„Fette Schlampe“ als Kündigungsgrund

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.08.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|6367 Aufrufe

Auch die Beleidigung eines Arbeitskollegen kann eine Kündigung rechtfertigen. Wie stets müssen allerdings auch entlastende Umstände berücksichtigt werden. Beim Arbeitsgericht Bonn (3 Ca 681/17, PM 4/2017 vom 27.7.2017) ist nunmehr ein Fall zum Abschluss gebracht worden, bei dem die Arbeitgeberin, eine Bonner Privatklinik, die Kündigung gleich auf zwei Vorfälle stützte. Der 44 Jahre alte Kläger war seit 2011 bei der Klinik beschäftigt als Hausmeister beschäftigt. Im März 2017 machte der er zusammen mit einem Arbeitskollegen eine Zigarettenpause. Dazu gesellte sich eine Arbeitskollegin von der Rezeption. Während des Gesprächs musterte der Hausmeister seine Kollegin und sagte zu ihr: „Du bist ne richtig fette Schlampe geworden.“ Zur Rede gestellt, berief sich der Hausmeister auf seinen bekannt flapsigen Ton und meldete sich krank. Als dann die Klinik die fristgemäße Kündigung durch eigene Mitarbeiter bei dem Hausmeister zustellen wollte, gab es eine Überraschung. Der Hausmeister öffnete zwar nicht die Tür, sprang aber in voller Arbeitsmontur von dem Gerüst an seinem Wohnhaus, was er gerade neu verklinkerte. Darauf folgte die außerordentliche Kündigung der Klinik wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit. Der Hausmeister verwies im Prozess darauf, dass er sich bei der Kollegin für seinen lockeren Umgangston entschuldigt habe. Seine Arbeitsunfähigkeit sei nicht vorgetäuscht worden. Sein Arzt habe ihn nach der angedrohten Kündigung wegen psychosomatischer Störungen krankgeschrieben und ihm empfohlen, nicht an die Kündigung zu denken und sich durch andere Beschäftigungen abzulenken.

Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Bonn verwies der Richter darauf, dass zunächst die fristlose Kündigung und das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit zu prüfen seien. Es sei schwierig, dies zu beweisen. Letztlich müsse der behandelnde Arzt bestätigen, ob der Kläger tatsächlich krank gewesen und das Klinkern seines Hauses damit vereinbar gewesen sei. Danach stimmten beide Parteien einem vorgeschlagenen Vergleich zu, der eine fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung vorsieht. Über die Höhe der Abfindung ist nichts bekannt. Erstaunlich ist schon, dass hier überhaupt eine Abfindung ins Spiel gebracht worden ist.

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3 Kommentare

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Sehr geehrter Prof. Stoffels,

nein, das ist überhaupt nicht erstaunlich, sondern tägliche Praxis. Je schneller die Akte vom Tisch ist, umso besser, sicher auch einer sehr hohen Arbeitsbelastung geschuldet. Und der schnellste Weg ist nun einmal der Vergleich. Jetzt wird eingewendet werden, dass niemand einem Vergleich zustimmen muss, aber das geht an der Praxis vorbei, denn gerade ein Arbeitgeber braucht in solchen Konstellationen Rechtssicherheit, muss Stellen zügig nachbesetzen und wissen, 'was Sache ist'.

Erstaunlich ist es, wenn ein Richter dem Kläger sagt, dass er verloren hat und ihm dringend (!) anrät, seine Klage zurückzunehmen, und dass sich der Richter dann, als sich der Kläger beharrlich weigert, dem Beklagten (GmbH) zuwendet und ihn eindringlich, tendenziell übergriffig bittet, hier doch 1000 € zu zahlen, damit die Sache beendet werden kann (womit der GF der GmbH m.E. eine Untreue begehen würde). Überflüssig zu erwähnen, dass das klagabweisende Urteil rechtskräftig wurde...  persönlich erlebt...SO geht es zu in deutschen Arbeitsgerichten.

Inhaltlich offenbart das aufgezeigte Abwägen ein arg theoretisches Judiz. Dogmatisch wunderbar, praktisch nicht zu gebrauchen. Das AU-Regime i.V.m. mit "Erschöpfung"sdiagnosen macht Unternehmen unführbar, sobald sich diese Praxis erst einmal festgesetzt hat, denn ein Arbeitgeber hat NULL Möglichkeiten, sich gegen solchen AU-Betrug zur Wehr zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen!

 

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Der Umgangston in manchen Werkshallen, Büros und Schulen wird immer rüder. Wer zu viel RTL sieht, hält das für normal. Ohne vorhergehende Abmahnung geht da wohl nichts. Und wenn der Arzt das bestätigt, was der Patient sagt, rechtfertigt auch das Werkeln am Haus keine Kündigung. Der Arbeitgeber war wohl gut beraten, sich auf eine Abfindung einzulassen.

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Erstaunlich finde ich es auch nicht, das ist gängige Praxis und zwar unabhängig von der Rechtslage. Es gibt meiner Erfahrung nach nur wenige Richter, die sich da zurückhalten. Der Gütetermin wird meist dazu genutzt, dem Arbeitgeber, unabhängig davon ob anwaltlich vertreten oder nicht, die Grauen eines verlorenen Kündigungsrechtsstreits vor Augen zu halten um ihm dann ein Angebot zu machen, wie er sich "freikaufen" kann. Interessant wird es erst, wenn die Gegenseite dieses Angebot nicht annehmen will...

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