Ehe doch nicht für alle?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.08.2017
Rechtsgebiete: Familienrecht81|11615 Aufrufe

§ 1353 I 1 BGB wird ab 01.10.2017 bekanntlich wie folgt lauten:

Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.

Schwab (FamRZ 2017 Heft 16) weißt mit Recht daraufhin, dass in § 22 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes mit Wirkung vom 01.11.2011 bestimmt ist:

Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.

Können Intersexuelle also heiraten? Und wenn ja, wen?

Schwab meint Ehen seien möglich zwischen:  Mann-Frau, Mann-Mann, Frau-Frau, Inter-Inter, Mann-Inter, Frau-Inter

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81 Kommentare

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Übrigens, denjenigen, die hier eine so klare Linie wie das BVerfG haben, eine "Homophobie" als rhetorischen Kampfbegriff dann gleich zu unterstellen, das ist doch ein ganz billiger, aber weit verbreiteter Trick aus der Mottenkiste der Lobby!

Da müßte ich nämlich dann mit "Faktenphobie" kontern, und dann kehrt sich der Schwung des Angriffs um!

In jedem Kommentar zum Art. 6 I GG und in jedem Lehrbuch kann nachgelesen werden, dass das Ehegrundrecht eine "wertentscheidende Grundsatznorm" sei. Hubertus Gersdorf ist der einzige, der diese Eigenschaft leugnet und von einem normgeprägten Grundrecht spricht - also wie das Eigentumsgrundrecht. Wertentscheidende Grundsatznormen sind keine trickreiche Konstruktionen. Vielmehr setzen sie dem einfachen Gesetzgeber rechtliche Grenzen für die Freiheit des gesetzgeberischen Ermessens.

BVerfGE 6, 55, 76:
"Aus dieser Funktion des Art. 6 Abs. 1 GG als einer wertentscheidenden Grundsatznorm ergeben sich die rechtlichen Grenzen für die Freiheit des gesetzgeberischen Ermessens."

BVerfGE 6, 55, 71:
"Das Ermessen des Gesetzgebers findet jedoch seine Grenze nicht nur im Willkürverbot und in den "Konkretisierungen" des allgemeinen Gleichheitssatzes (insbesondere Art. 3 Abs. 2 und 3 GG), sondern auch in sonstigen Grundsatznormen, in denen für bestimmte Bereiche der Rechts- und Sozialordnung Wertentscheidungen des Verfassungsgebers ausgedrückt sind."

Jurawissen - weiß nicht mehr genau - 1. bis 2. Semester?

Eine trickreiche und besonders gefährliche Konstruktion ist wohl der Begriff des Verfassungswandels, der in der Kaiser-Zeit für die Reichsverfassung von 1871 geprägt wurde (Paul Laband,  Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung (1895) und Georg Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung (1906)), die Grundrechte und Verfassungsgericht noch nicht(!) kannte, als Richter noch Beamte waren und Gerichte noch zur Exekutive gehörten und die Verfassung eine grundlegend andere Bedeutung hatte. Die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts enthält genau dieses Verständnis für Verfassungswandel aus jener Zeit - der Zeit der Reichsverfassung. Das ist unzweifelhaft rechtsstaatsfeindlich.

 

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Die "Ehe für alle" ist verfassungsgemäß, vgl. zuletzt Meyer, FamRZ 2017, 1281. "Der Beitrag von Meyer argumentiert, dass der verfassungsrechtliche Ehebegriff in Art. 6 Abs. 1 GG die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht berührt. Selbst wenn dieser Begriff - wie das BVerfG bislang judiziert - auf die Verbindung von Mann und Frau beschränkt ist, darf der Gesetzgeber dennoch die gleichgeschlechtliche Ehe einfachrechtlich schaffen." (FamRZ). Man kann es einfach nicht mit ansehen, wie diskriminierend rückwärtsgewandt hier teilweise argumentiert wird.

