es auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich zu heiraten.

Der subjektive Wille des Verfassungsgebers zur damaligen Zeit ist nicht maßgeblich

Die Einführung der Ehe für alle ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen die Ehe und die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, ohne dass sie dort definiert sind. Zwar dürfte der Verfassungsgeber als Ehe die Gemeinschaft von Mann und Frau vor Augen gehabt haben, weil zur damaligen Zeit gleichgeschlechtliche Beziehungen weder gesellschaftlich noch gesetzlich akzeptiert waren. Männliche Homosexualität war zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes noch strafbewehrt. Jedoch ist der subjektive Wille des Verfassungsgebers dann nicht maßgeblich, wenn er sich nicht in der Norm, d.h. nicht objektiv niedergeschlagen hat: Weder dem (insoweit indifferenten) Wortlaut noch der Systematik sowie Sinn und Zweck lassen sich entnehmen, dass mit Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG nur die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau gemeint ist (vgl. hierzu noch sogleich). Dass dem subjektiven Willen des (Verfassungs-)Gesetzgebers für sich genommen keine (entscheidende) norminterpretierende Bedeutung zukommt, gilt in Sonderheit für ein normgeprägtes Grundrecht wie das Ehegrundrecht. Im Gegensatz zu natürlichen Freiheiten gibt es die Ehe im Naturzustand nicht. Ehe ist ein Rechtsinstitut, das vom Gesetzgeber erst geschaffen und ausgestaltet werden muss. Im Rahmen der Ausgestaltung des Ehegrundrechts ist der Gesetzgeber nicht an die Werte und Moralvorstellungen gebunden, die in der Geburtsstunde des Grundgesetzes herrschten. Vielmehr ist der Ausgestaltungsauftrag des Gesetzgebers dynamisch und entwicklungsoffen, d.h., offen auch für Veränderungen der gesellschaftlichen Anschauungen und Werte. Während früher die Strafbarkeit von Homosexualität für zulässig erachtet wurde, sieht man heute hierin einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Diesen Wandel darf der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung normgeprägter Grundrechte wie des Ehegrundrechts berücksichtigen. Dies hat nichts mit einem Verfassungswandel, sondern mit der Offenheit der Verfassung für gesellschaftlichen Wandel zu tun, auf den der Gesetzgeber reagieren darf. Der Verfassungsbegriff „Ehe“ wandelt sich nicht eo ipso. Er bedarf der Ausformung und Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Erst wenn der Gesetzgeber in Wahrnehmung seines Ausgestaltungsauftrages den Begriff „Ehe“ neu definiert, wandelt sich die Verfassung. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist Ausdruck des Regelungsspielraums, den der Gesetzgeber beim normgeprägten Ehegrundrecht besitzt.

Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG

Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Ehegrundrechts an die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG gebunden. Inhalt und Kontur der Institutsgarantie bedürfen indes einer Radizierung in Wortlaut, Systematik oder Telos des Ehegrundrechts. Sie darf nicht hiervon losgelöst im Gewande des Verfassungsrechts daherkommen, hinter dem sich letztlich die rein politische Grundüberzeugung des Verfassungsinterpreten verbirgt. Dass das Ehegrundrecht der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau exklusiv vorbehalten ist, lässt sich Art. 6 Abs. 1 GG nicht entnehmen und ist mithin auch nicht Bestandteil des institutionellen Gehalts des Ehegrundrechts.

Systematischer Zusammenhang zwischen Ehe und Familie?

Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ehe für alle spricht auch nicht, dass Art. 6 Grundgesetz Ehe und Familie „in einem Atemzug“ nennt. Die Ehe ist keine Vorstufe der Familie. „Wesensmerkmal“ der Ehe ist nicht die tatsächliche oder potenzielle Fortpflanzungsfähigkeit des Ehepaars. Andernfalls dürften – um nur ein (Gegen-)Beispiel zu nennen – hochbetagte Paare nicht heiraten. Vielmehr handelt es sich bei der Ehe „und“ der Familie in Art. 6 Grundgesetz um zwei verschiedene, voneinander entkoppelte Institute, denen jeweils unterschiedliche Funktionen zu eigen sind. Dementsprechend ist auch anerkannt, dass eine Familie keine Ehe voraussetzt. So bilden nicht verheiratete Paare mit Kind, Alleinerziehende mit Kind und gleichgeschlechtliche Paare mit (Adoptiv- oder Stief-)Kind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Familie. Ebenso wenig wie die Familie eine Ehe voraussetzt, ist die Ehe eine Vorstufe zur Familie.

Sinn und Zweck: Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft

Nach Art. 6 Abs. 1 GG steht die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser besondere Schutzauftrag hat seinen spezifischen Grund darin, dass die Ehe eine Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft ist. Eheleute geben wechselseitig das – recht­lich bindende – Versprechen, „in guten wie in schlechten Zeiten“ für den anderen da und verantwortlich zu sein. Dieses Versprechen ist nicht an die Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheleute gebunden: Auch gleichgeschlechtliche Paare können sich zu einer Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft zusammenfinden.

