"Ups....da hab ich doch gekokst....wusste ich gar nicht...böser Volker!" - damit kommt man beim VG nicht so einfach durch!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.10.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2255 Aufrufe

Unbewusster Kokainkonsum? Ja klar - kann es geben. Normal ist das aber trotzdem nicht. Da müssen schon ganz besondere Umstände feststehen, um eine Fahrerlaubnisentziehung abwenden zu könenn. Und deshalb hatte das VG Gelsenkirchen auch keine Probleme mit der Fahrerlaubnisentziehung nach einer Koks-Fahrt und der sofortigen Vollziehbarkeit:

1. Der sinngemäße gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 7885/17 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2017 (Entziehung der Fahrerlaubnis) wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.

Die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits - nämlich vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen - mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits - die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden - ergibt, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erweist sich die in der Hauptsache angefochtene Regelung als rechtmäßig, und es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begründen könnten.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen. Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt.

Dies ist bei dem Antragsteller der Fall. Seine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ordnungsverfügung ausgeschlossen, weil feststeht, dass er Kokain, welches in der Anlage 3 zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist, konsumiert hat, und weil er bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung auch nicht nachgewiesen hat, dass er die durch den Konsum von Kokain verlorene Kraftfahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt hat. Der Antragsteller hat gegenüber den Polizeibeamten am 21. Februar 2017 eingeräumt, etwa ein bis zwei Wochen zuvor Kokain konsumiert zu haben. Auch im Rahmen seiner ausführlichen Angaben im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller bestätigt, dass er (objektiv) Kokain zu sich genommen hat.

Soweit der Antragsteller vorträgt, das Kokain sei ihm ohne sein Wissen verabreicht worden, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Zwar kann eine im Regelfall eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem willentlichen Konsum angenommen werden. Allerdings geht nach allgemeiner Lebenserfahrung einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Fall einer versehentlichen, durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann. Die Behauptung einer unbewussten Drogenaufnahme ist daher nur beachtlich, wenn der Betroffene nachvollziehbar und plausibel die näheren Umstände darlegt. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2012 - 16 B 231/12 -, juris, mit weiteren Nachweisen; siehe auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 25. Januar 2012 - 10 B 11430/11 -, juris; OVG M.-V., Beschluss vom 4. Oktober 2011 - 1 M 19/11 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 10. Dezember 2007 - 11 CS 07.2905 -, juris.

Diesen Anforderungen wird die Schilderung des Antragstellers nicht gerecht. Der Antragsteller hat im Verwaltungsverfahren und zur Begründung seines vorliegenden Eilantrags angegeben, in der Gaststätte eines Freundes von einem Gast namens „Volker“ eine mit Kokain versetzte Zigarette erhalten zu haben, ohne dass ihm dies bewusst gewesen sei. Erst später, als der befreundete Gastwirt den Gast „Volker“ der Gaststätte verwiesen habe und er selbst die Wirkung der Droge habe wahrnehmen können, sei ihm klar geworden, dass er Kokain zu sich genommen habe. Die Kammer hält diesen Vortrag für eine nicht der Wahrheit entsprechende Schutzbehauptung. Er lässt sich nicht in Einklang bringen mit seinen Angaben gegenüber den Polizeibeamten S. und C., welche den Antragsteller am 21. Februar 2017 im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle polizeilich überprüften. Im Schreiben des Polizeipräsidiums E. vom 21. Februar 2017 an die Fahrerlaubnisbehörde wurde ausgeführt, dass der Antragsteller, nachdem ein Drogenvortest hinsichtlich der Substanz Kokain positiv ausgefallen sei, den eingesetzten Polizeibeamten gegenüber angegeben habe, etwa eine Woche zuvor Kokain konsumiert zu haben. Er habe dies „zum ersten Mal mit Freunden ausprobiert“. Damit hat der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten gleichzeitig eingeräumt, willentlich Kokain konsumiert zu haben, weil ein unbewusstes Ausprobieren mit Freunden nicht denkbar ist. An diesen Angaben gegenüber den Polizeibeamten muss sich der Antragsteller festhalten lassen, zumal er diesen Widerspruch zu seinem späteren Vorbringen nicht überzeugend aufzulösen vermochte. Sein Vorbringen, gegenüber der Polizei insoweit falsche Angaben gemacht zu haben, um dem befreundeten Gastwirt keinen Ärger zu bereiten, nimmt ihm die Kammer nicht ab.

Zudem ist der jetzige Vortrag des Antragstellers auch in sich widersprüchlich. Es ist nicht erklärlich, dass sich der Antragsteller bei der Zustimmung zum freiwilligen Drogenvortest „absolut sicher“ gewesen sei, dass die Polizei nichts finden werde, wenn ihm doch zu diesem Zeitpunkt klar war, dass er etwa eine Woche zuvor – wenn auch nach seinen Angaben anfangs unwissentlich – in der Gaststätte seines Freundes Kokain konsumiert hatte.

Zu Lasten des Antragstellers geht ebenfalls, dass seine Sachverhaltsangaben unkonkret bleiben. Weder nennt er den Namen der Gaststätte, in welcher der Konsum stattgefunden haben soll, noch den Namen des mit ihm befreundeten Gastwirtes, weil er diesem versprochen habe, „ihn aus dieser Angelegenheit herauszuhalten“. Nach alledem geht die Kammer von einem bewussten und gewollten Konsum von Kokain aus.

Ein solcher Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Ausnahme: Cannabis) ist nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ein die Kraftfahreignung ausschließender Mangel. Dabei stellt Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, noch eine Abhängigkeit, noch eine gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die Einnahme selbst. Deshalb ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 - 16 B 332/07 -, juris, m.w.N.; anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. Juni 2002, NJW 2002, 2378 ff., und vom 8. Juli 2002, NJW 2002, 2381) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahreignung.

Bei der demnach feststehenden Ungeeignetheit steht der Antragsgegnerin kein Ermessen zu, die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers nicht gegeben. Dass das Interesse des Antragstellers, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 - 16 B 74/15 -, juris m. w. N.).

VG Gelsenkirchen Beschl. v. 29.9.2017 – 7 L 2110/17, BeckRS 2017, 128113

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