Daimler zieht vor das Bundesverfassungsgericht

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 24.07.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4664 Aufrufe

Anfang des Jahres hatte Daimler beim BAG (Urt. v. 18.1.2017 – 7 AZR 236/15, NZA 2017, 849) eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Es ging um das sog. Konzept 60+. Dieses richtet sich an leitende Führungskräfte und besteht u.a. aus einem Änderungsangebot, das eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahres und die Befugnis zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersleistung vorsieht. Die Klägerin hatte schon vor Jahren dieses Änderungsangebot angenommen, wehrte sich dann aber später gegen die ihrer Ansicht nach unwirksame Befristung. Das BAG gab ihr in letzter Instanz recht. Weder rechtfertige der Wunsch der Klägerin als ein in ihrer Person liegender Grund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG die Befristung noch liege ein sachlicher Grund für die nachträgliche Befristung allein darin, dass der neue befristete Arbeitsvertrag günstigere Arbeitsbedingungen vorsehe und die Klägerin zwischen der Annahme des neuen Arbeitsvertrags und der unveränderten Fortsetzung des bisherigen Arbeitsvertrags frei wählen könne. Ferner sei die Befristung nicht wegen Erreichens der im Änderungsvertrag vereinbarten Altersgrenze nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung sei nur gerechtfertigt, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung die Möglichkeit eines dauerhaften Bezugs von Leistungen aus einer gesetzlichen Altersversorgung trete. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden aufgrund der Altersgrenze sei damit Bestandteil des Sachgrunds. Sie könne nicht durch eine Ausgleichszahlung des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersversorgung ersetzt werden.

Dieses Urteil wirft Fragen auf. Welcher Schutzzwecke hier den Eingriff in die Privatautonomie zu rechtfertigen vermag, erschießt sich jedenfalls nicht ohne weiteres. Es verwundert daher nicht, dass Daimler nunmehr vor das Bundesverfassungsgericht zieht. Die Stuttgarter Nachrichten vermelden, dass die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe bereits eingereicht worden sei und zitiert Daimler mit den Worten „Wir sehen unseren vertraglichen Gestaltungsspielraum bei Führungskräften so eingeschränkt, dass wir die Fragen grundsätzlich klären wollen“.

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Eine "leitende Führungskraft" liegt im Streit mit dem Arbeitgeber - und das noch darüber, bitte länger arbeiten zu dürfen? Das allein klingt schon nach einer Geschichte aus dem Tollhaus. Wie soll sie ihrer Aufgabe nachkommen, wenn - was im Betrieb bekannt sein dürfte - der Arbeitgeber sie loswerden möchte? Und welches Vorbild setzt es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn sich Führungskräfte erst ein offenbar recht großzügiges Ruhestandspaket gönnen und an ihre eigenen Verpflichtungen daraus später nicht mehr einhalten wollen?

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