Und ein letztes:

Soweit das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau bezeichnet hat, hat es dies nicht im Kontext einer Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Paare getan. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsbegriff der Ehe bislang nicht exklusiv als Verbindung von Mann und Frau gedeutet.

Fazit:

Die Ehe für alle wird einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch den Gesetzgeber nimmt einen gesellschaftlichen Wertewandel auf. Hierzu war der Gesetzgeber berechtigt, weil das Ehegrundrecht ein normgeprägtes Grundrecht ist, bei dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber einen weiten Spielraum hat.

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219 Kommentare

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Gast schrieb:

Die Zeugung von Kindern ist K E I N wesentliches Ehemerkmal.

 

Selbstverständlich ist sie das. Die Zeugung von Kindern gehört zu dem außerrechtlichen Ordnungskern (BVerfG) der Ehe und Familie, der dem Zugriff des einfachen Gesetzgebers entzogen ist. Ein gesetzliches Zeugungsverbot oder eine Reglementierung der zulässigen Anzahl an Kindern wäre mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie nicht vereinbar. Die Zeugung von Kindern ist das natürliche Recht der Eheleute.

Die Zeugung von Kindern und Erben war schon immer (und ist immer noch) der Hauptzweck der Ehe. Denn nur eheliche Kinder konnten Erben werden. Dieses Gewohnheitsrecht - wie ich schon erwähnt habe - wurde als positives Recht im Allgemeinen Landrecht für Preußen von 1794 festgeschrieben ("ZWEYTER THEIL - Erster Titel -Von der Ehe"):

"§. 1. Der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung der Kinder."

Es war und ist immer noch nicht selten so, dass sogar erst die Zeugung eines Kindes die Eltern veranlasst, die Ehe miteinander einzugehen.

Die breite Zustimmung in der Öffentlichkeit zur Einführung der Ehe für alle wurde durch Täuschung erlangt, indem immer wieder zugesichert wurde, dass der gleichgeschlechtlichen Ehe dadurch nichts weggenommen werde. Wie die hiesige Diskussion zeigt, wurde ihr aber etwas sehr Wesentliches genommen, und zwar der besondere Schutz und das natürliche Recht der Kinderzeugung. Das geschah mit den Mitteln, mit denen man die einfachgesetzliche Einführung der Ehe für alle zu rechtfertigen sucht. Die Befürworter leugnen einfach den besonderen Schutz und das natürliche Recht der Kinderzeugung in der Ehe. Professor Gersdorf spricht der Ehe gar die außerrechtliche Lebensordnung im Naturzustand schlicht ab. Dies hätte zur Konsequenz, dass dem einfachen Gesetzgeber danach tatsächlich möglich wäre, Zeugungsverbote oder Reglementierung der zulässigen Anzahl an Kindern zu beschließen ohne in den besonderen Schutzbereich von Ehe und Familie einzugreifen.

Über Jahrhunderte wurde die Ehe durch Beischlaf in der Hochzeitsnacht auf natürliche und formelle Weise geschlossen, wie man das schon aus dem Sachsenspiegel entnehmen kann. Erst in der Paulskirchenverfassung kam die Forderung auf, die Ehe allein durch Vollziehung eines "Civilaktes" zu schließen. Umgesetzt wurde diese Forderung erst im BGB von 1896, das seit 1900 in Kraft ist. Das BGB ist vorkonstitutionelles Recht und musste an Art. 123 GG ("Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht.") gemessen werden, so dass die Ehe heute nicht das ist, was sie mal war, und das ist gut so. Dadurch, dass sie allein durch Vollziehung eines Zivilaktes geschlossen wird, lässt ihre außerrechtliche Lebensordnung im Naturzustand nicht schutzlos entfallen. Vielmehr ist dieser Bereich nach der Rechtsprechung des BVerfG vor dem Zugriff des Gesetzgebers verfassungsrechtlich geschützt. Die außerrechtliche Lebensordnung im Naturzustand der Ehe und Familie und ihr Fortpflanzungsmerkmal zu leugnen ist so wie den Klimawandel zu leugnen.

Mir wurde hier schon vorgeworfen, ich würde nicht zeitgemäß argumentieren, meine Position sei einfach aus der Zeit gefallen und würde nur so von Homophobie strotzen. Das ist ganz typisch für die Befürworter. Gleichwohl verstehe ich sie sehr gut. Ich habe meine Position ausgiebig mit der Rechtsprechung des BVerfG begründet und gezeigt, dass sie konsistent und zeitgemäß ist. Ihr Rechtsgefühl sagt ihnen etwas anderes. Begründen können sie das aber nicht. Und das, was sie begründen, lässt sich verhältnismäßig leicht widerlegen. Was bleibt ihnen schon übrig, als meiner Position, die ich ganz gewiss nicht allein vertrete, unbegründete Vorwürfe zu machen.

Das BVerfG hat einen schönen und klaren Satz formuliert, der an die Adresse der Befürworter gerichtet ist (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>): "Dieser Ordnungskern der Institute ist für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar." Also das Argument mit dem gesellschaftlichen Wandel des allgemeinen Rechtsgefühls und Rechtsbewußtseins sollte man knicken.

