Der gute Ruf des Polizeibeamten in der Strafzumessung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.08.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2365 Aufrufe

Polizeibeamte verhalten sich gesetzestreu. Wenn einer sagt, das sei bei einem Beamten nicht so, so wird der gute Ruf des Beamten beschädigt. Könnte man denken. Der BGH hatte sich mit einer solchen Lage zu befassen...und festgestellt, dass es für die Rufschädigung dann aber auch echter Tatsachenfeststellungen bedarf:

Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand,
soweit das Landgericht dem zum Tatzeitpunkt im Polizeidienst tätigen Angeklagten
angelastet hat, „durch die Tat“ dem Ruf der Polizei geschadet zu haben.

a) Diese Erwägung ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Eintritt
eines derartigen Rufschadens nicht ausreichend belegt ist.
Strafzumessungserhebliche Tatsachen sind in der gleichen Weise bestimmt
festzustellen und zu belegen wie die Tatsachen, die für die Schuldfrage
von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 – 3 StR
251/09, NStZ-RR 2009, 306; Beschluss vom 29. April 1987 – 2 StR 500/86,
NStZ 1987, 405; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung,
5. Aufl., Rn. 1274). Dem werden die schriftlichen Urteilsgründe nicht gerecht.
Soweit die Strafkammer darauf abhebt, dass das „öffentlich wahrgenommene
Berufsbild der Polizei“ zu einem wesentlichen Teil darauf beruhe, dass sich Polizeibeamte
gesetzestreu verhalten, wird eine tatsächlich eingetretene Rufschä-
digung nicht aufgezeigt. Angesichts der Tatsache, dass sich der Angeklagte
noch in der Probezeit befand, die verfahrensgegenständliche Tat außerhalb des
Dienstes aus privaten Gründen beging und zum 30. September 2015 aus dem
Polizeidienst entlassen wurde, hätte es dazu näherer Darlegungen bedurft.

b) Die straferschwerende Heranziehung einer (möglichen) Rufschädigung
der Polizei begegnet aber auch mit Blick auf § 46 Abs. 2 StGB durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.

aa) Mit dieser Erwägung knüpft die Strafkammer ersichtlich an die in § 46
Abs. 2 Satz 2 StGB aufgeführten verschuldeten Auswirkungen der Tat an. Zwar
können als strafzumessungserheblich grundsätzlich auch solche für den Täter
voraussehbare Tatfolgen Berücksichtigung finden, die in keinem unmittelbaren
Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des
eigentlichen Tatbereichs liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 – 3 StR
190/02, NStZ 2002, 645; Beschluss vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ
1993, 337, mwN; siehe dazu auch BGH, Beschluss vom 29. August 2006
1 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 372). Da aber die Schwere der Tat und der
Grad der persönlichen Schuld des Täters die Grundlage der Strafzumessung
bilden (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1952 – 2 StR 675/51, BGHSt 3,
179; Urteil vom 4. August 1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266), muss in
diesen Fällen als weitere Voraussetzung hinzutreten, dass diese Auswirkungen
geeignet sind, das Tatbild zu prägen und die Bewertung der Schuldschwere zu
beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ
1993, 337 mwN). Der Senat kann offen lassen, ob es sich zudem auch um Folgen
handeln muss, die in den Schutzbereich der strafrechtlichen Norm fallen,
deren Verletzung dem Täter vorgeworfen wird (vgl. BGH, Beschluss vom
16. März 1993 – 4 StR 602/92, NStZ 1993, 337 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl.,
§ 46 Rn. 34; Eschelbach in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 46 Rn. 105; Stree/Kinzig in:
Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 26a; hinsichtlich des Schutzzweckzusammenhangs
anders [nicht tragend] BGH, Beschluss vom 4. Juli
2002 – 3 StR 190/02, NStZ 2002, 645 [Voraussehbarkeit reicht aus] m. abl.
Anm. Meier, StV 2003, 443; kritisch dazu auch Theune in: Leipziger Kommentar
zum StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 156).
Eine derartige Prägung der Tat durch die Zugehörigkeit des Angeklagten
zur Polizei ist hier nicht dargetan. Die dem Angeklagten zugeschriebenen negativen
Folgen für den Ruf der Polizei berühren weder das Gewicht seiner Tat in
ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung, noch lassen sie Rückschlüsse
auf den Grad seiner persönlichen Schuld zu.

bb) Schließlich lässt diese Wendung auch besorgen, die Strafkammer
habe den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit Polizeibeamter war, straferschwerend
berücksichtigt. Dies wäre ebenfalls rechtsfehlerhaft. Unter dem
Gesichtspunkt des Maßes der Pflichtwidrigkeit (§ 46 Abs. 2 StGB) kann die berufliche
Stellung eines Angeklagten nur dann strafschärfend herangezogen
werden, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben, deren Verletzung gerade
im Hinblick auf die abzuurteilende Tat Bedeutung hat (vgl. BGH, Beschluss
vom 20. Juli 1999 – 1 StR 668/98; NJW 2000, 154, 157; Beschluss vom
29. April 1987 – 2 StR 500/86, NStZ 1987, 405, 406; siehe auch BGH, Beschluss
vom 25. Oktober 2016 – 2 StR 386/16, NJW 2017, 1491; Beschluss
vom 6. Februar 2002 – 2 StR 489/01, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände
19; Urteil vom 28. Januar 1998 – 3 StR 575/96, NJW 1998, 1234, 1237 [insoweit
in BGHSt 44, 4 nicht abgedruckt]). Dies ist hier aber ersichtlich nicht der
Fall.

BGH, Beschluss vom 20.6.2017 - 4 StR 575/16

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