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Dass ihr Diskriminierungsvorwurf sich pauschal gegen alle richtet, die das neue Gesetz für verfassungswidrig halten, sieht man schon daran, dass Sie dem von Ihnen zitierten Meyer den Vorwurf nicht machen, obwohl er mit der BGB-Ehe für gleichgeschlechtliche Paare argumentiert, die aber dann zwingend minderwertiger ist, als die GG-Ehe für verschiedengeschlechtliche Paare.

Stephan Meyer argumentiert so wie Matthias Jestaedt. Alles das, was mit dem Ehebegriff des Grundrechts nicht vereinbar ist, wird zur BGB-Ehe erklärt, so auch der Adressatenkreis. Weil die verfassungsgebende Wertevorgabe für die Ehe die Verschiedengeschlechtlichkeit der Adressaten ist, soll die Öffnung der Ehe für Gleichgeschlechtliche kein Eingriff in den Kernbereich der grundrechtlichen Ehe sein, sondern ein aliud. Meyer und Jestaedt verkennen dabei aber die Wertefunktion des Grundrechts. Auf diese Weise ließe sich der Schutz des Art. 6 I GG vor Eingriffen des Gesetzgebers und seine Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung gänzlich suspendieren. So könnte man auch die Mehr-Ehe einführen. Die Erst-Ehe wäre dann die GG-Ehe. Weil die Zweit-Ehe mit dem grundrechtlichen Kernbereich der Ehe nicht vereinbar ist, wäre sie dann BGB-Ehe, so wie alle weiteren Ehen auch.

Auch die Gesetzesmaterialien zur Ehe für alle sprechen gegen einen Willen des Gesetzgebers, eine verschiedengeschlechtliche BGB-Ehe einführen zu wollen.

 

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Und noch eines wäre anzumerken.

In der Wissenschaft zum Beispiel geht es sowieso um wissenschaftliche Leistungen, nicht ob der Erbringer solcher Leistungen bestimmte Gene, oder bestimmte Vorlieben sexueller Art, oder bei der Wahl von Partnern dafür hat.

Die interessieren mich zum Beispiel auch überhaupt nicht, aber auch in anderen Bereichen außerhalb der Wissenschaft nicht.

Aber daß die Lobbyleistung der Homosexuellen im Bundestag doch bei nur einem einzigen geänderten Satz im BGB schwach war, das steht auf einem anderen Blatt, denn den Satz findet doch auch Herr H.-O. Burschel nicht wirklich gelungen, so jedenfalls verstehe ich ihn.

GR

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Korrektur, speziell für den "Gast":

..... über die Volker Beck mit seiner Lobby der Homosexuellen (die sich ja auch als Schwule und Lesben selber bezeichnen) so voreilig jubelte, ist.....

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Der Freistaat Bayern läßt die "Ehe für alle" durch zwei Gutachter prüfen, bevor es die angekündigte Klage zum Bundesverfassungsgericht auf den Weg bringt. Es handelt sich um den Augsburger Verfassungsrechtler Ferdinand Wollenschläger und die (außerbayerische) Göttinger Juraprofessorin Dagmar Coester-Waltjen, die rechtsvergleichend tätig werden soll, vgl. <a href=https://www.merkur.de/politik/bayern-laesst-verfassungsmaessigkeit-von-e....

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In vielen Veröffentlichungen neben dem Münchener Zeitungs-Verlag GmbH & Co. KG wird nun über das Vorhaben der Bayrischen Staatsregierung berichtet.

Siehe auch: http://www.sueddeutsche.de/bayern/kabinett-zwei-juristen-erstellen-gutac...