 

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Zwischen Ehe und Zeugung von Kindern gibt es keinen konstitutionellen Zusammenhang. Ihre gesamte Argumentation bezieht sich auf Zeiten, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes liegen. Wenn Sie von "Ehe und Familie" sprechen, dann trifft der Zusammenhang mit Kindern allein auf "Familie" zu, aber eben nicht -und zwar wirklich in keiner Weise- auf "Ehe".

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 21.07.20101 BvR 611-07, 2464/07 -  eine strenge Gleichheitsprüfung in den Fällen gefordert, in denen der Gesetzgeber eine mit der sexuellen Orientierung von Personen zusammenhängende Differenzierung vornimmt. Die Entscheidung des Einzelnen für eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft sei kaum trennbar mit seiner sexuellen Orientierung verbunden. Von Bestimmungen, die die Rechte und Pflichten eingetragener Lebenspartner regeln, würden typischerweise homosexuelle Menschen erfasst, und von solchen, die die Rechte und Pflichten von Ehegatten regeln, heterosexuelle Menschen. Da damit die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Erbschaftsteuerrecht in Anknüpfung an die sexuelle Orientierung erfolgen könne, bedürfe es hinreichend gewichtiger Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft, um die konkrete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Für die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten bestünden indessen keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie die erhebliche Benachteiligung der Lebenspartner im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung nach dem Jahressteuergesetz 1997 rechtfertigen könnten. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass grundsätzlich nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen könnten.

Das BVerfG hat im Beschluss vom 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 ausgeführt: "Auch in dieser Hinsicht ergeben sich keine die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede zwischen Versicherten der VBL, die verheiratet sind, und solchen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Für die insoweit zulässige und gebotene Differenzierung nach unterschiedlichen Bedarfssituationen ist die Anknüpfung daran, ob der Versicherte in einer Ehe oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, weder geeignet noch erforderlich.

Aus dem Familienstand des Versicherten lässt sich kein typischer Unterhaltsbedarf des Hinterbliebenen ableiten. Die Unterhaltspflichten innerhalb von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften sind weitgehend identisch geregelt, so dass der Unterhaltsbedarf eines Unterhaltsberechtigten und die bei Versterben eines Unterhaltspflichtigen entstehende Unterhaltslücke nach gleichen Maßstäben zu bemessen sind. Zwar kann der konkrete Bedarf je nach der persönlichen Situation des Unterhaltsberechtigten unterschiedlich sein. Er hängt von seinen jeweiligen Lebensumständen und der persönlichen Erwerbsbiographie ab. Es gibt indes keine verallgemeinerungsfähigen Unterschiede bei der Feststellung von Unterhaltsbedürftigkeit bei hinterbliebenen Ehepartnern und hinterbliebenen Lebenspartnern.

Ein Grund für die Unterscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft kann nicht mit dem Bundesgerichtshof darin gesehen werden, dass typischerweise bei Eheleuten wegen Lücken in der Erwerbsbiographie aufgrund von Kindererziehung ein anderer Versorgungsbedarf bestünde als bei Lebenspartnern (so aber auch: BVerwGE 129, 129 <134>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 -, NJW 2008, S. 2325 zum beamtenrechtlichen Familienzuschlag). Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet. Ebenso wenig kann unterstellt werden, dass in Ehen eine Rollenverteilung besteht, bei der einer der beiden Ehegatten deutlich weniger berufsorientiert wäre. Bei der Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Bundesverfassungsgericht die Orientierung an einer typisierten Normalehe mit einem Versorger und einem Haushälter schon im Jahr 1975 im Zweiten Witwerrentenurteil (BVerfGE 39, 169 <187-195>) für nicht mehr mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar gehalten. Das in der gesellschaftlichen Realität nicht mehr typusprägende Bild der „Versorgerehe“, in der der eine Ehepartner den anderen unterhält, kann demzufolge nicht mehr als Maßstab der Zuweisung von Hinterbliebenenleistungen dienen. Die Ehe kann nicht mehr auf eine bestimmte Rollenverteilung festgelegt werden. Vielmehr entspricht es dem Recht der Ehegatten aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG, über die Art und Weise ihres ehelichen Zusammenlebens in gleichberechtigter Weise selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>; 105, 313 <345>).

