BFH v. 28.6.2017, XI R 23/14: Verpachtung eines Kundenstammes keine Geschäftsveräußerung im Ganzen

von Dr. Helge Jacobs, veröffentlicht am 08.09.2017
Rechtsgebiete: Steuerrecht|7990 Aufrufe

Die Regelungen zur "Geschäftsveräußerung im Ganzen" (§ 1 Abs. 1a UStG, nachfolgend "G.i.G.") haben große praktische Bedeutung: Sie bezwecken, Umstrukturierungen von Unternehmen zu vereinfachen und Übertragungen von Unternehmen und Unternehmensteilen ("Teilvermögen" im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) zu erleichtern. Eine unrichtige Einschätzung hat regelmäßig erhebliche für den Veräußerer bzw. Erwerber nachteilige Folgen: Bei fehlerhafter Annahme einer G.i.G. muss der Veräußerer im Nachgang zur Transaktion regelmäßig Umsatzsteuer anmelden und dem Erwerber berechnen. Geht der Veräußerer zu Unrecht von der Steuerpflicht aus, schuldet der Veräußerer die Steuer, wenn er sie offen in einer Rechnung ausweist (§ 14c Abs. 1 S. 2 UStG). Der BFH hat in der vorgenannten Entscheidung nunmehr seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt und wiederum klargestellt, dass die G.i.G. immer auch eine Übertragung von Vermögensgegenständen voraussetzt: Eine bloße Betriebsverpachtung kann keine G.i.G. sein. Zwar können im Rahmen einer G.i.G. auch Gegenstände verpachtet werden: Von der G.i.G. aber ist diese Verpachtung nicht umfasst, so dass über diese Verpachtung (soweit nicht steuerbefreit z.B. wie die Verpachtung von Grundstücken gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) weiterhin regelmäßig mit Umsatzsteuer abzurechnen ist. Der BFH macht zudem deutlich: Ist auch ein Mandanten- oder Kundenstamm Gegenstand der Übertragung, dürfen nicht nur einzelne oder mehrere Kundenverträge, sondern müssen sämtliche Kundenverträge veräußert werden. Diese Aussage sollte vor dem Hintergrund des entschiedenen Einzelfalls zu verstehen sein. Denn letztlich kommt es für die Bestimmung des privilegierten "Teilvermögens" auf die Perspektive des Erwerbers an: Kann und will der Erwerber mit den übertragenen Gegenständen eine wirtschaftliche Tätigkeit fortführen, sollte auch dann eine G.i.G. vorliegen können, wenn der Veräußerer nur Kundenverträge überträgt, die der Erwerber für den vom ihm beabsichtigten Geschäftsbetrieb benötigt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen