Täter-Opfer-Ausgleich als vertypter Strafmilderungsgrund: Nur, wenn alle Geschädigten einbezogen sind!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.07.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2417 Aufrufe

Der Angeklagte hatte eine Spielhalle überfallen. Folge: Psychische Probleme der Aufsicht...und 265 Euro Vermögensschaden beim Spielhallenbetreiber. An die Aufsicht zahlte der Angeklagte terminsvorbereitend 300 Euro Schmerzensgeld. An den Spielhallenbetreiber nichts. Trotzdem nahm das LG einen Täter-Opfer-Ausgleich an. Falsch!

a) Das Rechtsmittel ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat
die Beschwerdeführerin die uneingeschränkte Aufhebung des angefochtenen
Urteils beantragt und die Sachrüge in allgemeiner Form erhoben. Die Auslegung
ihrer Revisionsbegründung ergibt jedoch, dass lediglich der Strafausspruch
des Urteils angegriffen wird. Einzelbeanstandungen gegen den
Schuldspruch werden nicht erhoben. Dies ist bei der Auslegung des Anfechtungsumfangs
von Bedeutung, da die Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 2
RiStBV gehalten ist, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen
so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen
Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese
Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 – 4 StR
481/16, NStZ-RR 2017, 105; vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker,
NStZ-RR 2003, 1, 6). Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch
ist auch wirksam; es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise
eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.

b) Der Strafausspruch kann auf die Revision der Staatsanwaltschaft nicht
bestehen bleiben. Die Begründung, mit der das Landgericht einen minder
schweren Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB bejaht hat, hält auch eingedenk
des nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH,
Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; Beschluss
vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349) rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen
eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien
und dieser vertypte Strafmilderungsgrund deshalb zugunsten des Angeklagten
bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen sei. Denn entgegen der Ansicht der
Strafkammer reicht es für die Annahme eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs
nicht aus, dass nur mit Blick auf einen Geschädigten – hier die Zeugin
B. – dessen Voraussetzungen gegeben sind. Vielmehr muss, wenn wie
hier durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen werden, nach ständiger Rechtsprechung
hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a
StGB erfüllt sein
(vgl. BGH, Urteile vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR
StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10; vom 11. September 2013 – 2 StR 131/13; vom
12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439 f.; vom 25. Mai 2001 – 2 StR
78/01, NStZ 2002, 364, 365 f.; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 12, 26;
LK-Theune, StGB, 12. Aufl., § 46a Rn. 47).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Inhaber der Spielhalle, dem zumindest ein
Vermögensschaden in Höhe des erbeuteten Bargelds in Höhe von 265 Euro
entstanden ist, ist neben der Zeugin B. ein weiteres Opfer der Tat. Aus
dem Urteil ergibt sich nicht, dass auch im Hinblick auf seine Person eine Variante
des § 46a StGB erfüllt ist. Eine Entschädigung für den Verlust des Geldes
– was den Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB entspräche – hat er, wie das
Landgericht festgestellt hat, nicht erhalten. Dem angefochtenen Urteil lässt sich
aber auch nicht entnehmen, dass sich der Angeklagte jenseits einer Entschädigung
in anderer Weise um einen Ausgleich mit diesem weiteren Opfer seiner
Tat bemüht hätte.
Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten,
da die Strafkammer ausdrücklich erst aufgrund des von ihr angenommenen
Vorliegens der Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrunds gemäß
§ 46a StGB zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB
gelangt ist.

3. Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen werden von
dem Wertungsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben; weiter gehende
Feststellungen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

BGH, Urteil v. vom 22.6.2017 - 4 StR 151/17

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