Umgekehrt ist in eingetragenen Lebenspartnerschaften eine Rollenverteilung dergestalt, dass der eine Teil eher auf den Beruf und der andere eher auf den häuslichen Bereich einschließlich der Kinderbetreuung ausgerichtet ist, ebenfalls nicht auszuschließen. In zahlreichen eingetragenen Lebenspartnerschaften leben Kinder, insbesondere in solchen von Frauen. Darauf hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule und Lesbische Paare e.V. in ihrer Stellungnahme hingewiesen. Nach einer Studie des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg leben geschätzt etwa 2.200 Kinder in Deutschland, die in den derzeit rund 13.000 eingetragenen Lebenspartnerschaften aufwachsen (Rupp/Bergold, in: Rupp, Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, S. 282). Dieser tatsächliche Befund ist unabhängig von der bisher auf die Stiefkindadoption beschränkten Möglichkeit einer gemeinsamen rechtlichen Elternschaft. Damit liegt der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften zwar weit unter dem von Ehepaaren, ist jedoch keineswegs vernachlässigbar. Der Gesetzgeber hat dieser Realität durch die verschiedenen in § 9 LPartG enthaltenen Regelungen in Bezug auf Kinder eines Lebenspartners Rechnung getragen (vgl. auch BAG, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07 -, NZA 2009, S. 489 <493>). Vergleichbar zur Ehe können auch in Lebenspartnerschaften Ausgestaltungen der Gemeinschaftsbeziehung gelebt werden, die bei einem Partner einen erhöhten Versorgungsbedarf bedingen. Eine Ausgestaltung der Hinterbliebenenrente, die Lebenspartner ausschließt, lässt dies außer Acht. Die Ungleichbehandlung von Ehe- und Lebenspartnern bei der Hinterbliebenenversorgung trifft deshalb gerade diejenigen überlebenden Partner einer Lebenspartnerschaft besonders hart, die - zum Beispiel wegen Kindererziehung oder weil der verstorbene Partner den Hauptteil der Kosten in der Versorgungsgemeinschaft bestritten hat - in einer vergleichbaren Situation sind wie Ehegatten mit einem erhöhten Versorgungsbedarf.

Die Privilegierung der Ehe in der Hinterbliebenenrente wegen vermuteter Rücksicht auf einen typischerweise hier in besonderem Maße aus Gründen der Kindererziehung auftretenden Versorgungsbedarf ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil etwaige Kindererziehungszeiten oder ein sonstiger individueller Versorgungsbedarf unabhängig vom Familienstand konkreter berücksichtigt werden können, wie es sowohl im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der Satzung der VBL bereits erfolgt ist."

Aus den neueren Entscheidungen geht ziemlich deutlich hervor, dass das BVerfG eine unterschiedliche Behandlung von in rechtlich verbindlichen Dauerbeziehungen lebenden Paaren wegen ihrer sexuellen Orientierung ablehnt. Die Auffassung,  die Verfassung gebiete im Hinblick auf die sexuelle Orientierung so eine Art Namensschutz für heterosexuelle Ehepaare, halte ich für total abwegig.

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Schulze schrieb:

Zwischen Ehe und Zeugung von Kindern gibt es keinen konstitutionellen Zusammenhang. Ihre gesamte Argumentation bezieht sich auf Zeiten, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes liegen. Wenn Sie von "Ehe und Familie" sprechen, dann trifft der Zusammenhang mit Kindern allein auf "Familie" zu, aber eben nicht -und zwar wirklich in keiner Weise- auf "Ehe".

Und woran knüpft die gesetzliche Vaterschaftsvermutung?

Die Ehe für alle stellt die Homo-Ehe der Hetero-Ehe nicht nur gleich, sondern identisch. Das ist doch ein wesentlicher Unterschied und geht weit über das hinaus, was vom BVerfG zum Gleichbehandlungsgebot ausgeführt wurde. Das hat zwingend rechtliche Konsequenzen für beide Identitäten, die in der außerrechtlichen Lebensordnung verschieden sind.

Die rechtliche Ungleichbehandlung im Steuerrecht und bei der Witwenrente für Ehen und eingetragene Lebenspartnerschaften lässt sich allein mit dem geschlechtlichen Unterschied nicht rechtfertigen. So das BVerfG in den von Ihnen aufgegriffenen Entscheidungen. Dem ist zuzustimmen. Denn, gemessen an dem Regelungszweck im Steuer- und Sozialversicherungsrecht ist Verschiedengeschlechtlichkeit kein sachliches Unterscheidungsmerkmal. Mag das auch in vielen Rechtsbereichen genauso der Fall sein. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass dies auch für den Zugang zum Institut der Ehe so ist.

Die Ehe ist verfassungsrechtlich vor Eingriffen des Gesetzgebers in dem Bereich geschützt, der sich aus der außerrechtlichen Lebensordnung ergibt. Was soll das denn sonst sein, wenn nicht die Fortpflanzung bzw. die Zeugung von Kindern? Daran gemessen ist Verschiedengeschlechtlichkeit ein sachliches Unterscheidungsmerkmal.

Um an die Bedeutung der "außerrechtlichen Lebensordnung" für den Schutzbereich des Ehe-Instituts zu erinnern, noch einmal aus BVerfGE 10, 59 (66):

"Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Welche Strukturprinzipien diese Institute bestimmen, ergibt sich zunächst aus der außerrechtlichen Lebensordnung. Beide Institute sind von Alters her überkommen und in ihrem Kern unverändert geblieben;"

Was denken Sie, dass die "außerrechtliche Lebensordnung" und ihre Prinzipien seien? Was denken Sie, was das BVerfG unter der "außerrechtlichen Lebensordnung" versteht? Ist die "außerrechtliche Lebensordnung" dem allgemeinen Rechtsgefühl und Rechtsbewusstsein zugänglich oder ist sie völlig unabhängig davon?

Das sind Kernfragen, die entscheidend für die Diskussion und Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit sind. An ihrer Beantwortung entscheidet sich die Position, die man einnimmt.

 

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Die von Ihnen zitierte Entscheidung stammt aus dem Jahr 1959. In engem zeitlichen Zusammenhang (1957) steht BVerfG, Urt. v. 10.5.1957 – 1 BvR 550/52, BeckRS 9998, 120252, in dessen Leitsätzen es u.a. heißt: "Die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB) verstoßen nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten." "Die §§ 175 f. StGB verstoßen auch nicht gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), da homosexuelle Betätigung gegen das Sittengesetz verstößt und nicht eindeutig festgestellt werden kann, daß jedes öffentliche Interesse an ihrer Bestrafung fehlt."

Das ist -und dafür sollten auch wir Heterosexuellen dankbar sein- gruselige Geschichte aus noch ziemlich düsteren Zeiten.

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Schulze schrieb:

Die von Ihnen zitierte Entscheidung stammt aus dem Jahr 1959. [...]

Das ist -und dafür sollten auch wir Heterosexuellen dankbar sein- gruselige Geschichte aus noch ziemlich düsteren Zeiten.

Und die von mir ziitierte Entscheidung war eine BVerfGE als Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Mai 2013, mit Zitat:

"Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut (vgl. BVerfGE 105, 313 <345>) erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz."

Auch Sie haben keine neuere Entscheidung dazu bisher gebracht, wenigstens aber nicht auf dem "Niveau" von Opel-Manta-Vergleichen versucht, hier zu argumentieren, wie der "Leser".

Besten Gruß

Günter Rudolphi (GR)

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Aus einer älteren Entscheidung des BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01, http://www.bverfg.de/e/fs20020717_1bvf000101.html, ein Zitat unter der RN 109:

"Der Unterschied, dass aus einer auf Dauer verbundenen Zweierbeziehung von Mann und Frau gemeinsame Kinder erwachsen können, aus einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft dagegen nicht, rechtfertigt es, verschiedengeschlechtliche Paare auf die Ehe zu verweisen, wenn sie ihrer Lebensgemeinschaft eine dauerhafte Rechtsverbindlichkeit geben wollen."

Darin liegt ja doch wenigstens ein Unterschied.

(Und wer gerne simple Gleichnisse oder Vergleiche schätzt als "Leser" oder "Gast": Ein Kreis wird zu keinem Quadrat, auch nicht bei völliger Flächengleichheit, oder auch bei völliger rechtlicher Gleichstellung wird ein Mann zu keiner Frau, wegen der noch unterschiedlichen Gene / Chromosomen.)

Auch das BVerfG scheint das m.E. noch zu wissen.

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Ich wage es zu bezweifeln, dass "der Unterschied" heute noch als wesentlich angesehen werden kann. Das Wort "können" müsste man ja auch mit einer Einschränkung wie "grundsätzlich" oder "im Prinzip" versehen, denn rein tatsächlich trifft es nur auf einen Teil der heterosexuellen Ehepaare ( jung UND gesund) zu, dass aus ihrer Beziehung "gemeinsame Kinder erwachsen können". Und natürlich können Homosexuelle auch Kinder adoptieren. Damit bleibt allein der mögliche Akt der Zeugung, der massenhaft auch von in unverbindlichen Paarbeziehungen Lebenden erfolgt, der unterschiedsbegründend wäre. Ich halte -das habe ich ja schon mehrfach kundgetan- für nichts, was eine Differenzierung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlichen Dauerbeziehungen rechtfertigen könnte. Meines Erachtens hat das BVerfG auch längst den Weg der rechtlichen Gleichstellung  eingeschlagen. Ob es die Notwendigkeit unterschiedlicher Bezeichnungen für inhaltlich Gleiches bei lediglich unterschiedlicher sexueller Orientierung bejaht?

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"Der Unterschied, dass aus einer auf Dauer verbundenen Zweierbeziehung von Mann und Frau gemeinsame Kinder erwachsen können, aus einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft dagegen nicht, rechtfertigt es, verschiedengeschlechtliche Paare auf die Ehe zu verweisen, wenn sie ihrer Lebensgemeinschaft eine dauerhafte Rechtsverbindlichkeit geben wollen."

Würde man Ihr Zitat, @GR mit der Entscheidungssammlung des BVerfG in der Printausgabe  belegen wollen, dann lautete die Quellenangabe: BVerfGE 105, 313 (348). Es handelt sich also um dieselbe Entscheidung, auf die das BVerfG in Ihrem obigen Zitat aus der Entscheidung vom 7. Mai 2013 ausdrücklich verwiesen hat:

"Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut (vgl. BVerfGE 105, 313 <345>) erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz."

Aus BVerfGE 105, 313 <345>:

"Das Grundgesetz selbst enthält keine Definition der Ehe, sondern setzt sie als besondere Form menschlichen Zusammenlebens voraus. Die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Schutzes bedarf insoweit einer rechtlichen Regelung, die ausgestaltet und abgrenzt, welche Lebensgemeinschaft als Ehe den Schutz der Verfassung genießt. Der Gesetzgeber hat dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Form und Inhalt der Ehe zu bestimmen (vgl. BVerfGE 31, 58 [70]; 36, 146 [162]; 81, 1 [6 f.]). Das Grundgesetz gewährleistet das Institut der Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den jeweils herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht (vgl. BVerfGE 31, 58 [82 f.]). Allerdings muss der Gesetzgeber bei der Ausformung der Ehe die wesentlichen Strukturprinzipien beachten, die sich aus der Anknüpfung des Art. 6 Abs. 1 GG an die vorgefundene Lebensform in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Verfassungsnormen ergeben (vgl. BVerfGE 31, 58 [69]). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates (vgl. BVerfGE 10, 59 [66]; 29, 166 [176]; 62, 323 [330]), in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (vgl. BVerfGE 37, 217 [249 ff.]; 103, 89 [101]) und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können (vgl. BVerfGE 39, 169 [183]; 48, 327 [338]; 66, 84 [94])."