Als die FDP aber noch nicht die sog. "Jamaika-Koalition" im Bund mit dann eigener realistischer Regierungsoption in der nächsten Legislatur im Blick hatte, da forderte sie noch in diesem Papier (als PDF mit 2 Seiten aufrufbar):

BESCHLUSS
_________________________________________________________________________________________
des Präsidiums der FDP, Berlin, 10. Juni 2013
________________________________________________________________
Das Präsidium der Freien Demokratischen Partei hat auf seiner Sitzung am 10. Juni 2013 beschlossen:
Volle Gleichberechtigung für eingetragene Lebenspartner – für ein modernes Familienbild.

Zitat daraus am Ende des Papiers:

Auf Antrag des hessischen FDP-Justizministers, Jörg-Uwe Hahn, wird die Justizministerkonferenz am 15. Juni 2013 einen Beschluss für das volle Adoptionsrecht fassen.

Die FDP wird alles tun, um die Union als unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen. In der nächsten Legislaturperiode werden wir die vollständige Gleichstellung vollziehen.

Von "Ehe für Alle" war damals aber noch keine Rede, sondern von "Volle Gleichberechtigung für eingetragene Lebenspartner".

"Schaun mer mal, dann sehn mer scho."

(meinte schon der "Kaiser" Franz B. zur Zukunft, und der muß es ja wissen als gebürtiger Bayer ..... )

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Nun habe ich mir auch noch mal die Mühe gemacht, das "Regierungsprogramm 2013 - 2017" der SPD für die BT-Wahl 2013 durchzulesen, ein PDF von 120 Seiten.

Zitat aus der Seite 50:

Frei in ihren Entscheidungen sein und den eigenen Lebensentwurf verwirklichen – das wollen auch gleichgeschlechtliche Paare. Die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften allein mittels Gerichtsurteilen ist für uns keine politische Option. Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften öffnen und diese damit auch im Adoptionsrecht und im Steuerrecht gleichstellen.

Nicht jeder Mensch fühlt sich dem Geschlecht zugehörig, das bei der Geburt festgestellt wurde. Und nicht jeder Mensch wird eindeutig weiblich oder männlich geboren. Im Bewusstsein dieser Realität setzen wir uns für die Achtung der Menschenwürde, der geschlechtlichen Selbstbestimmung und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit trans- und intergeschlechtlicher Menschen ein.

(Hervorhebung durch Fettung im Zitat von mir)

Damals also hatte man noch an die intergeschlechtlichen Menschen gedacht bei der SPD, ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann ist sogar ein ehemaliger Richter an Verwaltungsgerichten, offenbar aber auch nur mit kurzem Gedächtnis, als es später um vermeintliche politische Machtvorteile ging, statt um konsistente Gesetzgebung in Übereinstimmung mit der konsistenten Rechtsprechung des BVerfG.

Die 84. Justizministerkonferenz hatte übrigens dem Antrag Hessens unter dem TOP 2 entsprochen gehabt:

https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2013/fruehjahrskonferenz...

 

 

Was wollen Sie uns mit diesem Beitrag sagen? Wenn Sie damit sagen wollen, dass intersexuelle Personen von der "Ehe für alle" ausgeschlossen sind, dann irren Sie meiner Ansicht nach (auch wenn Sie sich da mit Dieter Schwab in guter Gesellschaft befinden würden). Der neue § 1353 Abs. 1 BGB "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen" schließt meines Erachtens intersexuelle Personen keineswegs aus. Auch Personen beiderlei Geschlechts oder unbestimmten Geschlechts haben ein Geschlecht. Und ein "bestimmtes" oder "eindeutiges" Geschlecht wird im Gesetz ausdrücklich nicht gefordert.

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Sie haben recht. Rechtlich gibt es nur zwei Geschlechter. Personen unbestimmten Geschlechts gehören rechtlich einem davon an. Sie können die Ehe (eine "Ehe für alle" -etwa eine für weniger oder mehr als 2 Personen oder eine zwischen Kindern und Eltern oder eine zwischen Geschwistern- gibt es nicht) eingehen. 

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Herr Schulze,

"Personen unbestimmten Geschlechts gehören rechtlich einem davon an."

