Fahrverbot gegen Kieferorthopädin: "Nimm doch ´n Taxi!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.08.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2222 Aufrufe

Das AG Zeitz musste sich mit einem Fahrverbot für eine Kieferorthopädin befassen. Die hat zwei Praxen. Wohl gut im Geschäft. Das Fahrverbot tut da natürlich weh. Soll es auch. Das Fahrverbot ist nämlich als Denkzettel gedacht und ausgestaltet. Das AG Zeitz meint: "Soll sie doch mit einem Taxi fahren!"

Hier das Urteil:

Ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat ist zur Einwirkung auf die Betroffene geboten. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen.

Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes kommt gemäß § 4 Abs. 1 S.1 Nr.1 BKatV die Anordnung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist gemäß § 4 Abs. 1 S.2 BKatV in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.

Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (OLG Bamberg, Beschluss vom 18. März 2014 - 3 Ss OWi 274/14 -, juris).

Die Voraussetzungen des Regelfahrverbots von einem Monat Dauer liegen hier vor, denn die Betroffene hat außerhalb geschlossener Ortschaften den Tatbestand der Nr.11.3.7 verwirklicht, wofür neben einer Geldbuße von 160,- € ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen ist.

Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann im Einzelfall abgesehen werden. Dieser Möglichkeit, von einem Fahrverbot, gegebenenfalls gegen Erhöhung der Geldbuße, abzusehen, ist sich das Gericht bewusst gewesen. Maßgebend dafür, von dieser Möglichkeit vorliegend keinen Gebrauch zu machen war, dass außergewöhnliche Umstände nicht ersichtlich sind und das Fahrverbot auch nicht unverhältnismäßig ist.

Soweit die Betroffene geltend gemacht hat, die Tat sei außerorts auf einer Bundesstraße begangen worden, die für die Fahrverbotsverhängung maßgebliche Grenze sei nur um 3 km/h überschritten worden, es habe außerordentlich geringer Verkehr geherrscht, es habe Tageslicht gegeben, es sei sonnig gewesen, so dass es keine gravierende Gefährdungssituation gegeben habe, sind dies keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Ausnahme vom Regelfall begründen könnten.

Die Betroffene hat sich zwar eingelassen, das Fahrverbot bedeute für sie eine besondere Härte und gefährde ihre Existenz. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, sich irgendjemandem als Fahrer anzuvertrauen; ausgebildete Fahrer stünden auf dem Markt nicht zur Verfügung. Gleichwohl konnte keine Härte festgestellt werden, die den Verzicht auf ein Fahrverbot rechtfertigen könnte.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, nicht ungeprüft übernommen werden; vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines Ausnahmefalles auszuschließen (vgl.. OLG Bamberg, Beschluss vom 22. Juli 2016 - 3 Ss OWi 804/16 -, juris).

Das Gericht hat bereits vor dem Termin auf die Anforderungen hingewiesen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine wirtschaftliche Härte bei Selbständigen zu stellen sind, um eine Ausnahme vom Regelfahrverbot zu rechtfertigen. Die Betroffene hat indes nichts Konkretes zu ihrer wirtschaftlichen Situation vorgetragen geschweige denn belegt.

Selbst wenn man -nach Auffassung des Gerichts realitätsfernunterstellen würde, die Betroffene könne wegen des Fahrverbots ihre berufliche Tätigkeit insgesamt einen Monat lang nicht ausüben, läge die Annahme fern, dass dies bei einer selbständigen Kieferorthopädin mit 2 Praxen die wirtschaftliche Existenz vernichten könnte. Nahe liegt es vielmehr, dass die Betroffene sich vertreten lassen oder insbesondere fahren lassen kann. Die Betroffene hat vergebliche Bemühungen um eine Vertretung ebenso wenig wie Bemühungen um einen Fahrer oder Bereitstellung von Taxen nachgewiesen.

Unter besonderen Umständen kann von der Regeldauer auch nach oben abgewichen werden; solche Umstände liegen ebenfalls nicht vor.

AG Zeitz Urt. v. 13.6.2017 – 13 OWi 733 Js 210853/16, BeckRS 2017, 115694, beck-online

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