Aus BVerfGE 105, 313 <342>:

"Allerdings kann die Ehe nur mit einem Partner des jeweils anderen Geschlechts geschlossen werden, da ihr als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner innewohnt (vgl. BVerfGE 10, 59 [66]) und sich nur hierauf das Recht der Eheschließungsfreiheit bezieht."

Wie Sie den beiden Zitaten entnehmen können, verweist das BVerfG darin wiederum zweimal auf BVerfGE 10, 59 [66], wo es heißt:

"Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Welche Strukturprinzipien diese Institute bestimmen, ergibt sich zunächst aus der außerrechtlichen Lebensordnung. Beide Institute sind von Alters her überkommen und in ihrem Kern unverändert geblieben; insoweit stimmt der materielle Gehalt der Institutsgarantie aus Art. 6 Abs. 1 GG mit dem hergebrachten Recht überein. Ehe ist auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft, und Familie ist die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen. Dieser Ordnungskern der Institute ist für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar."

Entscheidende Bedeutung kommt dem Begriff der "außerrechtlichen Lebensordnung" zu, also der außerrechtlichen bzw. der natürlichen Ordnung des Lebens. Darauf wird immer noch zurückverwiesen - wie Sie es schon mit dem Zitat aus der Entscheidung des BVerfG vom 7. Mai 2013 belegt haben. Warum die Ehe exklusiv für Verbindungen von Mann und Frau vorbehalten ist, ergibt sich also aus der natürlichen Ordnung des Lebens.

Dem entgegnen die Befürworter, diese grundlegende Entscheidung sei aus dem Jahr 1958 und so furchtbar alt und hässlich wie Nierentischmöbel, dass sie wohl keinen Bestand haben könnte. Dem fügt Schulze noch hinzu, dass sie schon deswegen keinen Bestand haben könnte, weil die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG in eine Zeit fällt, als das BVerfG die Strafbarkeit männlicher Homosexualität noch mit der Verfassung für vereinbar hielt. Man könnte dabei meinen, wir diskutierten im Titanic-Verlag. Dabei verkennen sie oder wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass diese grundlegende Entscheidung des BVerfG aus 1958 durch die Rückverweisung in der Entscheidung aus 2002 und 2013 jeweils ein Update bekommen hat.

Es ist auch nicht so, als würde das BVerfG immer wieder nur die Meinung bloß behaupten, die Ehe sei exklusiv die Verbindung von Mann und Frau. Durch die wiederholten Rückverweisungen gibt das BVerfG auch immer wieder die Begründung dazu: es ist die "außerrechtliche Lebensordnung" bzw. die außerrechtliche, weil natürliche Ordnung des Lebens in der Ehe, die sich aus der Auslegung des Begriffs "Schutz" und "Ehe" ergibt, dem Eheinstitut eine wertentscheidende Prägung gibt, vor Eingriffen des Gesetzgebers schützt und "für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar" ist. Dass nur verschiedengeschlechtliche Paare Nachwuchs zeugen können, mag das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewusstsein für ungerecht und diskriminierend halten. Ändert aber nichts daran, dass es so ist. Auch das Recht vermag das nicht zu ändern. Das ist ein außerrechtlicher Bereich.

 

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W.R.K. schrieb:

Würde man Ihr Zitat, @GR mit der Entscheidungssammlung des BVerfG in der Printausgabe  belegen wollen, dann lautete die Quellenangabe: BVerfGE 105, 313 (348). Es handelt sich also um dieselbe Entscheidung, auf die das BVerfG in Ihrem obigen Zitat aus der Entscheidung vom 7. Mai 2013 ausdrücklich verwiesen hat: [...]

Sie als Jurist können das natürlich juristisch besser als ich einordnen.

Quote:

Dass nur verschiedengeschlechtliche Paare Nachwuchs zeugen können, mag das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewusstsein für ungerecht und diskriminierend halten. Ändert aber nichts daran, dass es so ist. Auch das Recht vermag das nicht zu ändern. Das ist ein außerrechtlicher Bereich.

Aber das klar zu erkennen, dazu braucht es nur Logik, keine 2 juristischen Staatsexamen. Die neuen Formulierungen im BGB zur "Ehe" sehe ich daher als geradezu klassischen "Newspeak" an, frei George Orwell nachempfunden, und meine, das BVerfG würde da dann auch nicht dabei mitspielen.

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Die Gesetzesänderungen werden von Frau Kollegin Martina Knoop aus München in NJW-Spezial 2017, 580 (Heft 19, 2017) unter der Überschrift "Die Ehe für alle" in einem Überblick vorgestellt. 

