Gesundheitsschutz vor Niederlassungsfreiheit - Der EuGH zum Beruf des „klinischen Zahntechnikers“

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 28.09.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|2988 Aufrufe

"Gesundheit und das Leben von Menschen“ haben  „den höchsten Rang“, betont der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner neuen Entscheidung vom 21.09.2017 in der Rechtssache C- 125/26. Die europäischen Mitgliedsstaaten besitzen aber einen Wertungsspielraum. Sie könnten entscheiden, auf welchem Niveau der Schutz der Gesundheit gewährleistet werde und wie das entsprechende Niveau erreicht werden solle. 

Der Fall

Vorgelegt wurde dem EuGH ein Fall aus Malta. Der Kläger, ein „klinischer Zahntechniker“, der diesen Beruf im nicht maltesischen Ausland erlernt hatte, wollte, dass er in das Register der Zahntechniker aufgenommen wird.

Was ist ein „klinischer Zahntechniker“?

Der Zahntechniker fertigt individuellen Ersatz für fehlende oder kranke Zähne oder stellt Spangen zur Zahnregulierung her. Er kooperiert mit dem Zahnarzt, hat aber sonst keinen Patientenkontakt.  Die Berufsqualifikation „klinischer Zahntechniker“ gibt es in Malta nicht. In Deutschland übrigens auch nicht.

Der EuGH beschreibt den „klinische Zahntechniker“  als Behandler, der ohne verbindliche Zwischenschaltung des Zahnarztes in direktem Kontakt mit den Patienten arbeiten darf. Bestimmte Tätigkeiten des  klinischen Zahntechnikers“ könnten sich, so der EuGH, mit den Tätigkeiten des Zahnarztberufes überschneiden. Diesen Berufsstand findet man heute beispielsweise in Kanada oder einigen amerikanischen Staaten.

Der Beruf des „klinischen Zahntechnikers“ erinnert an das Berufsbild des Dentisten. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es wenig praktizierende Zahnmediziner in Deutschland. Schuld war das geringe Ansehen der Zahnheilkunde an den Universitäten. Diese Lücke füllte die eher praktisch ausgerichtete Ausbildung des Dentisten. Dieser durfte Patienten selbständig behandeln. Erst die zunehmende Bedeutung der Wissenschaft in der Zahnmedizin und die wachsende Anerkennung der Zahnärzte in der Bevölkerung führte zu einem zweigleisigen System: Zahnarzt und Zahntechniker. Der Dentist war überflüssig geworden. Die praktizierenden Dentisten wurden 1953 zum Zahnarzt umgeschult.  

Die Entscheidung

Mit der Anerkennung des „klinischen Zahntechnikerberufes“ wäre es dem Kläger in Malta möglich, selbständig Patienten zu behandeln. Das haben die Luxemburger Richter abgelehnt. Die Teilnahme eines Zahnarztes an der Behandlung des Patienten ziele auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dafür dürften die europäischen Mitgliedsstaaten das Berufsbild  „Zahntechniker“ reglementieren. Toleriert werden müsse, dass dadurch die Niederlassungsfreiheit beschränkt werde.

Aktuelle Entwicklungen

Die Bundeszahnärztekammer erhofft sich von der Entscheidung des EuGH frischen Wind für die Beratungen über das sogenannte Dienstleistungspaket der EU-Kommission. Geplant ist, dass zukünftig nationale Reglementierungen für freie Berufe mit dem Rest von Europa abgestimmt werden sollten. Das hatte bereits die Standesorganisationen von Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten aktiv werden lassen. 

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