Nett übergangene Selbstbestimmtheit der Person oder großzügiges Angebot von Ihnen zur Erlangung der Rechtsstellung als Mensch?

Es wäre auch wenigstens ein kleiner Wink der Vernunft, wenn statt einer krampfhaften Geschlechtsdeutelei hier mal festzuhalten wäre, dass Ehe für Alle statt dem Passus "gleichen oder verschiedenem" einfachst "unabhängig vom" enthalten müsste oder "Geschlecht" sogar ganz weggelassen werden könnte. Also Einfachstes wurde katastrophal schlecht umgesetzt. Das löst längst nicht die komplexen rechtlichen Probleme, die das Gesetz sonst aufwirft. Aber wenigstens könnte man dann überhaupt erstmal eine Basis finden. Wir benutzen bisher zwar deutsche Worte, deren Bedeutungen aber offensichtlich aus sehr verschiedenen Denkkulturen kommen.

 

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Klar, hätte man auch anders formulieren können. Aber auch mit der bestehenden Formulierung wird die Ehe Transsexuellen nicht verschlossen. Transsexuelle können auch jetzt heiraten, also noch vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetze. Allerdings kann das für eine gegebenenfalls vorgenommene Namensänderung Folgen haben.

Heißt Paul durch Namensänderung Paula und schließt nach noch geltenden Gesetzen eine Ehe mit Andrea, dann wird nach § 7 I Nr. 3 TSG (Transsexuellengesetz) mit Eheschließung die Namensänderung unwirksam und Paula heißt dann wieder Paul. Durch Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Artikel 2) wird § 7 I Nr. 3 TSG aufgehoben. Danach kann Paula weiter Paula heißen und die Namensänderung bleibt wirksam. In der Entwurfsbegründung heißt es:

"Zu Absatz 3 (§ 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG)
In § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG wird bestimmt, dass bei Transsexuellen, die nach erfolgter Vornamensänderung eine Ehe eingehen, die Vornamensänderung automatisch unwirksam wird. Mit dieser Regelung sollte der Anschein einer gleichgeschlechtlichen Ehe verhindert werden. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist der gesetzgeberische Grund für diese Regelung entfallen, so dass auch § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG ersatzlos zu streichen ist."

 

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Ich weiß dazu wenig, aber Intersexuelle sind wohl nicht identisch mit Transsexuellen. Diese sehen sich nicht einem binären Geschlecht eindeutig zuzuordnen, aber ohne klar verschieden zu sein. Damit kann die fiktive oder tatsächliche Zuordnung zu einem Geschlecht als Grundrechtsverletzung angesehen werden. Genauso wie auch die willkürliche Feststellung der Verschiedengeschlechtlichkeit. Denn auch damit wird eine Zuweisung zum konkret anderen Geschlecht in der binären Systematik vorgenommen, die der Realität des Intersexuellen nicht entspricht. Mehr unter http://www.im-ev.de/intersexualitaet/

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Lutz Lippke schrieb:

Diese sehen sich nicht einem binären Geschlecht eindeutig zuzuordnen, aber ohne klar verschieden zu sein.

Auch die Justiz aber kann sich nicht damit begnügen, alleine die Innenansicht von intersexuellen Menschen im genannten Verein auf die Intersexualität distanzlos zu übernehmen.

Dazu sollte also m.E. mindestens auch noch der sehr informative Artikel der Wikipedia zum Thema "Intersexualität" noch gelesen werden. Aber es gibt auch noch sehr viele geschlechtsspezifische Regelungen in vielen Rechtsbereichen, auch bei Leistungen der Krankenkassen z.B. ja noch, was ganz andere Fragen dann wieder auch für diese aufwirft, denn dann müßten sich m.E. auch die Intersexuellen genauesten Untersuchungen unterziehen.