Die FAZ hat sich am 14.9.2017 eine Rüge des Presserats eingehandelt, weil dort am 30.6.2017 ein ominöser Gastkommentator in Frageform durch die Blume vertreten durfte, dass in Schwulen-Ehen ständig Kinder mißbraucht würden, "weil die Inzest-Hemmung wegfällt und diese Gefahr bei homosexuellen Paaren besonders hoch sei, weil die sexuelle Outsider-Rolle eine habituelle Freizügigkeit erotischer Binnenverhältnisse ohne alle sexualethischen Normen ausgebildet habe?".  Diese Behauptung tauchte dann erinnerlich auch hier im Forum auf.
Die FAZ berichtet heute (zwei Wochen später, ganz klein, versteckt rechts unten) von dieser Rüge: "Der Beschwerdeausschuss sah die obige Frage als eine in Frageform gegossene Sachaussage an, für die es keinen wissenschaftlichen Beleg gebe. Diese enthalte eine diskriminierende Wirkung gegenüber Homosexuellen. Der Presserat bejahte insofern einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex".
Die FAZ meint aber nach wie vor, die Sache sei in Ordnung gewesen: "Sowohl in rechtlicher als auch in presseethischer Hinsicht bewerten wir den Fall anders als der Beschwerdeausschuss. Unserer Auffassung nach handelt es sich bei der beanstandeten Passage nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Frage, die als Meinungsäußerung einzustufen ist. Soweit sich Leser durch diesen Diskussionsbeitrag angegriffen oder herabgewürdigt fühlen, bedauern wir dies. Von der Freiheit, auch kontroversen Meinungen in unserer Zeitung Raum zu geben, . werden wir jedoch weiterhin Gebrauch , machen."
Vgl. a. SPIEGEL Online 15.9.2017

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Die Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 15. September 2017 dazu mit ihrem ganzem Text (Volltext):

Kommentar diskriminiert Homosexuelle
Eine Rüge wegen diskriminierender Berichterstattung erhielt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Die Zeitung hatte sowohl in der Printausgabe als auch in der digitalen Ausgabe einen Kommentar unter der Überschrift „Wir verraten alles, was wir sind“ über die Ehe für alle und damit verbundene Änderungen im Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften veröffentlicht. In dem Kommentar wurden in Form einer rhetorischen Frage aus Sicht des Presserats die Behauptungen aufgestellt, dass adoptierte Kinder aufgrund einer wegfallenden „Inzest-Hemmung“ ungleich stärker der Gefahr eines sexuellen Missbrauchs ausgesetzt seien und dass diese Gefahr bei homosexuellen Eltern aufgrund ihrer Homosexualität besonders hoch sei. Diese Behauptungen, für die es nach Auffassung des Presserats keinen wissenschaftlichen Beleg gibt, entfalten eine diskriminierende Wirkung gegenüber Homosexuellen und stellen einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex dar. Über den Kommentar hatten sich 31 Leser beim Presserat beschwert.

 Quelle und auch Link: http://www.presserat.de/presserat/news/pressemitteilungen/

 

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Kleine Korrektur aber noch:

..... mit ihrem ganzen Text (Volltext) .....

(um es auch grammatikalisch noch richtig für einen genauen "Leser" hier zu schreiben.)

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Die Messen sind nun gesungen.

Die ersten gleichgeschlechtlichen Paare sind verheiratet. Dahinter gibt es keinen Schritt zurück, denn ihn gäbe es nur mit einer eklatanten Verletzung der Menschenwürde der nun verheiraten Menschen.

Es steht zu offen, dass die Aufgeregtheiten nun ein Ende haben. Schwulenverbände braucht unser Land nun endlich ebenso wenig wie (nicht existierende) Heterosexuellen-Verbände.

 

 

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"Unbegrenzte Auslegung" - so Rüthers. Das hatten wir schon. Das scheinen wir jetzt zu haben - ob es gebilligt wird? Wer einen klaren Begriffsinhalt des Wortes "Ehe" in Art. 6 Abs. 1GG dahin, es sei eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von einem Mann und einer Frau, ablehnt dadurch, dass er das eine Begriffselement, nämlich die Verschiedengeschlechtlichkeit , negiert - was dann hindert, jenes andere, die Zweizahl, hinwegzunterpretieren? Mit solchen "Auslegungen" kann man natürlich auch den Begriff "Mensch" in Art 1 GG relativieren. Die an Albernheit nicht zu überbietende "Methode", zu sagen, Art. 1 GG definiere nicht genau, was ein "Mensch" sei, lässt sich da gewiss fruchtbar machen. Auch , dass gesellschaftliche Vorstellungen von 1949 nicht merkmalsprägend seien. Man kann ja konkret werden: "Mensch"? Der übrigens damals auch für Leipzig zuständige Ministerpräsident, in hoc momento übrigens auch Bundesratspräsident, hat ja schon die Marschrichtung vorgegeben. Zu Meinungsäußerern ihm unpässlicher Art ( nur in einem von zwei Fällen zugleich auch Brandstiftungsstraftat ohne Leibesschäden) deklarierte er ja bekanntlich: "Das sind keine Menschen, die so etwas tun. Das sind Verbrecher." "Keine Menschen". Wann findet sich der Verfassungsfreund und Ausleger, der dies für Art. 1 GG fruchtbar macht?

Zunächst hindert natürlich der Umstand, dass es zwar ein Gesetz gibt, dass die Geschlechtlichkeit für unerheblich klärt aber keines, welche dies für die Anzahl der Partner tut. Selbst wenn man also Art. 6 als rein normdefiniertes Grundrecht ansieht, ist derzeit Ehe ein Zweierbund. Breite gesellschaftliche Impulse, dies zu ändern, gibt es wohl derzeit nicht. Ob verfassungsrechtliche Vorgaben  dem einen, dem anderen oder beidem entgegenstehen, ist eine interessante Frage. Aus dem Begriff der Ehe allein, wird sich keine Antwort finden lassen: weder die gleichgeschlechtliche Ehe noch die Vielehe ist eine contradictio in adiecto. Zuzugeben ist, dass Konflikte mit dem Ehebild des Verfassungsgebers und mit den herkömmlichen Vorstellungen des christlich abendländischen Kulturkreis bestehen. 

Ich meine, dass das ein Beispiel dafür ist, dass die Analyse von Begriffen inTexten den gesellschaftspolitischen Streit nicht ersetzen kann. Im Übrigen. Gibt es natürlich auch zum Begriff des Menschen imjuristischen Zusammenhang Abgrenzungsschwierigkeiten: Beginn und Ende sind bei allem Konsens, dass hier nicht relativiert werden darf, nicht immer offensichtlich. Und Auswirkungen der Gentechnik wird man hier wohl auch noch spüren. 

Man muss halt immer überprüfen, ob man nicht imText nur das liest, was man lesen möchte...

Weil Ingeborg Maus als Demokratietheoretikerin eine der Wenigen ist, die sich grundlegend mit dem Verhältnis von Demokratie, Verfassung und Recht sowie zwischen Volk und Staat beschäftigt, lese ich das gerade. Ich finde, es lohnt sich absolut.

Die Ehe für Alle - Diskussion hier in eine homophobe Ecke zu delegieren, ist dümmlich. Es ging nicht nur mir darum, wichtige Gesellschafts- und Verfassungsfragen nicht mit der Hinterzimmer-Trickkiste oder Tausch- und Schiebergeschäften zu erledigen. Erstens sind die Folgerungen im Familienrecht von den Schiebermützen noch nicht einmal ansatzweise erkannt, zweitens: auf dem gleichen Weg kann man prinzipiell auch mit einfacher Mehrheit durch repressive Ausschlüsse eine Diktatur installieren und die Juristen brauchen danach wieder 60-80 Jahre um ansatzweise willkürliches Unrecht vom fehlbaren Recht unterscheiden zu können.

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Jetzt hat sich offenbar auch die Bayerische Staatsregierung durch weitere eingeholte Gutachten von der Verfassungskonformität der "Ehe für alle" überzeugen lassen und nimmt Abstand von einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, vgl. hier. Da war man wohl seinerzeit im rückwärtsgewandten konservativen Sturm der Gefühle dem falschen Gutachter aufgesessen...

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Gast schrieb:

Jetzt hat sich offenbar auch die Bayerische Staatsregierung durch weitere eingeholte Gutachten von der Verfassungskonformität der "Ehe für alle" überzeugen lassen und nimmt Abstand von einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, vgl. hier. Da war man wohl seinerzeit im rückwärtsgewandten konservativen Sturm der Gefühle dem falschen Gutachter aufgesessen...

Dieser Kommentar enthält doch eine starke politisch wertende Stellungnahme, falls er vom gleichen "Gast" stammt, wie einige andere Kommentare, die solche politische Stellungnahmen unterstellend bei anderen Kommentatoren insinuieren / suggerieren und kritisieren, wäre das doch zweierlei Maß.

Einige Fakten jedoch sind außerdem:

a) Das BVerfG hatte sich nicht dazu geäußert, ist auch nicht deswegen angerufen worden.

b) Der Kabinettsbeschluß der Bayerischen Staatsregierung erfolgte am 06.03.2018, also kurz nach den Koalitionsverhandlungen im Bund und kurz vor der Bildung der neuen Regierung im Bund als "GroKo" unter Beteiligung der CDU, SPD und CSU, auch mit Bundesministern, seit dem 14.03.2018 gehört Horst Seehofer ihr als Minister an.

c) Horst Seehofer war Ministerpräsident in Bayern bis zum 13.03.2018.

(Seit dem 16.03.2018 ist Markus Söder (CSU) Ministerpräsident des Freistaats Bayern. Das Kabinett Söder bildet seit dem 21.03.2018 die Bayerische Staatsregierung.)

Siehe zum Kabinettsbeschluß auch:

http://www.sueddeutsche.de/news/politik/kabinett---muenchen-bayern-klagt...

https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Bayerns-Klage-gegen-die-Ehe-...

Zu den o.g. Fakten aber kein Kommentar von mir, die sprechen m.E. bereits ausreichend für sich ........

 

 

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