Sommerloch-Bagatellen aus Heidelberg

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.07.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3851 Aufrufe

Heidelberg, die romantische Universitätsstadt am Neckar verfügt zwar über eine juristische Fakultät mit einem arbeits- und sozialrechtlichen Schwerpunktbereich, jedoch nicht über ein eigenes Arbeitsgericht. Für Heidelberger Streitigkeiten sind vier auswärtige Kammern des Arbeitsgerichts Mannheim zuständig. Diese haben in den letzten Tagen durch zwei Kündigungsverfahren auf sich aufmerksam gemacht. In beiden Fällen ging es um vergleichsweise geringfügige Vermögensdelikte, die nach der Emmely-Entscheidungen keinen absoluten Kündigungsgrund mehr darstellen, sondern aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden sind. Das gebotene Augenmaß wird man dem Gericht in beiden Fällen attestieren können.

Im ersten Verfahren hatte Rhein-Neckar-Zeitung einer 53-jährigen Redakteurin gekündigt, weil sie private Post als Dienstpost verschickt hatte - für 3,70 Euro. Das Gericht kam hier zu dem Schluss, dass eine Kündigung - und zwar egal in welcher Form - in diesem Fall unverhältnismäßig ist. Zwar handele es sich, so der Vorsitzende Richter, nicht um eine Lappalie: Denn es ginge in einem Arbeitsverhältnis eben auch um Vertrauen. Allerdings hätte es in diesem Fall auch eine Abmahnung getan. Immerhin arbeite die Frau seit mehr als zehn Jahren für die Heidelberger Zeitungsredaktion arbeite und sei zudem einsichtig gewesen. Außerdem hätte sie den Brief nicht heimlich verschickt. Deshalb sei das Vertrauensverhältnis auch nicht dauerhaft zerstört. Der Bericht stammt pikanterweise vom Mannheimer-Morgen.

Der zweite Fall betraf eine Heilerziehungspflegerin einer großen Privatschule in Neckargemünd (Rhein-Neckar-Kreis). Ihr war fristlos gekündigt worden, weil sie eine Tafel Schokolade einer Kollegin verzehrt, im Internat der Schule verbotenerweise zweimal ihre private Wäsche gewaschen und außerdem für eine kleine Weihnachtsfeier eine Stofftasche einer Lehrerin als Wichtelgeschenk eingepackt haben soll. Die SRH-Gruppe in Heidelberg, die Trägerin der Schule ist, hatte die 64-jährigen Frau nach 32 Dienstjahren entlassen, weil die nötige Vertrauensbasis für eine Arbeit im Internat der Schule nicht mehr gegeben sei. In der mündlichen Verhandlung habe sich das Gericht – so ein Bericht der Stuttgarter Nachrichten – gut eine Stunde lang bemühte, durch Befragen beider Seiten mehr Licht in die Vorwürfe zu bringen. Dann zog der Vorsitzende Richter Bilanz. Offensichtlich, stellte er fest, habe es in dem Internat „kein klares Privatwaschverbot“ gegeben. Dies sei erlassen worden, nachdem entsprechende Vorwürfe gegenüber der Gekündigten erhoben worden seien. Wie die fragliche Stofftasche „gewandert“ sei, lasse sich nicht mehr genau nachvollziehen. Offenbar habe die Lehrerin, der sie ursprünglich gehörte, sie bereits im Herbst 2016 einer Kollegin geliehen und lange nicht zurückverlangt. Dass die Klägerin bei der Weihnachtsfeier am 19. Dezember „Fremdeigentum verwichtelt“ habe, sei ihr „wohl nicht klar gewesen“. So bleibe am Ende die Schokolade, die sie nicht einfach hätte nehmen dürfen. „Wir finden diesen Eigentumsbruch nicht lustig“, betonte der Richter. Gleichwohl rate man den Parteien zu einem Vergleich. Bei einer Abmahnung mit einer Rüge halte man eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für möglich, stellte er fest. Dem haben nach kurzer Beratung beide Seiten zugestimmt.

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1 Kommentar

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. M. Stoffels,

zu diesen sehr interessanten Fällen hätte ich eine Anmerkung zu machen. Aus den z.T. sehr rigorosen Entlassungen selbst langjähriger Mitarbeiter bei mehr oder minder großen Bagatellen erwächst m.E. auch ein großes Erpressungspotential für Mitwisser. Ein solches hatte ich einmal in einem spektakulären Mordfall (dem Mordfall Weimar) gesehen, und danach überschlugen sich die Ereignisse, als ich einmal darauf explizit hinweisen wollte.

Wer sich dafür aber näher interessiert, der kann sich per PN bei mir noch mal melden.

Beste Grüße

GR

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