Virtuelle Betriebsratssitzungen – ein erster Schritt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.07.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4003 Aufrufe

Betriebsverfassung 4.0 kommt in kleinen Schritten. Der Deutsche Bundestag hat im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens zur „Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) – weitgehend unbemerkt - eine Änderung zum Europäischen Betriebsrätegesetz (EBRG) verabschiedet. Sie dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2015/1794. Diese Änderung beschränkt sich allerdings auf Seeleute, die Besatzungsmitglieder von Seeschiffen und Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats (EBR) oder eines zu dessen Einrichtung eingesetztes Besonderen Verhandlungsgremiums sind. Diesen Mandatsträgern wird unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, an der jeweiligen Gremiensitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, wie etwa durch Nutzung von Videokonferenzen, teilzunehmen. Diese Änderung soll als neue Vorschrift § 41a in das EBRG eingefügt werden. Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung vom 7.7.2017 (BR-Drucks. 449/17) darauf verzichtet hat, den Vermittlungsausschluss anzurufen, kann die Neuregelung wie vorgesehen zum 10.10.2017 in Kraft treten. Der neue § 41a EBRG wird folgenden Wortlaut haben:

§ 41a

Besondere Regelungen für Besatzungsmitglieder von Seeschiffen

(1) Ist ein Mitglied des besonderen Verhandlungsgremiums, eines Europäischen Betriebsrats oder einer Arbeitnehmervertretung im Sinne des § 19 oder dessen Stellvertreter Besatzungsmitglied eines Seeschiffs, so sollen die Sitzungen so angesetzt werden, dass die Teilnahme des Besatzungsmitglieds erleichtert wird.

(2) Befindet sich ein Besatzungsmitglied auf See oder in einem Hafen, der sich in einem anderen Land als dem befindet, in dem die Reederei ihren Geschäftssitz hat, und kann deshalb nicht an einer Sitzung nach Absatz 1 teilnehmen, so kann eine Teilnahme an der Sitzung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn
1. dies in der Geschäftsordnung des zuständigen Gremiums vorgesehen ist und
2. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.“

 

Damit ist es künftig erstmals möglich, an einer Betriebsratssitzung auch virtuell, also beispielsweise per Videokonferenz teilzunehmen. M.E. sollte erwogen werden, den Grundsatz der persönlichen Präsenz auch im allgemeinen Betriebsverfassungsrecht zu lockern. Der Wandel der Arbeitswelt macht auch vor der Betriebsverfassung keinen Halt. Anpassungen im Sinne einer vorsichtigen Öffnung für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sollten ins Auge gefasst werden. Von daher stellt die gegenständlich begrenzte Einführung des § 41a EBRG einen ersten, noch zögerlichen Schritt in die richtige Richtung dar.

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