Richtigkeit einer juristischen Fachübersetzung: Teil Drei

von Peter Winslow, veröffentlicht am 24.11.2017

Der dritte und letzte Test der hinreichenden Richtigkeit einer juristischen Fachübersetzung besteht m. E. – wie bereits erwähnt – im Einfachheitstest (simplicity test) in Verbindung mit dem Widerspruchstest, der etwas anders aussehen wird als bei dem Annäherungstest.

  Der Einfachheitstest

In »Teil Zwei« habe ich geschrieben, dass mit dem Einfachheitstest festgestellt werden soll, ob die Übersetzung eines Fachbegriffs die jeweils einfachste Übersetzung darstellt. … Ich möchte diese etwas spezifische Formulierung nun etwas verallgemeinern: Mit dem Einfachheitstest soll festgestellt werden, ob die Übersetzung die jeweils einfachste Übersetzung darstellt. Dabei gilt eine Übersetzung m. E. als die jeweils einfachste, wenn sie in der eigenen Übersetzung einer Institution, Vereinigung und entsprechenden Einrichtung besteht, wenn sie die offizielle Übersetzung der EU-Fassung dem jeweils zu übersetzenden Text entspricht, wenn sie keine sogenannten red flags aufwirft und/oder wenn die Rückübersetzbarkeit gegeben ist.

Dieser Beitrag behandelt zunächst die eigene und die offizielle Übersetzung. Red flags, Rückübersetzbarkeit und der Widerspruchstest werden in zukünftigen Beiträgen behandelt.

  Eigene Übersetzungen

Institutionen, Vereinigungen und ähnliche Einrichtungen (nachfolgend: »Institutionen«) werden in aller Regel bei eigenem Namen genannt. In der Übersetzung sollte das nicht anders sein. In vielen – aber nicht in allen – Fällen haben europäische und andere Institutionen eigene Namen im Englischen und im Deutschen. Die Namen dieser Institutionen haben, sofern vorhanden, mit dem jeweils offiziellen deutschen bzw. englischen Namen übersetzt zu werden. Der Name Bundesgerichtshof ist also nicht etwa mit Supreme Court – ein leider weitverbreiteter Fehler – sondern mit Federal Court of Justice zu übersetzen. So nennt er sich. Eine einfachere Übersetzung findet man nicht.

  Offizielle Übersetzungen

Länder, Städte, Orte und so weiter haben offizielle Bezeichnungen in vielen Sprachen. Auf Englisch heißt Deutschland Germany. Im Englischen verliert Hannover ein n. Auf Englisch heißt Hannover Hanover. Soweit vorhanden und soweit kein sachlicher Grund entgegensteht, sollten diese offiziellen Bezeichnungen grundsätzlich Eingang in juristische Fachübersetzung finden.

Regelmäßig steht die EU-Gesetzgebung wie z. B. Richtlinien, Mitteilungen und Verordnungen online in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. In vielen Fällen gilt Entsprechendes für andere EU-Texte wie z. B. Entscheidungen, Urteile und Zusammenfassungen. Offizielle Übersetzungen finden sich unter anderem im Portal EUR-Lex. Die jeweils offizielle Übersetzung dieser Texte haben Eingang in juristische Fachübersetzungen zu finden, seien sie Übersetzungen von einzelnen Begriffen oder ganzen Vorschriften.

  Aber Vorsicht: Es gibt keine offiziellen englischen Übersetzungen deutscher Gesetze

Die englischen Übersetzungen der deutschen Gesetzgebung, die teilweise vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz online kostenlos zur Verfügung gestellt werden, stellen keine offiziellen Übersetzungen dar. Sie stellen lediglich nicht amtliche Übersetzungen dar, die laut eigenen Angaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz »solely as a convenience to the non-German-reading public« bestimmt sind. Diese nicht amtlichen Übersetzungen sind – ich sage’s einfach – erfahrungsgemäß selten so gut, dass man sie ohne Weiteres übernehmen könnte. … Bei Gesetzen gilt auch das Gebot: Vernunft sucht man nicht online; nur weil etwas im Internet steht, ist es nicht unbedingt richtig und gut.

  Was tun, wenn keine eigene oder offizielle Übersetzung existiert?

Sollte keine eigene oder offizielle Bezeichnung einer Institution, eines Lands, oder Ähnliches vorhanden sein, so sollte die Übersetzung grundsätzlich gemäß einer für die jeweilige Sprache, die jeweilige Branche, den jeweiligen Übersetzer, die jeweilige Übersetzungsagentur, die jeweilige Kanzlei und/oder den jeweiligen Mandanten normierten Vorgehensweise erfolgen. Hier lautet das Stichwort Styleguide.

  Was tun, wenn keine offizielle Übersetzung eines EU-Texts vorhanden ist?

Sollte keine offizielle Übersetzung eines EU-Texts vorhanden sein, was ab und an bei Entscheidungen und deren Zusammenfassungen etwa vorkommt, so sollte man den jeweiligen Text möglichst anhand der Wörter, Begrifflichkeiten, Vorschriften etc. übersetzen, die bei anderen Übersetzungen der EU vorkommen. … Bei dieser Art von Übersetzung geht die Arbeit häufig sehr langsam vonstatten.

  Was tun, wenn man eine Übersetzung einer deutschen gesetzlichen Vorschrift benötigt?

Wenn eine Übersetzung einer deutschen gesetzlichen Vorschrift benötigt wird, so gilt zunächst, dass man die jeweilige nicht amtliche Übersetzung auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Sprachregisterkonformität prüft. Bei einer richtigen, vollständigen und sprachregisterkonformen Übersetzung kann diese ohne Weiteres übernommen werden. Bei einer unrichtigen, unvollständigen und nicht sprachregisterkonformen Übersetzung muss man diese revidieren oder gar neu übersetzen.

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