Ehrenamtliche Tätigkeit bleibt grundsätzlich beitragsfrei

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 17.08.2017
Der Dank der Ehrenamtlichen (Bangkok: Home of Grace, Foto: C.Koss 03/2015)

In dem entschiedenen Fall ging es um die Auslegung des § 7 Abs. 1 SGB IV:

1Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Geklagt hatte eine Kreishandwerkerschaft. Diese unterhält eine eigene Geschäftsstelle mit Angestellten, der ein hauptamtlicher Geschäftsführer vorsteht. Angestellte und Geschäftsführer unterliegen unstreitig der Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung.

Strittig war die Aufwandsentschädigung des Kreishandwerksmeisters, im entschiedenen Fall hauptberuflich als selbständiger Elektromeister tätig. Im Nachgang zu einer Betriebsprüfung nahm die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) an, dass der Kreishandwerksmeister geringfügig beschäftigt sei und forderte pauschale Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von rund 2.600 Euro nach.

Gemäß § 66 Abs. 4 Handwerksordnung  (HWO) ist der Kreishandwerkermeister ehrenamtlich tätig:

Die Mitglieder des Vorstands verwalten ihr Amt als Ehrenamt unentgeltlich; es kann ihnen nach näherer Bestimmung der Satzung Ersatz barer Auslagen und eine Entschädigung für Zeitversäumnis gewährt werden.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts ist die ehrenamtliche Tätigkeit grundsätzlich keine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil v. 16.08.2017 - B 12 KR 14/16 R). Ehrenämter zeichneten sich durch die Verfolgung eines ideellen, gemeinnützigen Zweckes aus und unterschieden sich damit grundlegend von beitragspflichtigen, erwerbsorientierten Beschäftigungsverhältnissen. Die Gewährung von Aufwandsentschädigungen ändere daran nichts, selbst wenn sie pauschal und nicht exakt entsprechend dem tatsächlichen Aufwand erfolge. Auch die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben sei unschädlich, soweit sie unmittelbar mit dem Ehrenamt verbunden seien, wie zum Beispiel die Einberufung und Leitung von Gremiensitzungen. Zur Stärkung des Ehrenamts ist nach Ansicht des Gerichts eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert.

Nach hier vertretener Auffassung ist dieses Urteil aber grundsätzlich auf alle ehrenamtliche Tätigkeiten anwendbar. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob sich die Ehrenamtlichkeit aus dem Gesetz (hier: HWO), der Satzung des Vereins oder der Stiftung oder aus den tatsächlichen Verhältnissen (z.B. die ehrenamtliche Hausaufgabenbetreuung) ergibt.

  • Bisher wurden solche Fälle über Beitragsfreiheit von steuerfreien Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 26 EStG (sog. "Übungsleiterfreibetrag") und § 3 Nr. 26a EStG (sog. "Ehrenamtsfreibetrag") gelöst. Einnahmen bis EUR 2.400 im Jahr (§ 3 Nr. 26 EStG) bzw. EUR 720 (§ 3 Nr. 26a EStG) wurden als beitragsfrei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 16 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt  - Sozialversicherungsentgeltverordnung [SvEV] behandelt. Darüber hinaus gehende Einnahmen wurden grundsätzlich der Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterworfen.
  • Nach der Entscheidung des BSG (Urteil v. 16.08.2017 - B 12 KR 14/16 R) liegt  bei ehrenamtlicher Tätigkeit jedoch überhaupt keine (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung i.S.d. § § 7 Abs. 1 SGB IV vor, somit stellt sich die Frage der Beitragspflicht nicht.

Die Bedeutung der besprochenen Entscheidung geht jedoch noch weiter: Gemäß § 33 Abs. 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) haben "ehrenamtlich Tätige" keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Aus BSG, Urteil v. 16.08.2017 - B 12 KR 14/16 R, ist zu schließen, dass zumindest alle von Gesetzen und Verordnungen als "ehrenamtliche Tätigkeiten" bezeichnete Tätigkeiten (hier: HWO) auch als solche anzuerkennen sind (so bereits: Koss, Mindestlohn bei gemeinnützigen Körperschaften, Nürnberg: DATEV eG 2015, S. 34).

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