Da durch die moderne Reproduktionsmedizin und die Gentechnik auch Menschen mit genetischen Merkmalen von mehr als 2 anderen Menschen, als alleine von dem biologischen Vater, von dem die Samenzelle stammte, und von der biologischen Mutter, von der die Eizelle stammte, nun ebenfalls noch möglich sind, werden noch ganz andere Probleme auf die Justiz zukommen in der Zukunft. Aber auch das BVerfG wird dann nicht mehr so ganz einfach es dem Gesetzgeber aufgeben können, er solle das eben mal konsistent regeln, denn nicht alle systemimmanente Widersprüchlichkeiten in der Justiz und der Gesetzgebung lassen sich eben in allseitigem Wohlgefallen "par ordre du mufti" aus Karlsruhe auflösen. Unmögliches, wie absolute Einzelfallgerechtigkeit - verbunden mit aber allgemein gültigen Regeln ohne alle Ermessensentscheidungen - kann von Gesetzgebung und Justiz nicht geleistet werden.

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Um alle möglichen Probleme ging es hier und jetzt nicht, sondern darum ob Intersexuelle in der Ehe gleich- oder verschiedengeschlechtlich zum Partner, also zu Mann bzw. Frau bzw. Anderem sind. Denn die Ehe für Alle ist nur für Gleich- und Verschiedengeschlechtliche normiert. Auf diese Normierung hätte man ohne Weiteres verzichten können und sich damit evtl. Übergriffe in das Selbstbestimmungsrecht von Intersexuellen erspart. In diesem Zusammenhang ist es themenfremd, wie man grundsätzlich zur Intersexualität und deren rechtlichen Folgen steht.

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Lutz Lippke schrieb:

Denn die Ehe für Alle ist nur für Gleich- und Verschiedengeschlechtliche normiert.

Gültig erst ab 01.10.2017, aber nicht da schon überall umsetzbar, und dann auch noch unter dem Vorbehalt, daß das BVerfG dem nicht noch widerspricht.

Aber sich auch auf evtl. Weiterungen gedanklich und vorausschauend mal einzustellen, das ist doch grundsätzlich nicht verkehrt, und nicht immer erst abzuwarten, bis das "Kind in den Brunnen gefallen ist", auch in anderen Rechtsbereichen.

Beim Strafrecht z.B. wird ja auch nach der Prävention gerufen btw, auch bei der Erziehung von Kindern ist das ja nicht verkehrt, an die Zukunft zu denken, oder über den eigenen Tellerrand hinaus.

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Mein Wissen diesbezüglich scheint wohl auch nicht sehr groß zu sein. Ich habe wohl vor allem übersehen, dass Transsexuelle auf jeden Fall einen Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde haben und die Namensänderung daran nur unter den Voraussetzungen des 8 TSG etwas ändert. Wenn allein der Geschlechtseintrag maßgeblich ist und der neue 1353 BGB auf ein Geschlecht abstellt, dann sind Intersexuelle tatsächlich vom Wortlaut nicht erfasst, weil sie keinen Eintrag zum Geschlecht haben. Auch eine Auslegung erscheint mir nicht möglich. Denn eine Auslegung ist nur im Rahmen des Wortlauts möglich, nicht darüber hinaus. Es kommt wohl nur eine analoge Anwendung des 1353 BGB zu Gunsten Intersexueller in Betracht.

 

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Lutz Lippke schrieb:

Es wäre auch wenigstens ein kleiner Wink der Vernunft, wenn statt einer krampfhaften Geschlechtsdeutelei hier mal festzuhalten wäre, dass Ehe für Alle statt dem Passus "gleichen oder verschiedenem" einfachst "unabhängig vom" enthalten müsste oder "Geschlecht" sogar ganz weggelassen werden könnte. Also Einfachstes wurde katastrophal schlecht umgesetzt. Das löst längst nicht die komplexen rechtlichen Probleme, die das Gesetz sonst aufwirft. Aber wenigstens könnte man dann überhaupt erstmal eine Basis finden. Wir benutzen bisher zwar deutsche Worte, deren Bedeutungen aber offensichtlich aus sehr verschiedenen Denkkulturen kommen. 
 

