OLG Hamm: § 21 StVG ist Dauerstraftat!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.08.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|5895 Aufrufe

Klar ist § 21 StVG eine Dauerstraftat. Mehrere Teilfahrten sind dadurch eine Tat im materiellen Sinne. Aber: Was unterbricht eigentlich dieses Dauerdelikt? Eine Unfallflucht unterbricht jedenfalls - das ist meist bekannt. Auch dort, wo die Polizei kontrolliert und die Weiterfahrt untersagt, beginnt bei einer weiteren Fahrt eine neu Tat. Kurze Fahrtunterbrechungen und wohl auch eine einfache Polizeikontrolle nicht, wenn die Polizei den Fahrer weiterfahren lässt. Dazu hat das OLG Hamm gerade Stellung genommen:

Ergänzend bemerkt der Senat, dass die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung nicht zweifelsfrei ist. Die vom Landgericht festgestellten Taten stehen möglicherweise tatsächlich in Tateinheit zueinander. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (BGH, Beschl. v. 07.11.2003 – 4 StR 438/03 – juris; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris; BGH, Beschl. v. 12.08.2015 – 4 StR 14/15 – juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird allerdings angenommen, wenn derjenige, der entgegen einer gesetzlichen Warteverpflichtung, wie sie sich auch § 142 StGB ergibt, weiterfährt und damit einen neuen Tatentschluss fasst (vgl.: BGH Urt. v. 17.02.1967 – 4 StR 461/66 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2008 – 2 SsOWi 565/08 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 Ss 466/08 – juris). Ebenfalls wird eine Ausnahme für den Fall angenommen, dass ein Kraftfahrer nach einer Polizeikontrolle und Untersagung der Weiterfahrt später seine Fahrt fortsetzt (so etwa: AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 - 186/09 – juris).

So liegt der Fall vorliegend möglichweise aber nicht. Die bisherigen Feststellungen deuten eher darauf hin, dass sich die Angeklagte das fremde Ausweispapier gerade deswegen beschafft hat, um im Falle einer Kontrolle ihre Fahrt unbehelligt fortsetzen zu können. In einem solchen Fall könnte mehr dafür sprechen, eine tateinheitliche Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 - 186/09 – juris; LG Potsdam, Urt. v. 04.12.2008 – 27 Ns 116/08 – juris). Bei der Kontrolle wurde die Angeklagte auch nur wegen einer fehlenden Warnweste belangt, nicht aber wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Kommt man zu dem Ergebnis, dass die beiden Fahrten der Angeklagten vor und nach der Polizeikontrolle in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander stehen, gilt Folgendes: Das als Missbrauch von Ausweispapieren gewertete Geschehen steht dann zu diesen ebenfalls in Tateinheit aufgrund der gegebenen Klammerwirkung des ununterbrochenen Vergehens nach § 21 StVG. Dieses ist gegenüber dem Missbrauch von Ausweispapieren kein minderschweres Delikt, welches nicht geeignet wäre, die Delikte zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden (BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris).

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 27.6.17 - 4 RVs 75/17

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