§ 315b StGB durch Schuss auf das Fahrzeug, um den Fahrer zu töten? Nööö...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.10.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3972 Aufrufe

Nicht so schön, wenn man auf den Führer eines Fahrzeugs schießt um ihn zu töten. Klar: ein versuchter Totschlag ist so etwas zumindest. Juristen finden da aber noch weiteres: Den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Frage also: Ist der auch verwirklicht? 

Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen –
wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit einem gefährlichen Eingriff in
den Straßenverkehr und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe
sowie wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung
getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt
den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es
sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die vom Landgericht nicht weiter begründete tateinheitliche Verurteilung
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b
Abs. 1 Nr. 3 StGB hat keinen Bestand.
Nach den Feststellungen zur Tat 2
(Urteilsgründe II.) hat der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz einen
Schuss mit seiner halbautomatischen Selbstladepistole auf den Fahrer des im
Tatzeitpunkt neben ihm befindlichen Fahrzeugs der Marke BMW, den Nebenkläger
W. , abgegeben. Der Schuss verfehlte sein Ziel und schlug – vom
Nebenkläger zunächst unbemerkt – in die B-Säule des von ihm gefahrenen
Fahrzeugs ein.
Diese Feststellungen belegen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr
gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Eine solche Verurteilung setzt
bei Schüssen auf Fahrzeuge im Straßenverkehr voraus, dass die konkrete Gefahr
für eines der in § 315b Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte jedenfalls
auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte
(Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist
(vgl. BGH, Be-
schluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08, NStZ 2009, 100, 101). Daran
fehlt es, wenn der Schaden – wie hier – ausschließlich auf der durch die Pistolenschüsse
freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht (BGH
aaO). Um insoweit auch nur zu einer Verurteilung wegen Versuchs zu gelangen,
hätte der Angeklagte in seine Vorstellung aufnehmen und billigen müssen,
dass es infolge des Schusses zu einem Beinahe-Unfall kommen kann (vgl.
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15, NStZ 2016, 407, 408);
Feststellungen dazu hat das Landgericht indes nicht getroffen.
Der Senat hat für die Tat 2 den Schuldspruch entsprechend abgeändert.
Er schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch Feststellungen
getroffen werden könnten, die eine Verurteilung wegen (versuchten) gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr tragen würden.

2. Die für die Tat 2 verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
neun Monaten kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die tateinheitliche
Begehung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafschärfend
verwertet (UA 42). Der Senat kann daher trotz der moderaten Bemessung
dieser Strafe ein Beruhen nicht ausschließen.

BGH, Beschluss vom 30.8.2017 - 4 StR 349/17

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