Besser kann es auch meiner Meinung nach nicht beschrieben werden, etwas verkürzt dann in "stümperhaft", um es mal ganz deutlich auszudrücken.

Auch Heribert Prantl sah aber früher (am 16. August 2013) ebenfalls bereits Probleme mit dem Begriff des "Geschlechts" auf den Gesetzgeber und die Justiz zukommen. Aber dieser andere Begriff, den er dann auch selber aufgegriffen hatte, der ist erstens auch schon sehr alt, wie ich es bereits mal in einem Link schon aufzeigte, zweitens m.E. nicht wirklich sinnvoll hier.

siehe: http://www.sueddeutsche.de/leben/geschlechter-im-deutschen-recht-maennli...

Aber manche Diskutanten / Juristen haben das ignoriert und ignorieren das heute noch, oder meinen gar, von "Esoterik" da etwas zu hören.

Köstlich, solche Mißdeutungen neuerer Erkenntnisse und Fakten, gerade von Diskutanten mit andauernden Vorwürfen von "gestrig" und "ewiggestrig" in deren sprachlichem Repertoire.

Die Juristen (auch Prantl) machen es sich zu leicht. Das unbestimmte Geschlecht einfach als ein drittes Geschlecht zu deuten, widerspricht unmittelbar der Erkenntnis, dass sich nicht alle Menschen einer definierten sexuelle Gruppe zuordnen lassen. Der Widerspruch zeigt sich in der Frage, ob nun nach Gesetz Intersexuelle nur Intersexuelle ehelichen könnten, weil diese scheinbar gleichgeschlechtlich wären. Selbst wenn dieser Kunstgriff vielleicht einfachrechtlich funktionieren könnte (was nicht passt, wird passend ausgelegt), steht das mit "unbestimmtes Geschlecht" und der Feststellung des BVerfG zum Persönlichkeitsrecht über Kreuz. Unbestimmtes ist gerade nicht etwas bestimmtes Unbestimmtes, sondern eben nur unbestimmt.

Wenn die traditionelle Eheregelung wie behauptet verfassungsrechtlich diskriminierend sein soll, eine Ehe für Alle dagegen  einfach umsetzbar war und ist, dann stellen sich mir dazu 3 grundsätzliche Fragen:

1. Wer, wie und warum hat die Diskriminierung trotz vieler Reformanläufe und der einfachen Änderungsmöglichkeit bis 2017 aufrecht erhalten? Wer nimmt also einen "Verfassungswandel" in Anspruch und warum?

2. Warum nun unbegründet neue Ausschlüsse unter dem verfälschenden Label "Ehe für Alle"?

3. Wer übernimmt für die handwerkliche Stümperei die Verantwortung?

     

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Die Rechtslage ist eindeutig: Es gibt nur zwei Geschlechter; einem davon gehört jede/r an.

"Dabei geht unsere Rechtsordnung und unser soziales Leben von dem Prinzip aus, daß jeder Mensch entweder "männlichen" oder "weiblichen" Geschlechts ist."  BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 16/72 –, BVerfGE 49, 286-304.

Eintragungen in Personenstandsregistern haben deshalb lediglich eine dienende Funktion; sie enthalten Angaben, die nach den Regeln des materiellen Familienrechts grundlegende Bedeutung für die persönliche Rechtsstellung besitzen."… "Die Rechtsordnung, namentlich das Familienrecht, geht aber von einem binären Geschlechtersystem aus"..."Wie sich aus der Gesetzesbegründung aber auch ergibt, wollte der Gesetzgeber mit ihr nicht etwa ein neues Geschlecht bilden, sondern die betroffenen Menschen wegen ihrer "sexuellen Identität" schützen (BT-Drucks. 16/1780 S. 31 - krit. hierzu Stellungnahme des Deutschen Ethikrats BT-Drucks. 17/9088 S. 44 f.; VG Hamburg StAZ 2012, 344, 345)."  BGH, Beschluss vom 22. Juni 2016 – XII ZB 52/15 –, juris.

Natürlich haben Sie darin recht, dass die Gesetzesformulierung -wie man allerdings inzwischen ja fast gewohnt ist- schlecht ist.

 

 

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Damit offenbart sich doch das Ewiggestrige. Einerseits einen Verfassungswandel reklamieren, um der Verfassung einfachrechtlich Weihnachtswünsche unterzuschieben, andererseits auf die (unabänderliche?) Geltung von einfachen Gesetze wider der Realität pochen. Ziemlich willkürlich und interessengeleitet ist das und kann zukünftig auch als Modell für verheerende Grundrechtsverletzungen dienen.
 

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Man sollte gleichwohl nicht übersehen, dass der 22 Absatz 3 PStG erst durch Personenstandsrechts-Änderungsgesetz  (PStRÄndG) eingefügt wurde. Auch dieses Gesetz wurde vor der Bundestagswahl am 7. Mai 2013 verabschiedet und trat nach der Wahl am 1.11.2013 in Kraft. Die Geschlechtszuordnung betrifft die geschlechtliche Identität und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Ja, die Änderung sollte eine Verbesserung für Intersexuelle herbeiführen. Dabei hat sie aber vor allem zu Problemen überall dort geführt, wo das Gesetz auf das Geschlecht Bezug nimmt, wie Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft, Mutterschaft und Vaterschaft. Der Gesetzgeber hätte Intersexuellen ihre geschlechtliche Identität ja selbst bestimmen lassen und ihnen das Recht geben können, ihr Geschlecht selbst zu wählen. Hatte er aber nicht. Man darf doch ernsthaft daran zweifeln, dass die fehlende Geschlechtsangabe in der Geburtsurkunde gem. 22 Absatz 3 PStG ohne selbstbestimmtes Wahlrecht der geschlechtlichen Identität Intersexueller gerecht wird. Wer also den heutigen Gesetzgeber immer noch für so modern hält, der sollte das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten vom 01.06.1794, Erster Theil, Erster Titel. Von Personen und deren Rechten überhaupt, § 19 ff. lesen:

"§. 19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Aeltern, zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen.

§. 20. Jedoch steht einem solchen Menschen, nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre, die Wahl frey, zu welchem Geschlecht er sich halten wolle.

§. 21. Nach dieser Wahl werden seine Rechte künftig beurtheilt.

§. 22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlecht eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch Sachverständige antragen.

§. 23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch gegen die Wahl des Zwitters, und seiner Aeltern."

 

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Es ist wirklich abstrus, dass sich diejenigen, die sich nicht nur einer Verfassungsauslegung, die dem Wandel der Welt gerecht wird, entgegenstellen, sondern sogar einer Änderung des einfachgesetzlichen Zivilrechts, als Verteidiger vermeintlicher Rechte von Inter- oder Transsexuellen aufspielen. Diesen  Inter- oder Transsexuellen bleibt allerdings die Eheschließung nicht verwehrt. Und dass personenstandsrechtliche Bestimmungen -primär das binäre Geschlechtersystem- grundrechtsverletzend sein sollen, haben BVerfG und BGH ja schon verneint.

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Schulze schrieb:

Es ist wirklich abstrus, dass sich diejenigen, die sich nicht nur einer Verfassungsauslegung, die dem Wandel der Welt gerecht wird, entgegenstellen, sondern sogar einer Änderung des einfachgesetzlichen Zivilrechts, als Verteidiger vermeintlicher Rechte von Inter- oder Transsexuellen aufspielen. Diesen  Inter- oder Transsexuellen bleibt allerdings die Eheschließung nicht verwehrt. Und dass personenstandsrechtliche Bestimmungen -primär das binäre Geschlechtersystem- grundrechtsverletzend sein sollen, haben BVerfG und BGH ja schon verneint.

Es wäre schon mal angebracht von Ihnen, dann aber auch "Roß und Reiter" konkret jetzt zu nennen. Sie werden nämlich von mir nichts finden, in dem ich hier explizit bei einer "Eheschließung" nach den neuen Bestimmungen von Intersexuellen, oder bei personenstandsrechtlichen Bestimmungen und auch bei dem Festhalten am binären Geschlechtersystem bereits explizit von verfassungswidrigen Verletzungen von Grundrechten geschrieben habe.

Sie dürfen alle Kommentare nun durchforsten und den Wahrheitsbeweis mit Zitat antreten, bitte sehr.

Aber außerdem könnten Sie sich auch noch mal damit nun näher befassen:

"Intersexualität bleibt unsichtbar: Der Beschluss des Bundesgerichtshofs zu Intersexualität im Personenstandsrecht"

Quelle: https://www.juwiss.de/68-2016/

Besten Gruß und viel Erfolg beim Suchen

GR

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Ich habe von denjenigen geschrieben, "die sich nicht nur einer Verfassungsauslegung, die dem Wandel der Welt gerecht wird, entgegenstellen, sondern sogar einer Änderung des einfachgesetzlichen Zivilrechts, als Verteidiger vermeintlicher Rechte von Inter- oder Transsexuellen aufspielen". Ob Sie nun zu dem Kreis gehören oder nicht, ist für das Thema ohne jeden Belang.

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Schulze schrieb:

Ich habe von denjenigen geschrieben, "die sich nicht nur einer Verfassungsauslegung, die dem Wandel der Welt gerecht wird, entgegenstellen, sondern sogar einer Änderung des einfachgesetzlichen Zivilrechts, als Verteidiger vermeintlicher Rechte von Inter- oder Transsexuellen aufspielen". Ob Sie nun zu dem Kreis gehören oder nicht, ist für das Thema ohne jeden Belang.

Genau so, wie auch Ihre Ansichten dazu, völlig belanglos.

Besten Gruß

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Zwischenzeitlich, Herr Schulze (et al.), zitiere ich aber aus der bereits von mir mal erwähnten  Stellungnahme der PD Dr. Friederike Wapler bei Ihrer "Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Bundestages" vom 21.09.2015 zu "Gleichgeschlechtliche Ehe: Gesetzentwürfe BT-Drs. 18/8, 18/5098 und 18/5901"  ( früher am Ende unter dem Punkt "3. Gesamtbewertung" zitiert),  nun aber noch aus dem Punkt 2:

(2) Folgeänderungen für das Recht der Lebenspartnerschaft

Andererseits sollten Lebenspartner, die keine Änderung ihres Status wünschen, nicht durch eine Umwandlung von Gesetzes oder Amts wegen in eine Ehe gezwungen werden.

Da wurden also m.E. doch Unterschiede von ihr gesehen zwischen einer Lebenspartnerschaft und einer Ehe.

Eine andere, eigene Interpretation dieses Zitats sollte dann schon von Ihnen nun ebenfalls noch begründet werden, Herr Schulze.

GR

PS: Warum das gerade aber nicht in Gänze erschienen ist, ist ja merkwürdig.

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Schulze schrieb:

Warum sollte ich mich mit einer Stellungnahme für den Rechtsausschuss des Bundestages befassen?

Um sich etwas sachkundiger zu machen, und um damit besser zu verstehen, um was es da überhaupt geht.

Aber natürlich können Sie auch weiter raunen oder alles nun in bester Ordnung finden bei den neuen Bestimmungen zu einer "Ehe für Alle" und zum Personenstand, über die zuletzt diskutiert wurde. Steht Ihnen alles frei.

Besten Gruß

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